Start Agilität Duale Organisation – Wie Du Agilität und Hierarchie vereinst 
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13. März 2023

von

Andreas Diehl

Duale Organisation – Wie Du Agilität und Hierarchie vereinst 

13. März 2023

Agilität

Eine duale Organisation ist eine Organisationsform, bei der eine hierarchische Organisationsstruktur durch ein agiles Netzwerk ergänzt wird. Vor allem durch die Arbeiten von John Kotter hat das duale Betriebssystem in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.

In diesem Beitrag stelle ich Dir den Aufbau einer dualen Organisation nach John Kotter vor und zeige Dir, wie Du diesen konzeptionellen Rahmen praktisch mit Leben füllen kannst.

Hier kannst Du dir eine kurze Einführung in die duale Organisation anschauen.

Warum eine duale Organisation?

Unternehmen sind mit einer immer höheren Veränderungsdynamik konfrontiert. Dabei stoßen traditionelle Organisationsstrukturen zunehmend an ihre (Belatungs)Grenzen. Zu statisch, langsam, zu wenig veränderungsfähig und innovationsfreudig. So ist ein  “immer weiter so” nicht mehr ausreichend, um in von Technologie geprägten Märkten und mit schnell verändernden Kundenbedürfnissen zurechtzukommen. Dass hierarchische und zentral geführte Organisationen damit überfordert sind, ist auch wenig verwunderlich. Schließlich sind diese Strukturen auf den stabilen und effizienten Betrieb eines bekannten Geschäftsmodells optimiert, nicht aber auf ständige Veränderung und Weiterentwicklung. 

The hierarchical structures and organizational processes we have used for decades to run and improve our enterprises are no longer up to the task of winning in this faster moving world.

John Kotter

Ein duales Betriebssystem ist ein Lösungsvorschlag um das “Beste aus beiden Welten” zu erzielen. Einerseits den stabilen Betrieb des heutigen Geschäfts sicherzustellen. Andererseits aber ein Vehikel zu schaffen, um die systematische Entwicklung der Organisation zu garantieren. Die “Beidhändigkeit” ist auch als organisationale Ambidextrie bekannt. 

Die duale Organisation nach John Kotter

John Kotter hat in zahlreichen Arbeiten und vor allem mit seinem Buch “Accelerate” seine Ideen einer dualen Organisation skizziert. Dabei ist ein duales Betriebssystem grundsätzlich durch zwei Organisationsformen und Führungsstile gekennzeichnet:

  1. Eine “Management Driven Hierarchy” mit dem Ziel, über feste Strukturen, Routinen und Abläufe eine hohe Verlässlichkeit, Effizienz und operative Exzellenz zu erzielen.
  2. Ein hierarchiefreies, dezentrales “Accelerator Network“, um sich bietende Chancen zu ergreifen, Innovationen, notwendige Veränderungen anzustoßen und die kontinuierliche Entwicklung der Organisation sicherzustellen.

Diese beiden Strukturen sind nicht etwa zwei separate Organisationseinheiten. Vielmehr sind Mitarbeiter Teil beider Welten. 

Das Schaubild zeigt ein duales Betriebssystem, inspired by John Kotter. Auf der linken Seite eine „Management Driven Hierarchy“ und rechts ein dezentrales „Accelerator Network“.
Ein duales Betriebssystem, inspired by John Kotter made by #DNO – Andreas Diehl
“Management Driven Hierarchy” Accelerator Network”
HierarchieNetzwerk
Stabilität, EffizienzVeränderung, Innovation
Management > LeadershipLeadership > Management
Wenige EntscheidungsträgerViele Entscheidungsträger
“Müssen”“Wollen und dürfen”
Planung, Controlling und KPIOutcomes und leading indicators
Top down ProjekteBottom Up Initiativen
Klassisches ProjektmanagementScrum, OKR, agiles Arbeiten

Deine duale Organisation zum Leben erwecken

Um ein solches duales Betriebssystem zum Leben zu erwecken, schlägt John Kotter in seinem Buch “Accelerate” fünf Prinzipien sowie acht Beschleuniger vor. Diese findest Du in der Zusammenfassung des Buches “Accelerate”. Ergänzend dazu ein paar Impulse, wie Du deine duale Organisation zum Leben erweckst.

