Agile Project Canvas – Werkzeug für die agile Projektplanung
Das Agile Project Canvas (APC) ist ein Werkzeug für die agile Projektplanung. Das heißt, mit dem Canvas strukturierst und planst Du deine Projekte, bevor Du in die agile Umsetzung des Vorhabens gehst.
In diesem Beitrag erkläre ich die Hintergründe des Canvas und zeige dir, wie Du mit dem Agile Project Canvas arbeitest.
Woher kommt das Canvas?
Das Agile Project Canvas ist eine Eigenentwicklung von mir. Ich habe oft beobachtet, dass meine Kunden zwar bereit waren Projekte agil umzusetzen, aber auf Ebene der Projektplanung gar nicht die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Teams auch autonom und selbstorganisiert in die agile Umsetzung eines Vorhabens gehen.
Das Canvas war schließlich meine pragmatische Antwort auf die Fragen, welche Voraussetzung denn gegeben sein müssen, damit agile Projektarbeit gelingt. Mein Ziel war es Teams und Führungskräften ein Hilfsmittel zu geben, um möglichst einfach eine agile Projektplanung zu machen.
Agile Projektplanung vs agile Umsetzung
Auf den ersten Blick mag die Forderung nach einer Projektplanung dem Wunsch widersprechen, dass Projekte agil umgesetzt werden. Ich glaube allerdings, dass ohne eine angemessene Projektplanung die agile Umsetzung wie Rennradfahren am Strand ist. Kann man machen, bringt Dich aber nicht weiter. Denn vor der Umsetzung eines Projektes dürfen die Grundlagen gelegt werden, die es überhaupt erlauben agil umzusetzen.
Typische Fehler in der agilen Projektplanung
In meiner Arbeit sind mir vor allem folgende typische Fehler und Versäumnisse im Rahmen der agilen Projektplanung aufgefallen, die eine selbstorganisierte Umsetzung mitunter unmöglich machen.
- Projektziele sind nicht klar.
- Projektziele sind zu kleinteilig beschrieben und unterschiedliche Teams arbeiten an einer größeren Aufgabenstellung ohne sich zu synchronisieren.
- Stakeholder sind Teil des Teams, um sie “im Loop zu halten”.
- Teams sind zu groß.
- Werte für den Kunden oder das Unternehmen sind nicht klar benannt bzw. sind keine Kenngrößen definiert, auf deren Basis der Projekterfolg gemessen werden kann.
- Teams sind abhängig und haben nicht die notwendigen Kompetenzen und Ressourcen.
- Rahmenbedingungen sind “moving targets” und verändern sich im Projektverlauf.
Damit hat das Projektteam keine klaren Spielregeln und Rahmenbedingungen für eine agile Umsetzung des Vorhabens. Mit dem Agile Project Canvas werden diese kritischen Fragestellungen adressiert und vor Beginn der Umsetzung beantwortet.
Das Agile Project Canvas im Überblick
Das Canvas adressiert alle Fragen der Projektplanung, die einen erheblichen Einfluß auf die erfolgreiche agile Umsetzung eines Projektes haben. Das heißt, es werden vor allem die Fragen aufgegriffen, die dem Projekt einen Rahmen, ein Ziel und eine Struktur geben. Beim Aufbau des Canvas habe ich mich vom Business Model Canvas inspirieren lassen.
Insgesamt findest Du acht Blöcke im Agile Project Canvas. Jeder Block enthält auf der ausgedruckten Version drei bis fünf Leitfragen, die dem Team eine erste Richtung vorgeben und den Start erleichtern sollen. Das heißt jedoch nicht, dass alle Fragen unbedingt beantwortet werden müssen. Sie sollen dem Team nur helfen sich einzufinden.
Ich stelle die einzelnen Blöcke nun genau in der Reihenfolge vor, in denen ich Dir auch eine Bearbeitung empfehle.
