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5. Februar 2019

von

Andreas Diehl

Lean Startup – Produkte und Geschäftsmodelle mit System entwickeln

5. Februar 2019

Digital

Lean Startup ist eine iterative Methode, um Produkte und Geschäftsmodelle schnell und ressourcenschonend aufzubauen. Im Kern der Methode stehen minimal überlebensfähige Produkte bzw. MVPs und ein sich wiederholender Zyklus aus “Bauen – Messen – Lernen”. Mittlerweile gehört Lean Startup in die Toolbox jedes Gründers und Innovationscoaches.

In diesem Beitrag stelle ich die Lean Startup Methode vor und zeige Dir, wie Du damit arbeitest. Zum Abschluss stelle ich dir noch einige Lean Startup Beispiele vor.

Herkunft von Lean Startup

Die Lean Startup Methode wurde vom amerikanischen Gründer, Tech-Unternehmer und Softwareentwickler Eric Ries entwickelt. Nachdem er das Konzept bereits ausführlich in seinem Blog diskutierte, veröffentlichte er 2012 sein  Buch “The Lean Startup“ und verhalf der Methode so zu internationalem Durchbruch.

Das Buch “The Lean Startup”

Im Kern basiert Lean Startup auf der Idee agiler Softwareentwicklung in Verbindung mit der “Customer Development” Methode von Steve Blank. In Kombination ergeben beide Konzepte den Lean Startup Zyklus.

  1. Beim “Customer Development” geht es im Kern darum den idealen Kunden, seinen Markt durch konsequente Kundeninterviews kennenzulernen, um sein Angebot auf diesen Einsichten zu basieren. In diesen Überlegungen sind sämtliche Gedanken zu deinem Business Modell nur Annahmen, die es gilt mit Kunden und den betreffenden Stakeholdern zu validieren. Eric Ries war ein Student bei und von Steve Blank und wurde so mit dessen Überlegungen vertraut.
  2. Zweitens war Eric Ries als Softwareentwickler mit Konzepten der agilen Softwareentwicklung vertraut. Also dem Arbeiten in kurzen zeitlichen Intervallen, um fertige Arbeitsergebnisse gemeinsam mit dem Kunden zu begutachten.

Mit seinem Buch “The Lean Startup” hat Eric Ries außerdem die Begriffe “MVP” bzw. “minimum viable product” und “Pivot” – also eine grundlegende Änderung in einem oder mehreren Bereichen deines Business Modells – salonfähig gemacht. Sein großer Verdienst ist, mit der Lean Startup Methode ein sehr wertvolles Denkmodell etabliert zu haben, das Unternehmen hilft Innovationen und Produktentwicklung systematisch zu meistern.

Der Lean Startup Zyklus – “Bauen, Messen, Lernen”

Im Kern der Lean Startup Methode steht eine kontinuierliche Feedbackschleife, in der Ideen materialisiert (Bauen), Feedback und Daten gesammelt (Messen) und ausgewertet werden (Lernen). Auf Basis der Learnings werden Annahmen angepasst und die Schleife beginnt von vorne. Das Ziel ist die Durchlaufzeit zu minimieren, um möglichst wenig Zeit und Energie mit falschen Annahmen zu verbringen.

Der Lean Startup Zyklus bestehend aus den Phasen bauen, messen und lernen.
Der Lean Startup Zyklus hat das Ziel die Durchlaufzeit von der Idee zu Feedback zu minimieren.

Schritt 1: Bauen

Das “Bauen” ist sicher der schwierigste Teil im Zyklus. Ob ungeübte Anwender, Kreative oder Gründer, wir wollen zuviel Bauen. Die erste Version unseres Produktes gleicht einer Mondrakete. Wir stapeln Features von denen wir nicht wissen, ob der Kunde sie überhaupt haben will. Und wer viel baut, braucht lange und das widerspricht dem Ziel der Lean Startup Methode die Durchlaufzeit zu minimieren.  Die Lean Startup Methode setzt deswegen auf ein Minimum Viable Product (MVP), wörtlich ein „minimal überlebensfähiges Produkt“.

Was ist ein MVP?