Das Spielfeld abstecken

Das Accelerator Netzwerk hat den Auftrag, die Weiterentwicklung deiner dualen Organisation voranzutreiben. Damit das nicht wild in alle Richtung ausschlägt, darf das Netzwerk einen“Arbeitsauftrag” bekommen, der das Spiel- und Tätigkeitsfeld absteckt. Dazu schlägt John Kotter eine “big opportunity” vor, hinter der sich die duale Organisation formiert.. Diese wird von den Top Stakeholdern der Organisation definiert und steckt den inhaltlichen Rahmen ab, an dem sich Initiativen des Accelerator Netzwerks orientieren. Darüber hinaus kannst Du aus einem Design Thinking Verständnis, Challenges und Problemstellung formulieren. Also Herausforderungen, mit denen deine Organisation konfrontiert ist und zu denen es noch keine Lösungen gibt. Diese Challenges werden laufend aus allen Richtungen der Organisation formuliert und befüllen das Backlog deiner dualen Organisation.

Spielregeln klar machen, denn Freiwilligkeit erfordert Zeit

Die Teilnahme und der Einsatz im Accelerator Netzwerk basieren auf Freiwilligkeit. Das ist ganz sicher eine wichtige Voraussetzung, alleine jedoch nicht ausreichend. Denn deine Mitarbeiter brauchen auch ausreichend Zeit, um ihre Rolle im Accelerator Netzwerk wirklich ernst nehmen zu können. Entsprechend darfst Du eine Timebox von mindestens 1-2 Tagen definieren, die Mitarbeiter mit Tätigkeiten im Accelerator Netzwerk verbringen dürfen. Gleichzeitig kannst Du die Anzahl der Initiativen begrenzen, an denen ein einzelner Mitarbeiter mitwirken darf, um auch ausreichend Fokus auf einzelne Initiativen zu haben. 

Initiativen und Projekte formulieren

In meiner Welt braucht ein duales Betriebssystem ein gemeinsames Regelwerk, um Initiativen zu formulieren. Grundsätzlich darf und soll jeder Mitarbeiter Vorschläge einbringen. Jedoch sollte die Art, wie Initiativen formuliert werden, einer gewissen Einheitlichkeit folgen. Denn nur so kannst Du im Anschluss eine saubere Priorisierung vornehmen. Zudem reduzierst Du durch eine Schärfung im Vorfeld Doppelarbeiten. Folgende Fragen helfen Dir, eine Initiative sauber zu formulieren. In den weiterführenden Materialien findest du auch einen vorformulierten Fragebogen, um Initiativen und Projekte einzusammeln. 

  • Welches Problem lösen wir?
  • Wer hat das Problem, bzw. wer ist Nutznießer?
  • Warum ist das relevant für uns?
  • Was passiert, wenn wir nichts machen?
  • Warum ist jetzt ein guter Zeitpunkt?

Damit kannst Du auch über Initiativen in deinem Accelerator Netzwerk hinaus einen allgemeingültigen Rahmen für deine duale Organisation definieren, um Projekte und Initiativen zu formulieren. Haben Vorschläge eher klassischen Projektcharakter und dienen der Stabilisierung des Kerngeschäfts, werden sie in der formalen Hierarchie umgesetzt. Vorhaben mit großem Veränderungs- und Innovationsgrad werden dagegen im Accelerator Netzwerk umgesetzt. 

