Corporate Language – Sprachblüten der deutschen Unternehmenssprache
Sprache macht Bilder. Zumindest entstehen die im Kopf, während Du redest. Deswegen solltest Du im wahrsten Sinn des Wortes aufpassen, was Du sagst. Zumindest wenn Du an moderner Arbeitskultur interessiert bist. In diesem Beitrag stelle ich dir meine liebsten Corporate Language Beispiele vor. Diese Sprachblüten der deutschen Unternehmenssprache habe ich entweder konsequent aus meinem Wortschatz gestrichen, betone sie ganz besonders oder gebe der herkömmlichen Unternehmenssprache auch einfach mal eine ganz neue Bedeutung.
Übersicht Corporate Language Beispiele
Corporate Language Beispiel | Wörtlich genommen … |
---|---|
Angestellter | Du wirst auf eine Stelle (=Arbeitsstelle) gestellt, am besten bewegst Du dich nicht. |
Abteilung | Du teilst ab, statt deine Organisation auf Zusammenarbeit und Vernetzung auszurichten. |
Schnittstellen | Jetzt tut es weh. Hier gibt es einen Schnitt in deiner Organisation, die konsequente Fortführung der Abteilung. |
Entscheidung | Entscheidung heißt vor allem, sich von etwas zu scheiden, besonders im Rahmen deiner Strategie. |
Vorgesetzter | Da wurde dir jemand “vor die Nase” gesetzt, der will auch immer vor dir sein. |
Führungskraft | Gelingt Führung nur mit Kraft oder kostet es einfach Kraft? |
Abholen | Beliebt nicht nur bei Verkehrsbetrieben oder bei IKEA (aus dem Bällebad). Im Unternehmen müssen die Fahrgäste nicht einmal an die Haltestelle kommen. |
Mitnehmen | Die logische Folge nach dem Abholen. Die mitgenommenen Fahrgäste werden sogar vom Busfahrer bezahlt. |
Change Management | Eigentlich gut gemeint. Allerdings impliziert Management einen kontrollierbaren Prozess mit der logischen Anschlussfrage “Wann ist der Change denn endlich vorbei”? |
Problem | Zu unrecht verpöntes Wort. Ohne Problem keine gute Lösung. |
Eskalationen | Nur für Drama Queens und Hysteriker. Eigentlich nur die Wahrnehmung von Unterschieden. |
Meine Top 5 der Corporate Language
Das sind meine absolut liebsten und gefürchtetsten Corporate Language Beispielen. Da komme ich in Workshops oder Vorträgen nicht umher, die Aussprache genauestens zu betonen und das Wort wirken zu lassen.
AN-Gestellter - Wo genau stehst Du?
Prof. Jürgen FuchsEin Angestellter wird morgens angestellt, abends abgestellt und zwischendurch passt man auf, dass er nix anstellt.
Unternehmen sind von Angestellten immer noch beseelt. Der Begriff hat seinen Ursprung irgendwann im tiefsten Taylorismus. Denn während dieser Zeit strömten ungebildete Arbeiter zu Heerscharen in Städte und die neu entstandenen Fabriken. Sie sollten nicht reden, nicht denken, sondern einfach nur einfache Tätigkeiten verlässlich wiederholen. Dazu wurden sie auf eine Stelle (am Fließband) gestellt, um dort auf der Stelle zu stehen und eine Tätigkeit auszuführen. Bis das Fließband eben abgestellt wurde. Dann durfte der Angestellte seine Stelle eben verlassen, um sie am nächsten Morgen wieder einzunehmen.
AbTEILUNG - Was genau willst Du denn abteilen?