Ein MVP erfüllt nur einen oder wenige zentrale Leistungsaspekte eines Produktes. Die wichtigste Aufgabe des MVP ist es Datenpunkte und Erkenntnisse über deine wichtigsten Annahmen zu gewinnen. Der Begriff des MVP wurde übrigens schon 2001 von Frank Robinson geprägt, mit Lean Startup aber erst salonfähig.

Um einen MVP zu definieren brauchst Du also Klarheit darüber was dem Kunden am wichtigsten ist und welches Problem er mit deinem Produkt lösen möchte. Das setzt eine intensive Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen des Kunden voraus. Dein Ziel ist es dem Kunden mit minimalem Aufwand eine Lösung zu bieten, die Dir ein handlungsrelevantes Feedback in Aussicht stellt. Da auch das Bauen eines MVP bereits sehr aufwendig sein kann, solltest Du vorab in jedem Fall Kundeninterviews führen und Prototypen erstellen.

In diesem Blog findest Du eine ausführliche Anleitung über den Bau eines Minimum Viable Product (MVP).

Schritt 2: Messen

Wer viel misst, misst viel Mist.

Rheinhard K. Sprenger

Eine saubere und relevante Messung setzt voraus, dass Du bereits bei der Definition des MVP darüber nachgedacht hast, welche Aktionen und Handlungen des Kunden Dir Aufschluss darüber geben, ob deine Annahmen richtig sind. Meistens ergeben sich die gewünschten Datenpunkte aus der Reise des Kunden. An jeder Stelle definierst Du, welche Aktionen und Handlungen du messen willst. Um nicht in Datenmüll zu ersticken, darfst Du dich bei jedem Event fragen, wie dieser Datenpunkt dein Verhalten ändern würde.

Schritt 3: Lernen

Der letzte Schritt ist leichter gesagt als getan. Wie gerne haben wir recht und werden in den Dingen bestätigt, die wir glauben. Wer dem “Confirmation Bias” entfliehen will dokumentiert und bespricht am besten im Vorfeld im Team, auf welchen Annahmen der MVP basiert und welche Entscheidungen du auf Basis der Ergebnisse treffen würdest. Du kannst z.B. Datenpunkte definieren, bei deren Nicht-Erreichen eine gewisse Annahme als widerlegt betrachtet wird. Das Ende ist auch gleichzeitig der Anfang des Lean Startup Prozesses. Hoffentlich konntest Du wichtige Ideen validieren oder verwerfen, um mit neuen Annahmen deinen nächsten MVP zu bauen. Wenn die Erkenntnisse zu einer grundlegend oder radikal neuen Ausrichtung des Produktes oder Geschäftsmodells führen, spricht man in der Lean Startup Methode übrigens von einem “Pivot”.  

Mit Lean Startup arbeiten

Der Weg von einer ersten Idee zu einem marktfähigen Produkt und tragfähigen Geschäftsmodell ist lang und steinig. Die Lean Startup Methode ist dabei eine sehr wertvolle Ergänzung zu Design Thinking und der Scrum Methode. Während die Design Thinking Methode Dich in sehr frühen Phasen bei der Ideenfindung und beim Prototyping unterstützt, bietet Dir Scrum ein Vorgehensmodell um Produkte kontinuierlich weiter zu entwickeln. Lean Startup Methode bietet eine Brücke zwischen diesen Methoden.

Darstellung von Gartner, die das Zusammenspiel von Design Thinking, Lean Startup und Scrum im Zeitablauf verdeutlicht.
Darstellung von Gartner, die das Zusammenspiel von Design Thinking, Lean Startup und Scrum im Zeitablauf verdeutlicht.

Für Startups ist Lean Startup elementar. Schließlich muss es gelingen ein tragfähiges Produkt und Geschäftsmodell zu entwickeln, bevor die finanziellen Reserven erschöpft sind. Für Konzerne und Mittelstand ist Lean Startup ebenfalls eine wertvolle Methode. Mit Lean Startup werden Mitarbeiter angehalten den “schnellen Weg” zum Markt zu suchen, statt sich mit langen Planungen und umfangreichen Konzepten zu beschäftigen. Diese neue Methodenkompetenz wird zum Beispiel durch den Aufbau eines Digital Lab in die Organisation getragen.

