Conway’s Law – Warum elektrische Maschinen kein Wasser brauchen
Conway’s Law (Gesetz von Conway) warnt davor, dass gelebte Organisations- und Kommunikationsstrukturen die Einführung neuer Softwaresysteme nachteilig beeinflussen. Denn so entstehen suboptimale Systeme, technische Schulden und du lässt das Potential der digitalen Transformation ungenutzt. Stattdessen solltest Du ausgehend vom Potenzial digitaler Systeme deine Prozesse und Abläufe neu denken. In diesem Beitrag stelle ich dir Conway's Law vor und zeige dir, wie Du das Gesetz von Conway bei der Einführung moderner Softwarelösungen angemessen berücksichtigst.
TLTR - Conway's Law in a nutshell
- Das Gesetz von Conway besagt, dass gelebte Organisations- und Kommunikationsstrukturen das Design technischer Systeme nachteilig beeinflussen.
- Ein zentraler Anwendungsfall von Conway's Law ist die Einführung neuer technischer Systeme wie z.B. ERP Lösungen.
- Darüber hinaus kannst Du Conway’s Law auch auf die Einführung neuer Management- und Führungssysteme wie OKR übertragen.
- Mit einem “Reverse Conway” Manöver nutzt Du Conway’s Law und leitest Organisationsstrukturen deiner IT- und Software-Organisationen aus der anvisierten System-Architektur ab.
Conway's Law im Original
Conway’s Law wurde in dem 1968 erschienen Artikel “How Do Committees invent?” veröffentlicht und lautet im Original wie folgt:
Melvin ConwayAny organization that designs a system (defined broadly) will produce a design whose structure is a copy of the organization’s communication structure.
Oder frei ins Deutsche übersetzt:
Der Entwurf von Systemen ist durch die Kommunikationsstrukturen der umsetzenden Organisationen vorbestimmt.
Das heißt, die heute gelebten Abläufe sind ein bestimmender Input für neue Systeme, statt dass Informations- und Kommunikationsstrukturen dem neuen System folgen. Dieses Vorgehen erinnert an Fabriken im späten 19. Jahrhundert, die elektrische Maschinen entlang der fest verlegten Wasserleitungen aufstellten. Die Wasserführung war für den Betrieb der abgelösten Dampfmaschinen essentiell, jedoch völlig unerheblich für die neuen mit Strom betriebenen Maschinen.
So kannst Du Conway’s Law jedermann erklären - Beispiel Zähneputzen
Stell dir vor, Du hast deine Zähne jahrelang “old fashioned” gereinigt, also mit einer analogen, stinknormalen Zahnbürste. Die Abläufe sind einstudiert, Du machst aktiv kreisende und großflächige Bewegungen, so wie dein Zahnarzt es dir empfohlen hat. Nun bekommst du eine elektrische Schallzahnbürste geschenkt. Putzt Du deine Zähne immer noch wie vorher? Schließlich übernimmt die Schallzahnbürste die kreisenden Bewegungen und Du musst deine Zahnbürste nur noch mit leichtem Druck über die Zähne und durch den Mundraum führen.
Wenn Du jedoch Conway's Law zum Opfer fällst, dann putzt Du auch mit deiner neuen Schallzahnbürste deine Zähne immer noch wie mit deiner analogen Bürste. Neue Technologie, alte Abläufe. Dann könntest Du direkt den Motor ausbauen oder Du bleibst einfach bei deiner alten. Nur wenn Du von der neuen Technologie profitieren willst, dann darfst Du auch deine Abläufe anpassen.
Warum das Gesetz von Conway aktueller ist denn je - Vernetzte Systeme treffen auf abgeteilte Organisationen
Unternehmen sind in der Regel vertikal, von oben nach unten, in funktionalen Abteilungen organisiert. Dabei stammen diese Abläufe oftmals aus einer Zeit, in der Faxe, Stift und Papier die dominierenden Arbeitsmittel waren. Dagegen sind moderne Softwarelösungen auf Vernetzung und eine horizontale Zusammenarbeit ausgerichtet. Damit ermöglichen diese Systeme völlig neue Prozesse und Abläufe auch über die heute gelebten Abteilungsstrukturen hinaus.
Die teuren Folgen von Conway's Law
Wenn Du analoge Arbeitsabläufe und Prozesse in moderne Software presst, dann lässt Du Innovationspotentiale ungenutzt und baust technische Schulden auf. Diese technischen Schulden entstehen z.B. dadurch, dass Du Software regelrecht verbiegst, nur um deine lieb gewonnenen analogen Abläufe zu ermöglichen. Im schlimmsten Fall riskierst Du sogar den Erfolg der Systemeinführung. Letzteres kannst Du an zahlreichen Beispielen nachvollziehen. So hat LIDL zum Beispiel nach sieben Jahren 500 Mio. Euro für eine missglückte System-Transformation abgeschrieben. Der Grund: die Organisation war nicht bereit, ihre Prozesse anzupassen. Conway's Law in voller Blüte.