Ein weiteres Corporate Language Beispiel und mein Favorit ist die Abteilung. Da stellt sich mir immer die Frage, was genau Du denn eigentlich abteilen willst. Das in einer Arbeitswelt, die sich geprägt durch Digitalisierung und komplexer werdende Arbeitsumgebungen mehr und mehr auf Vernetzung ausrichten darf. Dagegen kommt die Abteilung von Abteilen, also dem Wunsch, sich bewusst abzugrenzen. Abteilungsleiter sind dann schließlich diejenigen, die ganz im Sinne ihres Auftrags die Ab-teilung aufrecht erhalten oder weiter ausbauen wollen. Und Du wunderst Dich, dass Silos in deinem Unternehmen entstehen? Bevor Du also beginnst Löcher in deine Abteilungswände zu bohren und die abgeteilte Zusammenarbeit mit Formaten wie OKR zu überbrücken versuchst, streiche doch einfach dieses grausame Wort aus deiner Unternehmenssprache.Sprech stattdessen lieber von Teams, um auch mit deiner Corporate Language im 21. Jahrhundert anzukommen.
SCHNITTstelle - Hilfe es blutet
Nicht wegzudenken aus der Unternehmenssprache und so etwas wie die Steigerung der Abteilung sind die “Schnittstellen”. Denn bei diesem Corporate Language Beispiel war die Abteilung schon so erfolgreich, dass Du bereits einen klaren Schnitt hast und möglicherweise sogar blutet. Dabei ist mit dieser Schnittstelle eigentlich doch nur gemeint, dass es auch andere Teams oder Bereiche für ein koordiniertes Vorgehen braucht. Statt also erst Schnittstellen zu schaffen, könntest Du künftig einfach Brücken bauen, Vernetzungen und Verhäkelungen anstreben, statt für ernsthafte Verletzungen zu sorgen.
EntSCHEIDUNG kommt von scheiden
Henry MintzbergNo trade off, no strategy.
Das nächste Corporate Language Beispiel wird zwar oft verwendet, aber leider nicht wörtlich verstanden. Schließlich kommt die “Ent-scheidung” von Scheidung. Also etwas loslassen und sich von etwas trennen. Das heißt, bei einer Entscheidung geht es nicht unbedingt darum festzulegen, was alles noch zusätzlich gemacht werden muss. Sondern vor allem im Rahmen der Strategieentwicklung zu definieren, was NICHT gemacht wird. Sich also zu scheiden.
Übrigens hat die Entscheidung auch geschichtlich etwas mit Trennung zu tun. Denn im Mittelalter stand das “Ent-scheiden” wörtlich dafür, das Schwert aus der Scheide zu ziehen. Also das Schwert aus der Scheide zu lösen. Was der Entscheidung dann folgte, waren dann mitunter schwerwiegendere Trennungen.
VORgesetzte - Hindernisse auf dem Weg zum selbstbestimmten Arbeiten
Wer etwas vorgesetzt bekommt, der hat meistens keine Wahl. Oder ein Hindernis auf seinem Weg. Schließlich wurde da etwas VOR dich GESETZT. Und ganz in Erfüllung seines Auftrags fängt der VORgesetzte dann entweder an, an dir zu ziehen, damit Du auch mitkommst oder verhindert Überholmanöver. In jedem Fall immer mit dem gewollten Anspruch, VOR dir zu sein. Eine sehr langweilige Reise, erst recht, wenn der Vorgesetzte auch noch mit Kraft führt. Einen wichtigen und richtigen Auftrag hätte der Vorgesetzte, wenn er den dahinter liegenden Kollegen im unwegsamen Gelände eine erste Schneise schlägt, vor Gefahren warnt und dafür sorgt, dass alle anderen gut vorankommen. Dann wäre er ein dienender Anführer, der sich in den Dienst seines Teams stellt und sich darum kümmert, dass alle anderen ungestört arbeiten können.
