Chris Bradley, Martin Hirt, Sven Smit
Strategy Beyond the Hockey Stick
“Strategy Beyond the Hockey Stick” ist ein ausgezeichnetes Strategiebuch von drei McKinsey-Beratern, die basierend auf empirischen Daten und ihren darauf entwickelten Prognose-Modellen aufzeigen, was gute Strategieentwicklung ausmacht. Dabei ist eine zentrale Einsicht, dass Strategien zu inkrementell und nicht “bold” genug sind und damit auch keine nachhaltige Auswirkung auf die Entwicklung deines Unternehmens haben. Und was dem Ganzen die Krone aufsetzt: 70% der befragten Manager mögen den Strategieprozess erst gar nicht.
Das Buch oder vielleicht auch schon diese Zusammenfassung werden deinen Blick auf Strategieentwicklung verändern. Vielleicht sogar erschüttern.
Was gute Strategien ausmacht - Economic Profit als Erfolgsmessung
Um erfolgreiche Strategie empirisch zu belegen, definieren die Autoren in “Strategy Beyond the Hockey Stick” Economic Profit als Messlatte. Economic Profit ist definiert durch den buchhalterischen Gewinn abzüglich der Opportunitätskosten bzw. der Kapitalkosten.
Economic profit = Umsatz - Kosten - Opportunitätskosten
- Du erwirtschaftest 1 Mio. Euro Gewinn (Umsatz-Kosten).
- Um den Gewinn zu erzielen, setzt Du 10 Mio. Euro Kapital ein.
- Alternativ hättest Du das Kapital mit 12% verzinsen lassen können, d.h. deine Opportunitätskosten betragen 1,2 Mio. Euro.
- Dein Economic Profit ist also - 0,2 Mio. Euro.
Siehe dazu auch eine kurze Einführung zum Economic Profit bei Investopedia oder die Profi-Publikation “Valuation” von McKinsey.
Unternehmen auf der “Power Curve”
Die Autoren haben die untersuchten Unternehmen (ca. 2.400) nach ihrem Economic Profit geordnet und auf einem Chart abgetragen. Das Ergebnis ist eine exponentielle Verteilungskurve bzw. eine “Power Curve”. Auf dieser findest Du Unternehmen mit dem höchsten Economic Profit ganz rechts oben, Unternehmen mit dem geringsten Economic Profit ganz links unten. Die Anordnung haben die Berater in 5 Abschnitte bzw. Quintile eingeteilt mit folgenden wesentlichen Aussagen:
- Im unteren, also ganz linken Quintil erzielen Unternehmen durchschnittlich einen Economic Profit von - 670 Mio. USD
- Im Mittelfeld (2.-4. Quintil) erzielen Unternehmen durchschnittlich 47 Mio. USD Economic Profit
- Im ersten Quintil erzielen Unternehmen durchschnittlich einen Economic Profit von 1, 4 Mrd. USD, also ca. 30 mal so viel wie Unternehmen im Mittelfeld.
Die Power Curve und die Daten werden auch sehr prägnant von einem der Autoren in diesem Video vorgestellt.
Strategische Realitäten - Der Hockeystick der keiner ist
Belustigend und gleichzeitig erschreckend, dass es kaum strategische Vorhaben gibt, die nicht einen Hockeystick versprechen. Allerdings auch kaum ein Vorhaben, das sein Hockeystick-Versprechen halten kann. Stattdessen finden die Berater in ihren Daten viele “hairy backs”, also vor sich hin siechende Vorhaben, die alle (vergeblich) auf den großen Durchbruch warten.
Die missratenen Versuche, erfolgreich Strategie zu entwickeln und damit überdurchschnittliche Performance zu erzielen, haben mehrere ineinander verschachtelte Ursachen:
- Strategie wird von Menschen gemacht. Unser Gehirn ist auf diese Art von “low frequency, high uncertainty” Problemen nicht vorbereitet. Zudem wird Strategie von Menschen gemacht, die zusammen arbeiten.
- “Inside view” statt “outside view”, d.h. Du setzt dich zu wenig mit externen Faktoren, Marktveränderungen, Wettbewerbern und Trends auseinander und schmorst zu sehr im eigenen Saft.
- Kognitive Verzerrungen, wie z.B. der Irrglaube, dass keine oder nur marginale Veränderungen sicherer sind, der Halo-Effekt, Anchoring, Loss Aversion, Champion und der Confirmation Bias.
