Das Valve Handbuch für neue Mitarbeiter
Bei Valve bekommen neue Mitarbeiter das "Valve Employee Handbook” ausgehändigt. Darin beschreibt das US-Softwareunternehmen wie sich neue Mitarbeiter zurecht finden und was sie bei Valve erwartet. Und das Buch hat es in sich. Denn statt einem genauen Einarbeitungsplan und einem definierten Job, erwartet Mitarbeiter der Hinweis, dass ihr Tisch Rollen hat und sie sich doch bitte eigenverantwortlich um Projekte kümmern. Denn Valve setzt komplett auf Selbstorganisation.
Valve Handbook for New EmployeesA fearless adventure in knowing what to do when no one’s there telling you what to do.
In diesem Beitrag präsentiere ich meine sechs Highlights des “Valve Handbook for New Employees”. Ich bin mir sicher, dass das Valve Handbuch auch bei Dir für den ein oder anderen “Aha-Moment” sorgt.
#1 - Dein Tisch hat Rollen
Valve Handbook for New EmployeesYou were not hired to fill a specific job description. You were hired to constantly be looking around for the most valuable work you could be doing.
Valve erwartet, dass Du dir selbst Arbeit suchst. Dabei sollst Du an den Projekten mitwirken, von denen Du glaubst, dass sie den größten Wert für den Kunden stiften und deine Kompetenzen am besten eingesetzt sind. Damit übernimmst Du 100% der Verantwortung für den sinnvollen Einsatz deiner Zeit und Arbeitskraft. Dabei kannst Du natürlich jederzeit auch dein eigenes Projekt ins Leben rufen. Den Weg dahin beschreibt Valve relativ simpel:
- Come up with a bright idea
- Tell a coworker about it
- Work on it together
- Ship it!
Die Kenner der Lean-Philosophie werden darin das Lean Prinzip “Shoujinka” erkennen.
#2 Cabals - Interdisziplinäre Teams
Valve organisiert sich über multidisziplinäre Projektteams sog. “Cabals”. Nachdem Du also entschieden hast deine Arbeitskraft in einem der Cabals einzusetzen, bist Du ein 100% Mitglied des Teams und kannst von Beginn an eigene Ideen einbringen . Dabei werden neue Ideen im Cabal Prozess aufeinander abgestimmt und in einem “play-testing, feedback, review, and editing” Prozess permanent weiter entwickelt. Die Idee der Cabals ist in diesem Beitrag ausführlich beschrieben. Damit hat Valve schon vor 20 Jahren dokumentiert, was wir heute unter dem Begriff Agiles Arbeiten zusammenfassen und was mit Frameworks wie Scrum mittlerweile im Mainstream angekommen ist.
#3 Community und Kommunikation
Egal ob es darum geht, herauszufinden an welchen Projekten gearbeitet wird, in welchem Cabal deine Mitarbeit wertstiftend sein könnte, aus deinen Fehlern zu lernen oder die Bewertung Deiner Leistung zu erfahren. All das legt Valve in die Hände deiner Kollegen. Der persönliche Austausch und das Community Building sind informeller Bestandteil der Arbeitskultur, Valve ermutigt dich lediglich mit so vielen Kollegen wie möglich zu sprechen.
#4 Bezahlung
Auch die Bezahlung der Mitarbeiter folgt einem offenen, jedoch strukturierten Bewertungsprozess durch deine Kollegen. Dabei bewerten dich deine Teammitglieder in den folgenden vier Dimensionen, um deinen Wertbeitrag für Valve und seine Kunden zu quantifizieren:
- Skill Level/Technical Ability
- Productivity/Output
- Group Contribution
- Product Contribution
Diese Bewertung ist Grundlage für die jährliche Anpassung deines Gehalts. Gleichzeitig versucht Valve deinen Gehaltsvorstellungen bei Einstellung weitgehend entgegen zu kommen. Schließlich entscheidet sich dein wahrer Wert dann ohnehin schon nach deinem ersten Jahr und wird nach oben oder nach unten angepasst.
#5 Die Rolle eines “Leaders”
Besonders eindrucksvoll finde ich, wie Valve die Rolle eines Team-Leads definiert.
Often, someone will emerge as the “lead” for a project. This person’s role is not a traditional managerial one. Most often, they’re primarily a clearinghouse of informa- tion. They’re keeping the whole project in their head at once so that people can use them as a resource to check decisions against. The leads serve the team, while acting as centers for the teams.