Weitere Stilblüten der deutschen Unternehmenssprache
FührungsKRAFT - Ohne Druck geht hier gar nichts
Ein Corporate Language Beispiel ist die Führungskraft. Denn scheinbar gelingt Führung nur mit Kraft. Vermutlich weil Mitarbeiter ohne Druck ohnehin nichts Sinnvolles tun. Und wenn Du daran glaubst, dann ist es nicht verwunderlich, dass Führung vor Kraft strotzen muss und es hart gesottene FührungsKRÄFTE braucht. Die setzen ihre Kraft dann bei Mitarbeitern ein oder gegen andere FührungsKRÄFTE. Immer feste drücken, bis der andere umfällt oder ausweicht. Dagegen braucht es in einer modernen Arbeitskultur zwar immer noch Führung, aber keine Kraft. Zumindest dann nicht, wenn Du daran glaubst, dass jeder Mitarbeiter immer sein Bestes gibt und intrinsisch motiviert ist. Dann braucht es Hilfestellung, ab und an mal Zuspruch und vor allem einen permanenten Dialog, was die höheren Ziele und Absichten deines Teams oder deiner Organisation sind. Wenn Du ohne Kraft führst, dann werde doch einfach zur Führungspersönlichkeit oder zu einem Servant Leader.
Bitte alle einsteigen - Von Abholern und Mitnehmern
Wer hat es nicht schon einmal gehört? “Zu diesem Thema sollten wir x mitnehmen”. Ein wirklich weit verbreitetes Corporate Language Beispiel, mit dem jedes Unternehmen zum Verkehrsbetrieb wird. Wenn Du allerdings ständig davon sprichst, Mitarbeiter “mitnehmen” zu wollen, solltest Du dich nicht wundern, wenn die künftig auch “abgeholt” werden möchten. Wie der kleine Jan aus dem Bällebad bei IKEA: Und wenn der Bus dann mal nicht kommt, ist die Bestürzung groß. Denn wer immer “abgeholt” wird, der entwickelt vielleicht sogar eine gewisse Konsumhaltung und ein hohes Maß an Passivität. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, bezahlst Du als Busfahrer auch noch deine Fahrgäste. Aber das wirklich Langweilige an abgeholten Fahrgästen ist, dass sie in der Regel nur da sitzen, sich chauffieren lassen und aussteigen wann sie wollen. Stattdessen kannst Du Kollegen künftig aktivieren oder auch einladen, ermutigen, sich selbst auf den Weg zu machen oder auffordern eine Fahrgemeinschaft zu gründen. Und alles dafür tun, dass Leute selbstbestimmt in Verantwortung gehen, statt mit deiner Corporate Language weiterhin eine passive Konsumhaltung zu fördern, in der Mitarbeiter darauf warten, abgeholt zu werden.
Change Management - Wann ist der Change endlich durch?
Eigentlich ist dieses Corporate Language Beispiel im wörtlichen Sinne ganz in Ordnung. Schließlich hat das Wort “Management” seinen Ursprung im lateinischen “manus”. Damit könnte Management soviel heißen wie “an die Hand nehmen”. Das wäre eine Haltung, die für das Change Management hilfreich ist. Stattdessen aber impliziert “Management” in der Unternehmenssprache fast immer einen kontrollierbaren und steuerbaren Prozess mit festem Start- und Enddatum. Dabei sind Veränderungen und Transformationen ein vielschichtiger und langwieriger Prozess, in dem jeder Betroffene sein eigenes Tempo hat. Diesen Prozess kannst Du begleiten, aber nicht abschließend managen.
Problem - “Houston wir haben (k)ein Problem”
Albert EinsteinIf I had an hour to solve a problem I’d spend 55 minutes thinking about the problem and 5 minutes thinking about solutions.
In manchen Unternehmen ist das Wort “Problem” geradezu verpönt. Da gibt es nur “Chancen” oder “Herausforderungen”. Und Chefs fordern dich auf, "in Lösungen statt Problemen zu denken”. Das ist für mich weichgespülte Bullshit Corporate Language. Denn in einem Design Thinking Verständnis kannst Du gute Lösungen erst entwickeln, nachdem Du das Problem verstanden hast. Ohne Problem fehlt der Lösung der Unterbau und die vermeintliche Lösung wird schnell auch mal zum Problem. Dann nämlich, wenn Lösungen dem eigenen Ego entspringen. Dagegen sind Probleme objektiver, weniger persönlich, besser angreifbar, besprechbar und womöglich auch noch lösbar. Deswegen arbeiten Lean Vertreter auch mit der Maxime “Let problems travel to the surface.” Mit diesem Ritterschlag sollte das “Problem” dann auch in deiner Unternehmenssprache seinen wohlverdienten Ehrenplatz bekommen.