- Persönliche Incentives führen zu lokalen Optimierungen, statt dass ein authentischer, kritischer Dialog über strategische Optionen geführt wird.
- Kein Nachhalten von Annahmen, die Strategien zugrunde liegen.
Strategy problems are exactly the low frequency high uncertainty problems, for which the human brain is least adapted.
Diese “social side of strategy” steht einer guten Strategieformulierung und -entwicklung im Weg und führt dazu, dass keine echte Re-Allokation von Ressourcen und keine echten “bold moves” stattfinden. Stattdessen werden Budgets im “peanutbutter approach” hauchdünn in der Organisation verteilt. Es bleibt alles weitgehend beim Alten, 90% der Budgets entsprechen mehr oder weniger dem Vorjahr.
Auf der Power Curve surfen - 10 Hebel für deine Strategieentwicklung
Basierend auf einem entwickelten Modell und empirischen Daten haben die Autoren aus über vierzig Merkmalen zehn strategische Hebel identifiziert, die den größten Effekt auf die positive Entwicklung deines Unternehmens haben. Sozusagen der Wind in deinem Segel, um auf der Power Curve nach vorne zu surfen. Diese zehn Faktoren haben die Berater in drei Kategorien geclustert und den jeweiligen Erfolgshebel berechnet.
- <strong>Endowment (30%): </strong>Deine Ausstattung oder auch deine “Legacy”, also Faktoren, die Du nicht direkt beeinflussen kannst. So etwas wie deine Körpergröße beim Versuch, ein Basketball-Star zu werden.
- Umsatz
- Vergangene R&D Ausgaben
- Kapitalstruktur, bzw. das Potential (weitere) Fremdmittel aufzunehmen
- <strong>Trends (25%) </strong>in deiner Industrie bzw. deinen lokalen Märkten. Dabei ist der Industry Trend der dominierende Faktor. Das heißt, Du kannst noch so brillant sein, wenn Du in der falschen Industrie bist, hast Du schlechtere Voraussetzungen. Schließlich wirst Du auch als weltbester Minigolfer deutlich weniger verdienen, als ein durchschnittlicher Profigolfer.
- Industry Trend
- Geographic Trend
Change your industry or change industries.
- <strong>Moves (45%):</strong> Strategische Entscheidungen, die Du direkt beeinflussen kannst und im Zusammenspiel den größten Effekt haben, dein Unternehmen auf der Power Curve nach vorne zu bringen.
- Programmatisches M&A und Divestment Programme
- Aktive und aggressive Re-Allokation deiner Ressourcen
- Capital Expenditure
- Produktivitäts-Programme
- Differenzierungen und Innovation
Eine Kombination von Trends und Moves sind nachher ausschlaggebend dafür, dein Unternehmen auf der Power Curve nach vorne zu bringen. Dabei ist der Industry Trend der stärkste Einzelfaktor, die fünf Moves geben dir den stärksten Rückenwind. Je mehr Du davon aktiv und ernsthaft verfolgst, desto höher deine Chancen auf der Power Kurve nach vorne zu segeln.
Nur “Bold Moves” machen den Unterschied
Einen Move einfach nur zu machen reicht nicht, denn dein Move muss im Vergleich zum Wettbewerb (“outside view”) bedeutsamer sein. Das heißt, egal wie ambitioniert der Schritt aus deiner Innensicht ist, wird daraus nur ein “big move”, wenn dieser im Vergleich zu deinen Wettbewerbern deutlich größer ist. Wenn Du z.B. deine Produktivität um 10% verbesserst, alle Wettbewerber das aber auch tun, dann hast Du nichts gewonnen. Dabei müssen deine Moves noch bedeutsamer sein, wenn Du unter negativen Voraussetzungen startest (Endowment) oder deine Industrie stagniert, d.h. Du keinen Rückenwind aus einem “Industry Trend” hast.
Incremental moves increase the risk of underperformance.
Deine Chancen auf der Power Curve zu surfen
Die Berater haben auch analysiert, wie hoch die Erfolgswahrscheinlichkeiten sind, auf der Power Curve nach vorne zu surfen.
- Als Unternehmen im mittleren Quintel hast Du eine 8% Chance, in das vorderste Quintel zu kommen.