Lean Startup als Innovationsprozess

Wenn dein Unternehmen einen systematischen Innovationsprozess etablieren will, dann liefert Dir die Lean Startup Methode bereits eine erste Struktur. Dabei solltest Du darauf achten, dass bevor Produkte als MVP gebaut werden, die zuständigen Kollegen ausreichend Zeit mit der Validierung des Problems, Kundenbedürfnissen und Prototypen verbracht haben. Erst dann erhalten die Teams Ressourcen und eine begrenzte Zeitspanne für den Aufbau eines MVP. Das jedoch nur unter der Maßgabe, ihre Erwartungen und Annahmen transparent zu machen. Im Anschluss präsentieren Teams ihre Learnings und erhalten dann je nach Fortschritt weitere Budgets. Die wichtigen kulturellen Learnings dabei sind vor allem das Arbeiten mit Annahmen und die Erkenntnis, dass Scheitern Teil des Lernens ist.

Struktur für dein Lean Startup

Die folgenden Schritte helfen dir noch systematischer mit der Lean Startup Methode zu arbeiten. Bzw. um deine Hypothesen, Experimente und die daraus resultierenden Learnings übersichtlich erfassen bzw. deinen Fortschritt auch dokumentieren.

  1. Build:
    • Hypothese: Was sind zentrale Annahmen deines Vorhabens oder eines ausgewählten Leistungs Aspektes?
    • Experiment: Wie willst Du diese Annahme testen?
  2. Measure:
    • Bewertungskriterien / Erwartungen: Was erwartest Du, wann siehst Du das Experiment als erfolgreich und die Hypothese als validiert an? Wann dagegen betrachtest Du das Experiment als gescheitert und die Hypothese als widerlegt? 
    • Ergebnisse: Gemessene Datenpunkte oder erhaltenes Feedback.
  3. Learn:
    • Hypothese bestätigt?: Ein einfaches Ja / Nein genügt. Ich weiß, dass “es immer darauf ankommt” und die “Umstände nicht optimal waren”. Jedoch geht es auch darum, dass Du Stellung beziehst und auch bereit bist, Hypothesen zu verwerfen. 
    • Learnings: Deine Rückschlüsse aus den erzielten Ergebnissen, wie gehst Du damit um?

Lean Startup Beispiele

Lean Startup ist lange im Mainstream angekommen. Eines der bekanntesten Startups, das nachweislich mit der Methode gearbeitet hat, ist Dropbox. Die Erwähnung ist deswegen so lohnenswert, weil der Dropbox Gründer Drew Houston vor einem besonderen Dilemma stand und eine wertvolle Sichtweise auf die Definition eines MVP mitbringt.

Dropbox

Logo Dropbox

Als Drew Houston 2008 Investoren für sein neues Startup “Dropbox” ansprach hatte er nur einen lokal funktionierenden Prototypen. Für eine stabile Version, die ihm die erhofften Kunden bringen sollte fehlte ihm das Kapital. Die Investoren wiesen ihn jedoch mit der Begründung ab noch keine Kunden zu haben.

Also entschied sich Drew zu einem sehr kreativen MVP. Die zu belegende Annahme war, dass Kunden sich für sein Produkt interessieren. Er stellte also ein Video online, in dem er die Funktionsweise der Software zeigt. Binnen weniger Stunden registrierten sich mehr als 5.000 Interessenten auf seiner Seite. Ein Video, ein lokaler Prototyp, eine Landingpage. Wie Du siehst kann ein MVP wirklich “minimal” sein.

DropBox Demo

General Electric

Ein Beispiel für die Anwendung der Lean Startup Methode in der Corporate Welt stammt von General Electric. Basierend auf der Lean Startup Methode hat GE sein Programm “FastWorks” gegründet und unternehmensweit ausgerollt. Der erste Bereich, der davon betroffen war war die Sparte “Haushaltsgeräte.” Der CEO von GE Appliances Chip Blankenship informierte sein Team im Januar 2013 über anstehende Änderungen in einer Produktlinie:

Logo General Electric

You’re going to change every part the customer sees. You won’t have a lot of money. There will be a very small team. There will be a working product in 3 months. And you will have a production product in 11 or 12 months.