Konflikte und Eskalationen - In der Hand von Drama-Queens und Hysterikern
Eskalationen sind ein äußerst dramatisches Corporate Language Beispiel. Dabei stammt die Eskalation vom lateinischen Wort “scalae” ab, was Leiter oder Treppe heißt. Also ganz neutral betrachtet, die Möglichkeit, weiter nach oben zu klettern. Jedoch klettern in der Unternehmenssprache fast immer Konflikte nach oben. Gute Nachrichten, Lob und Anerkennung haben auf der Eskalationsleiter selten Platz. Jedoch wäre auch das Klettern eines Konfliktes noch lange kein Grund zum Drama. Schließlich ist der Konflikt nur die Wahrnehmung von Unterschieden. Also einfach das Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Perspektiven. Dass daraus ein Problem wird, liegt an den beteiligten Personen, nicht an der Sache an sich. Aber in einer Welt, die von Schnittstellen und Abteilungen geprägt ist, ist es nachvollziehbar, dass Unterschiede bedrohlich wirken. In einer solchen Umgebung sind Eskalationen dann auch immer fest in den Händen von Drama-Queens und Hysterikern. Die Eskalation wird zum epischen Showdown zweier sich aufopfernd kämpfender Helden.
Eskalationen neu definiert - Corporate Language auf den Kopf gestellt
Es liegt an dir, welche Bedeutung Du der Eskalation gibst. Zunächst einmal könntest Du den Konflikt bzw. die damit verbundene unterschiedliche Wahrnehmung als Bereicherung sehen. Denn offensichtlich gibt es jemanden, der eine andere Perspektive hat, von dem Du vielleicht etwas lernen kannst. Wenn dein Blick jedoch verbaut ist und Du eine neue Perspektive brauchst, dann nutzt Du eine Eskalation. Wörtlich steigst Du also auf der Leiter nach oben, um mit einem frischen Blick von weiter oben eine neue Perspektive einzunehmen. Vielleicht löst sich der Konflikt aus dieser neuen Perspektive dann auf. Und wenn nicht, werden vielleicht Probleme sichtbar und bieten deiner Organisation die Chance, sich gesamtheitlich zu verbessern.
Wenn Du Konflikte über FührungsKRÄFTE eskalierst
Doch Vorsicht. Wenn Du eine FührungsKRAFT in eine Eskalation involvierst, könnte es sein, dass diese Person mit all ihrer Kraft eine Entscheidung trifft. Damit wird dann möglicherweise eine neue SCHNITTstelle geschaffen. Dann hat die Eskalation schließlich drei Verlierer. Die Führungskraft, die Kraft hat spielen lassen. Dich und deine Kollegen, weil euch eine wichtige neue Perspektive entgangen ist. Damit bleibt dann wirklich kein gutes Haar an der Eskalation und einem Konflikt, der im Grunde nur die Wahrnehmung eines Unterschieds war. Also verzichte einfach auf das Drama und betrachte den Konflikt und seine Eskalation als Chance etwas zu lernen.
Fazit - Corporate Language macht Verhalten
Sprache macht Bilder, diese Bilder sind wiederum das Tor zum Unterbewusstsein. Wenn Du deine Organisation entwickeln willst (aus welchen VER-wicklungen auch immer), dann brauchst Du neue Bilder. Weg von Abteilungen, Schnittstellen, Eskalationen, vertikalem Denken hin zu horizontalem Denken, Kooperation auf Augenhöhe und Vernetzungen. Und die Unternehmenssprache ist ein kleiner aber nicht zu unterschätzender Schritt in diese Richtung.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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