- Bereits zwei gut aufeinander abgestimmte big moves verdoppeln diese Chance, drei big moves erhöhen deine Chance gar auf 47%.
Das heißt, wenn Du mehr als drei “big moves” machst, hast Du eine sechsmal höhere Chance, in das vorderste Quintel der Power Curve zu kommen. Allerdings ist das leichter gesagt als getan, denn 40% der analysierten Unternehmen im mittleren Quintel haben nicht einen einzigen “big move”, weitere 40% haben nur einen big move vollzogen. Dagegen sind Unternehmen im unteren Qunitel deutlich mutiger. Schwache Leistung scheint ein Katalysator für Veränderungen zu sein. Den Unternehmen in der Mitte geht es scheinbar noch zu gut, um wirklich was zu ändern.
Move 1: Programmatisches M&A und Divestment Programme
Programmatisches M&A ist definiert durch mindestens eine Transaktion pro Jahr mit der Aussicht auf +30% Marktkapitalisierung auf 10 Jahre. Dagegen konsumiert kein einziger Deal mehr als 30% der aktuellen Marktkapitalisierung. Um diesen Move erfolgreich zu operationalisieren, brauchst Du einen konstanten Dealflow und darfst die Kompetenzen entwickeln, aussichtsreiche Unternehmen zu identifizieren und erfolgreich zu integrieren. Gleichzeitig ist der bewusste Ausstieg aus Geschäftsfeldern und der damit verbundene Verkauf ein Weg, diesen strategischen Hebel in Bewegung zu setzen.
Move 2: Aktive Ressourcen Re-Allokation
Der zweite big move resultiert aus einer aktiven und sehr bewussten Allokation von Ressourcen. Dabei umfassen Ressourcen sowohl deine Operating Ausgaben (OPEX), Investments (CAPEX) als auch deine schlauen Köpfe (“Talent”). Wie eingangs erwähnt führt die “social side of strategy” vor allem zu einer weitgehend gleichen Verteilung deiner Ressourcen, d.h. Budgets entsprechen weitgehend den Vorjahren. Schließlich möchte man den netten Kollegen ja nichts wegnehmen.
Move 3: Investitionen und Capital Expenditure
Deine Investitionsprogramme werden dann zu einem “big move”, wenn das Verhältnis von CAPEX zu Umsatz über einen Zeitraum von 10 Jahren mindestens 1,7 mal höher ist als das deiner Wettbewerber. Das erfordert allerdings auch Investments in etwas risikobehaftetere Vorhaben als nur in jene, die “im Geld" sind.
Move 4: Produktivitäts-Programme
Produktivitäts-Programme werden dann zu einem “big move”, wenn deine Produktivitätsverbesserungen über einen Zeitraum von 10 Jahren mindestens 25% über den Verbesserungen des Wettbewerbs liegen. Das heißt, wenn dein Wettbewerb 5% produktiver wird, dann erzielst Du mindestens 6-7%, damit aus deinem Produktivitäts-Programm ein echter “big move” wird.
Move 5: Differenzierungen und Innovation
Wie stark deine Differenzierung ist, messen die Berater im Vergleich der erzielten “Gross Margin” im Vergleich zu deinem Wettbewerber. Die grundlegende Annahme dabei ist, dass Innovationen in Produkten und Business Modellen zu höheren Preisen und damit zu einer höheren Handelsspanne führen. Basierend auf den Daten haben die Berater herausgefunden, dass deine Handelsspanne durchschnittlich um 30% über der des Wettbewerbs liegen muss, damit deine Innovationen in Produkten und Business Modellen bedeutsam genug sind, um von einer nachhaltigen Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb zu sprechen.
Acht Schritte für eine besseren Strategie-Dialog
Abschließend bieten die Autoren acht Vorschläge für einen besseren Strategie-Dialog. Diese gibt es allerdings nur im Paket, d.h. sie wirken nur, wenn Du sie alle gemeinsam angehst und implementierst.
- From Annual Planning to Strategy as a Journey
- From getting to YES to Debating Real Alternatives
- From Peanut Butter to Picking Your 1-in-10s
- From Approving Budgets to Making Big Moves
- From Budget Inertia to Liquid Resources
- From Sandbagging to Open Risk Portfolios
- From “You are your numbers” to a Holistic Performance View
- From Long-Range Planning to Forcing the First Step