Hypothesen
In den Hypothesen formulierst Du die Beobachtungen, Annahmen und Fragen, die Anlass für dein Projekt sind. Im Wesentlichen finden sich hier die Beschreibungen von Chancen oder Problemen.
- Welche Annahmen oder Beobachtungen sind Grundlage für das Projekt?
- Welche Probleme hat dein Unternehmen / der Kunde?
- Die Widerlegung welcher Hypothesen würde zum Abbruch des Projektes führen?
Der Block “Hypothesen” ist also so etwas wie die Erfassung deiner Ausgangssituation. In der Design Thinking Methode wäre das also das zu lösende Problem oder der “Challenge”, dem sich das Projektteam stellt.
Ziele
Im nächsten Schritt diskutiert und dokumentiert das Team seine Ziele. Die folgende Fragen sollen helfen die Ziele aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
- Wenn dieses Projekt ein Erfolg war, was hat sich dann für Dich / den Kunden / deine Organisation verändert?
- Wie beschreibst Du das langfristige Ziel (Vision)?
- Warum gibt es das Projekt (Mission / Purpose)?
- Was ist das konkrete Ziel in den kommenden 6-12 Monaten?
Behalte diesen zentralen Baustein durchgehend im Auge, hier laufen die Fäden deines Projektes und des Agile Project Canvas zusammen. Wenn Du merkst, dass sich ein Team hier etwas im Kreis dreht, ermutige es weiter zu machen und nach jedem Block wieder auf das Ziel zurück zu gehen. Eine gute Zielformulierung braucht Zeit, erst recht, wenn Du langfristige und kurzfristige Ziele definierst.
Kunden
Für die Definition deiner Kunden ist ausschlaggebend, für wen Du Werte schaffst und wessen Problem du löst. Natürlich kann es vorkommen, dass interne Anspruchsgruppen deine Kunden sind. In diesem Fall lade ich Dich aber im Zuge eines kundenzentrierten Vorgehens auch ein zu diskutieren, ob und wenn ja welche Effekte das Vorhaben für deine “echten Kunden” hat. Das hat wiederum Rückwirkungen auf das Ziel. Die folgenden Fragen helfen Dir die Kunden deines Projektes differenziert zu betrachten:
- Bei internen Projekten: wer sind die Anwender? Wer ist ein typischer Stellvertreter dieser Zielgruppe?
- Bei externen Projekten: wer ist der Kunde? Wer ist ein typischer Stellvertreter dieser Zielgruppe?
- Auf Basis welcher Merkmale können wir die Zielgruppen segmentieren?
- Wer ist die primäre Zielgruppe für dein Vorhaben?
- Wer ist die sekundäre Zielgruppe für dein Vorhaben?
Vor allem bei internen Projekten ist eine Abgrenzung zwischen Kunden und Stakeholdern sehr kniffelig. Aber schon die differenzierte Auseinandersetzung mit dieser Frage ist die halbe Miete.Wenn Du bereits in der Arbeit mit Personas geübt bist, sind sie die ideale Ergänzung für deine Kundensegmentierung im Agile Project Canvas. Im Idealfall identifizierst Du auch Kunden, die für ein kurzes und informelles Feedback jederzeit ansprechbar wären.
User Value
Der User Value erfasst die quantitativen und qualitativen Metriken, die Dir Aufschluss über den Erfolg deines Projekts auf der Kundenseite geben.
- Welchen langfristigen Mehrwert schaffen wir für den Anwender / Kunden?
- Wie bzw. auf Basis welcher Metriken können wir den Mehrwert und den Erfolg für unsere Anwender / Kunden auch kurzfristig messen?
- Wie verändern diese Metriken unser Vorgehen im Projekt?
Versuche den User Value möglichst konkret zu erfassen und gib Dich nicht mit generischen Aussagen wie “Steigerung der Kundenzufriedenheit” zufrieden. Woran willst Du genau festmachen, dass die Kundenzufriedenheit steigt, wie genau erhebst Du diese Daten? Zudem empfehle ich die Metriken zu priorisieren und euch auf eine primäre Metrik festzulegen, die sozusagen euer “Nordstern” ist.