Conway's Law praktisch für die Einführung neuer Systeme nutzen
Bei der Einführung neuer Softwaresysteme ist das Wissen um Conway’s Law Gold wert. Schließlich sind Projekte wie z.B. die Einführung eines ERP System ein erhebliches zeitliches und finanzielles Investment für jedes Unternehmen. Wenn Du Conway's Law ignorierst, dann wird die Tendenz deiner Organisation immer sein, ihren Status Quo in Software zu gießen. Deswegen darfst Du bei der erfolgreichen Einführung neuer Systeme ein paar wichtige Schritte durchlaufen.
- Ziele definieren. Gemeinsam mit dem Management definierst Du einen idealen Zielzustand. Dabei geht es noch nicht im Detail um einzelne Features, sondern die grundlegende Frage, wofür Du das neue System eigentlich einführst. Dabei ist es besonders wichtig, das Management für Conway's Law und die Folgen zu sensibilisieren.
- Anforderungen dokumentieren. Im zweiten Schritt dokumentierst Du mit den beteiligten Fachabteilungen den Status Quo deiner heutigen Prozesse und fragst Anforderungen an das neue System ab. So gelangt ihr zu einem idealen Zielbild.
- Systeme bewerten: Nach der Dokumentation der Anforderungen schaust Du dir nun technische Systeme im Detail an. So gewinnst Du ein Bild davon, was das technische Potential dieser Systeme ist. So entsteht ein Bild davon, wie genau Systeme deine Anforderungen berücksichtigen können, bzw. welche vielleicht bisher nicht adressierten Potentiale für neue Abläufe die Systeme bieten.
- Strategie definieren: Abgeleitet aus den vorherigen Schritten kannst Du nun bewerten, wo Du doch im Spannungsverhältnis aus heute gelebten Prozessen, deiner idealen Prozesswelt und den Potentialen der Software bewegst. Dazu im folgenden Abschnitt weitere Ausführungen.
- Implementieren: Du beginnst erst dann mit der Implementierung, wenn Du verstanden hast, was deine Organisation heute genau tut, warum sie es tut, welche blinden Flecken Du noch hast und vor allem was Softwaresysteme leisten können.
- Change moderieren: Um Systemeinführungen und damit verbundene sinnvolle organisatorische Veränderung erfolgreich zu begleiten, brauchst Du eine gute Change-Moderation und Begleitung durch das Management, um anstehende Veränderungen auch zielführend anzugehen.
Auf diesem Weg kannst Du beteiligte Stakeholder gar nicht oft genug auf Conway’s Law aufmerksam machen und für die schädlichen Folgen sensibilisieren. Dafür brauchst Du unbedingt Backup durch das Management, um im Konfliktfall auch unliebsame Entscheidungen zu treffen.
Das “Reverse Conway” Manöver - Wie Du IT- und Software-Organisation designst
Matthew Skelton / Manuel PaisOrganization design and software design are in practice two sides of the same coin.
Umgekehrt kannst Du Conway’s Law bzw. ein Reverse Conway Manöver nutzen, um deine IT- und Software-Organisation zu designen. Dabei ist deine gewünschte Software-Architektur der Startpunkt, aus dem Du die Strukturen und Interaktionsmuster deiner agilen Organisation ableitest. Beim Design sind unterschiedliche “Team Topologies” nützlich, also Archetypen von Teams und ihre dominierenden Interaktionsmuster.
Team Typen | Interaktionen |
1. Stream-aligned Teams 2. Enabling Teams 3. Complicated- subsystem Teams 4. Platform Teams | 1. Collaboration 2. X-as-a-Service 3. Facilitating |
Conway's Law, neue Führungs- und Managementsysteme
Mit etwas Abstraktionsvermögen kannst Du das Gesetz von Conway auch auf die Einführung neuer Führungs- und Managementsysteme wie z.B. OKR übertragen. Schließlich trifft Conway’s Law die grundlegende Aussage, dass der Status Quo eine zu dominierende Rolle bei der Einführung neuer Systeme einnimmt. So kannst Du bei der Einführung von OKR gut beobachten, dass bestehende Abteilungen unreflektiert in deine OKR Architektur übergehen. Das obwohl gerade Abteilungsgrenzen und so entstehende Silos einer der Gründe sind, warum Du überhaupt über neue Führungs- und Managementsysteme einführst. Stattdessen solltest Du auch bei deiner OKR Einführung das Reverse Conway Manöver anwenden. Das heißt, definierst Du Ziele für deine Organisation, um daraus eine geeignete OKR Struktur abzuleiten.
Fazit - IT und Organisation gehen Hand in Hand
Conway's Law ist im Zuge der digitalen Transformation aktueller denn je. Denn neue Software- und auch Management-Systeme haben das Potential, deine Organisation nachhaltig positiv zu entwickeln und erfolgreich durch die digitale Transformation zu navigieren. Das gelingt vor allem dann, wenn Du dich von vorherrschenden mentalen Modellen und Strukturen löst, die Fenster aufmachst und dich vom Gedanken der co-kreativen Vernetzung leiten lässt.
Viel Erfolg dabei,
Andreas Diehl
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