Valve Handbook for New Employees
Valve Handbook for New Employees
Statt also die Rolle als eine traditionelle Führungskraft zu definieren, verstehen sich Team-Leads als Servant-Leader für ihr Team und stellen sicher, dass Informationen zirkulieren und Entscheidungen aufeinander abgestimmt sind. Die Wichtigkeit des freien Informationsflusses ist übrigens in der Lean Philosophie als Yokotenkai bekannt. Selbstredend, dass es bei Valve keine Titel gibt. Das heißt, Leute, die zu Valve als “Senior xy” kommen, um “Vice Super Senior xy” zu werden, werden bei Valve nicht fündig. Das ist dann auch besser. Für die betreffende Person, aber ganz sicher auch für Valve.
#6 - Recruiting ist oberste Priorität bei Valve
Valve Handbook for New EmployeesHiring well is the most important thing in the universe.
Schließlich ist das Recruiting die wichtigste Aufgabe jedes Valve-Mitarbeiters. Denn auf Grund der Struktur und der sehr ungewöhnlichen Kultur, kann ein einzelner Mitarbeiter einen großen Unterschied machen. Im Guten wie im Schlechten. Deswegen sieht Valve es als Pflicht jedes Mitarbeiters, alles stehen und liegen zu lassen, wenn er sich um das Hiring neuer Kollegen kümmert. Wenn neue Kandidaten evaluiert werden, sollen sich Valve-Mitarbeiter die folgenden kritischen Fragen stellen:
- Würde ich wollen, dass diese Person mein Boss ist?
- Könnte ich sehr viel von dieser Person lernen?
- Was wäre, wenn diese Person für die Konkurrenz arbeiten würde?
Dabei möchte Valve am liebsten “T-shaped” Mitarbeiter, also Mitarbeiter die ein breites Wissen und viele Fähigkeiten mitbringen und in wenigen davon absolute Experten sind.
Meine offenen Fragen an Valve
Valve ist weit davon entfernt zu behaupten heute schon alles perfekt zu machen. Sie gestehen sich ein, z.B. nicht gut darin zu sein, Informationen auch über verschiedene Produktbereiche hinweg zirkulieren zu lassen. Aber bekanntlich ist Selbsterkenntnis ja ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Besserung.
Auch ich hatte beim Lesen des Handbuchs noch viele offene Fragen. Ich habe hier meine gelistet und sie bereits an Valve geschickt.
- How do you handle all the backend/admin stuff such as finance? Is that also run by voluntary people?
- strategy / vision / purpose. How do you make sure that people stay aligned? Is this kind of a self-fulfilling prophecy? As you have a strong entertainment/gaming brand only people join who want to work on that? Or could I join Valve and start working on a new SaaS solution (assuming I can make sure I get a handful of people joining me)?
- What about all the spending/budgets beyond payroll? Assuming I run a new project and I need funding beyond people, who is the man I need to go to?
- Is there a formal way to align projects making sure too many people do not work on the same issue?
- How many people do you have in total? (der letzte Wikipedia Eintrag ist aus 2016)
Wenn Du auch eine Frage hast, hinterlasse sie gerne in den Kommentaren, ich nehme sie in meine Liste mit auf.
Fazit - Sehr mutig und wegweisend
Ich bin fest davon überzeugt, dass solche selbstorganisierten Arbeitskulturen die Zukunft sind. Und ich danke Valve, dass sie so offen sind, ihre Erfahrungen und Philosophie zu teilen und damit ein tolles Beispiel abzugeben. Auch wenn Valve dabei lange nicht so konkret in seinen Ausführungen ist wie z.B. Spotify, finden sich im Valve Handbuch viele wertvolle Impulse und Dinge, die uns zum Nachdenken anregen.
Und natürlich fällt all das bei einem Unternehmen viel leichter, in dem die Gründer noch Teil des Unternehmens, keine Investoren involviert sind und es von Anfang an Teil der Kultur war. Jedoch kannst Du dich jederzeit und jeden Tag fragen, was Du mit zur Arbeit bringst, um eine solche Kultur zu ermöglichen.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
Vom Kenner zum Könner
Als Gründer der dno stehe ich dir für dein Anliegen zur praktischen Anwendung gerne persönlich zur Verfügung.
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