Business Value
Der Business Value ist das geschäftliche Pendant des User Value und typischerweise auch der Bereich, den Unternehmen zuerst adressieren und ggf. auch übergewichten. Natürlich darfst und sollst Du auf eine ausgewogene Balance von Kundenzentrierung und Verfolgung deiner unternehmerischen Interessen haben. Aber gerade im Zuge deiner digitalen Transformation ist eine ausgewogene Betrachtung Erfolgsfaktor Nummer eins.
- Welche langfristigen Mehrwerte schaffen wir für unser Unternehmen?
- Wie bzw. auf Basis welcher kurzfristigen Metriken können wir den Mehrwert und den Erfolg des Unternehmens messen?
- Welche neue Fertigkeiten / Kompetenzen hast Du mit Erreichung des Projektziels erreicht?
Team / Ressourcen
Die agile Projektumsetzung basiert auf der Idee, dass Du alle notwendigen Ressourcen und Mittel im Zugriff hast, um autonom an der Umsetzung deines Vorhabens zu arbeiten. Das heißt in der Diskussion dieses Blocks reflektiert Du gemeinsam mit deinem Team, ob ihr auf alle notwendigen Kompetenzen zugreifen könnt.
- Was brauchst Du für die Umsetzung des Vorhabens?
- Welche internen Ressourcen und Mitarbeiter?
- Welche externen Partner sind hilfreich?
- Wer sollte in deinem Projektteam sein (Nennung der Namen)?
Bei der Besetzung des Projektteams darfst Du möglichst konkret sein. In frühen Phasen kannst Du es bei einer Benennung der Bereiche und Abteilungen belassen.
Rahmenbedingungen
Die Rahmenbedingungen stecken das Spielfeld ab, auf dem Du und dein Team euch bewegt. Hier sollten im Zuge der Projektplanung vor allem mit Auftraggebern und wichtigen Stakeholdern genau definiert werden, welche wichtigen Rahmenbedingungen unbedingt eingehalten werden sollen.
- Welche wichtigen Rahmenbedingungen z.B. Budgets, Timelines, personelle Constraints müssen berücksichtigt werden?
- Gibt es besondere strategische Entscheidungen die gewürdigt werden sollen?
Stakeholder
Schließlich definierst Du mit den Stakeholdern alle Anspruchsgruppen, die nicht unmittelbar Kunde, aber für die die Umsetzung des Projektes wichtig sind, die ggf. dein Auftraggeber sind oder deren regelmäßiges Feedback Du gerne hättest, um dein Projekt gut weiter zu entwickeln.
- Wer hat das Projekt “in Auftrag” gegeben?
- Welche internen Ansprechpartner gestalten die Rahmenbedingungen maßgeblich mit?
- Welche internen Ansprechpartner sind ein wichtiger oder wertvoller Sparringspartner?
- Wen wollen wir laufend informieren?
- Gibt es externe Partner, die ein maßgebliches Interesse haben und die mit einbezogen werden sollen?
Eine gute Leitlinie für die Sammlung der Stakeholder ist die Frage, wessen Meinung dir und dem Team wirklich wichtig wäre, um das Projekt gut zu entwickeln. Dabei löst Du dich bitte von Hierarchien und Überlegungen “wen müssen wir dabei haben”. Die Stakeholder sind ein wichtiger Sparringspartner und sollten in jede Review eingeladen werden. Im Idealfall benennst Du die Stakeholder namentlich.
Mit dem Agile Project Canvas arbeiten
Drucke das Canvas in DIN A1 oder A0 aus, bewaffne dich und dein Team mit Post It’s und Stiften. Wenn du das Canvas im Team erarbeitest, nehmt euch 2 Stunden Zeit. Wenn Du noch kein Team hast, kannst Du mit dem Canvas dein Projekt zunächst alleine planen.