Chip Blankenship, CEO GE Appliance

Noch im gleichen Monat präsentierte das gebildete Team seinen ersten MVP. Vor allem für die Ingenieure war der direkte Kontakt mit Kunden und das Präsentieren minimal funktionsfähiger, nicht 100% zu Ende gedachter Produkte eine harte Lernkurve. Aber das Feedback der Kunden half unerwünschte Features, Farben, Design etc. direkt zu entlarven und zu optimieren. Ein Weg, der sich für GE ausgezahlt. Statt neue Produkte im stillen Kämmerlein alle fünf Jahre zu re-designen plant GE mittlerweile in Iterationszyklen von einem Jahr unter Einbeziehung des Kunden.

With FastWorks we’re learning that speed is our competitive advantage.

Kevin Nolan, VP Technology

Mehr zu den Learnings von GE in diesem Harvard Business Review (HBR) Artikel. Zudem hat Eric Ries seine Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit GE und anderen Konzernen in seinem Buch ”The Startup Way” verarbeitet.

Fazit – Lean Startup setzt den Blinker auf die Überholspur

Lean Startup bietet Dir ein Vorgehensmodell, um neue Produkte und Geschäftsmodelle schnell, kundenzentriert und erfolgsorientiert zu testen. Der Schlüssel für die erfolgreiche Anwendung der Lean Startup Methode ist die Definition eines MVP. Wenn das gelingt, steht einem schnellen Durchlaufen der “bauen, messen, lernen” Schleife nichts mehr im Weg. Aber auch bei aller Begeisterung für die Lean Startup Methode. Blind kannst Du dieses Konzept nicht auf eine komplette Organisationen übertragen. Dazu braucht es ein paar mehr Brücken, die einem Unternehmen helfen das Spannungsverhältnis zwischen der Optimierung ihres Kerngeschäfte, Transformation und Innovation zu meistern.

Viel Erfolg dabei.

Signatur des Blog Autors Andreas Diehl.

Zusätzliche Ressourcen

Buch

Lean Startup

Sicher eines der einflussreichsten Bücher der digitalen Neuzeit mit dem Eric Ries die Lean Startup Methode aus der Taufe hob.

The Lean Startup_Eric Ries Cover

Buch

The Startup Way

In “The Startup Way” überträgt Eric Ries seine Erfahrungen und Startup-Techniken auf etablierte Unternehmen und zeigt damit, dass das “Lean Startup” Konzept auch bei “Nicht-Softwareprodukten” funktioniert. Im Vordergrund stehen dabei seine Erfahrungen mit General Electric.

Cover: Eric Ries: The Startup Way. How Modern Companies Use Entrepreneurial Management to Transforms Culture and Drive Long-Term Growth.

Artikel

Why the Lean Start-Up Changes Everything

“Why the Lean Startup Changes Everything” erklärt die Grundlagen der Lean Startup Methode und wie dieses Denken auch etablierten Organisationen hilft. Der Artikel ist von Steve Blank, einem der wichtigsten Vordenker und Beeinflusser der Lean Startup Methode und wurde 2013 inmitten der Lean Startup Euphorie verfasst.

Cover der Harvard Business Review von Mai 2013: Why the Lean Start-up Changes Everything

Über den Autor

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Andreas Diehl

Mein Name ist Andreas Diehl. Ich blogge und berate zu OKR, digitaler Unternehmens- und agiler Organisationsentwicklung. Futter für meine Beiträge sind 22 Jahre Digital Business und Erfahrungen aus über 12 Jahren Beratung.


4 Antworten

  1. Avatar von Andreas Diehl
    Andreas Diehl

    Danke Sandro. Wendest Du Lean Startup Methode praktisch an? Vielleicht hast Du ja ein paar Erfahrungswerte.:)

  2. Avatar von Sandro

    Sehr informativ und aufs Essenzielle zusammengefasst! Danke.

  3. Avatar von Andreas Diehl
    Andreas Diehl

    Vielen Dank Mihail, freut mich.

  4. Avatar von Mihail

    Danke, Andreas. Sehr gute und knappe Einordnung, insb. im Zusammenhang mit Design Thinking und Scrum. Top!

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