Stellt das Canvas und den Aufbau vor. Formuliert ein gemeinsames Ziel, z.B. das mit Abschluss der Session alle Projektbeteiligten ein gemeinsames Verständnis haben. Sensibilisiert die Teilnehmer dafür, dass es nicht um eine umfassende Projektplanung geht, sondern um ein Projektdesign, dass im Anschluss eine agile Umsetzung erlaubt. Wenn Du mehr Zeit hast, kannst Du die Teams auch einladen parallel zur Planung des Projektes direkt ihr Backlog zu befüllen. Denn fast immer führen die aufgeworfenen Fragen unmittelbar zu Aufgaben für das Projektteam.
Die Hypothesen sind der erste inhaltliche Block den Du anmoderierst. Damit definiert das Team eine gemeinsame Basis. Wie in einem
Die Ziele klar zu bekommen ist mitunter ein zähes Unterfangen. Mitunter beschreiben Teams Aktivitäten aber keine Ziele. Oder sie kriegen eine große Vision nicht in konkrete kurz- bis mittelfristige Ziele überführt. Wenn Du merkst, dass ein Team feststeckt, ermutige es weiter zu machen und im Anschluss auf die Ziele zurück zu kommen. Wenn Du mit der
Wie bereits erwähnt, ist die Abgrenzung Kunde vs. Stakeholder mitunter die kniffligste Stelle. Deswegen ist meine Empfehlung, es auch mal mit einem “educated guess” zu belassen, wenn ihr merkt, dass ihr euch an dieser Frage aufreibt. Greift die Frage einfach erneut zum Abschluss auf. Wichtig ist, dass ihr im Team darüber sprecht und eine Sensibilisierung schafft, dass nicht alle Anspruchsgruppen Kunden sind. Im Zweifel plädiere ich dafür, die Kunden auf eine einzige, echte und primäre Anspruchsgruppe zu reduzieren.
Erfahrungsgemäß gehen die anderen Blöcke etwas leichter von der Hand. Dabei sollten 10-20 Minuten je Block ausreichen. Bei der Formulierung der Hypothesen, Ziele und Kunden wird dir auffallen, dass das Team schon Aspekte adressiert, die eigentlich in andere Blöcke gehören. Wenn Du einen solchen “Ausreißer” hast, schreib ihn auf, mapp ihn im richtigen Block und bleibt aber mit hohem Fokus an dem gerade bearbeiteten Block.
Im Anschluss an das Durcharbeiten aller Blöcke fasst jedes Team seine Arbeitsergebnisse zusammen, listet die noch offenen Fragen und definiert die nächste Schritte und zu erledigenden Aufgaben. Je nach Zeit hat das Team auf Basis der Diskussion bereits sein Backlog befüllt.
Diskutiert das ausgefüllte Canvas mit allen Stakeholdern, die nicht Teil eurer gemeinsamen Session waren. Achtet insbesondere auf ein gemeinsames Verständnis der Hypothesen, des Ziels und der Rahmenbedingungen. Zudem sollten ihr die Stakeholder für die agile Umsetzung des Vorhaben sensibilisieren.
Für die agile Umsetzung des Projektes sollte sich das Team auf geeignete Methoden festlegen. In der agilen Umsetzung von Projekten sind insbesondere
Fazit - Ohne Projektplanung funktioniert agile Projektarbeit nicht
Ein gutes Projektdesign ist eine wesentliche Voraussetzung für die agile Umsetzung eines Vorhabens. Dabei bietet dir das Agile Project Canvas ein einfaches Werkzeug, um alle relevanten Parameter im Rahmen der Projektplanung zu erfassen. Gleichzeitig schafft und schärft die Diskussion im Team und mit deinen Stakeholdern das gemeinsame Verständnis. Einer erfolgreichen agilen Umsetzung des Projektes steht dann zumindest auf dem Papier nichts mehr im Weg.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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