Priorisierungen und WIP Limits

Damit Initiativen mit dem notwendigen Fokus entwickelt werden können, solltest Du ein WIP (Work in Progress) Limit definieren und die Anzahl der laufenden Initiativen deiner dualen Organisation begrenzen. Das WIP Limit darf sich an der Anzahl der Köpfe und Mitarbeiter orientieren, die das Accelerator Netzwerk unterstützen. Damit ein WIP Limit auch dauerhaft praktikabel ist, spielen folgende unterstützende Prozesse eine wesentliche Rolle:

  1. Initiativen werden in einem gemeinsamen Backlog gepflegt
  2. Priorisierung von Initiativen, z.B. mit der WSJF Methode
  3. Regeln für das Stoppen von laufenden Initiativen

Bei der Priorisierung ist sicherlich spannend, wer diese vornimmt und wie diese gemacht werden. Genauso ist das Regelwerk für das Stoppen von laufenden Initiativen eine spannende Frage, die für eine hohe Wirksamkeit des Accelerator Networks aber eine hohe Bedeutung hat. Natürlich kannst Du aus dem Prinzip der Freiwilligkeit auch die Regeln ableiten, solange es mindestens x-Köpfe gibt, hältst Du an der Initiative fest. Das kannst Du vor allem dann machen, wenn Du einem konsequenten agilen Prozess folgst. 

Arbeiten in einem agilen Prozess

Agiles Arbeiten heißt im Kern, in kurzen zeitlichen Intervallen konkrete Arbeitsergebnisse zu erstellen und unter Einbeziehung des Kunden zu verproben. Entsprechend solltest Du für deine duale Organisation die unumstößliche Regel definieren, dass jede Initiative in regelmäßigen Abständen konkreten Arbeitsfortschritt präsentiert. Dabei folgende Demos und Reviews ein paar einfache Regeln:

  1. Demos sind offen, d.h. jeder ist eingeladen und darf kommen. 
  2. Demos finden regelmäßig, z.B. alle 4 Wochen bis 3 Monate statt. 
  3. Ergebnisse werden auf einer Outcome– und nicht auf einer Arbeits- bzw. Aktivitäten-Ebene präsentiert. Das heißt, eine Demo ist nicht einfach die Erbringung eines umfangreichen Arbeitsnachweises. Sondern die Diskussion und Präsentation echter Learnings und Fortschritte. 

Um die Arbeit auf der Netzwerk-Seite deines dualen Betriebssystems zu operationalisieren, setzt Du auf Scrum oder OKR.

Budgets und Finanzierung

So sehr ich John Kotter schätze, kann ich mich einer zentralen Überlegung seiner dualen Organisation gar nicht anschließen. Dass nämlich Budgets für Initiativen ausschließlich in der Hierarchie verwaltet werden. Das heißt konkret, jede Initiative muss Sponsoren aus der formalen Hierarchie begeistern. Das ist sicherlich dann noch tragfähig, wenn Du tatsächlich dem Weg folgst, eine duale Organisation hinter einer gemeinsamen “big opportunity” zu vereinen. Wenn Du das Spielfeld jedoch etwas weiter definierst, dann fühlt sich die Verwaltung der Budgets in der Hierarchie in etwa so an, als würde ich den Bock zum Gärtner machen. Dazu ein paar alternative Überlegungen:

  1. Phase 1: Co-Creation Formate mit dem Kunden, keine extra Budgets für Initiativen
  2. Phase 2: Pauschales Startbudget, z.B. für erste Prototypen oder minimal funktionsfähige Produkte nach erfolgreichem Abschluss der ersten Phase.
  3. Phase 3: Es gibt ein unternehmensweites Budget, das auf die Weiterentwicklung der Initiativen allokiert wird, die Phase 2 erfolgreich durchlaufen haben.

Natürlich kannst Du beide Vorgehensweisen auch miteinander mischen und z.B. die Finanzierung von Phase 3 zu 50% aus der Hierarchie einfordern. Bei einer Entkopplung der Budgets ist es mir nur wichtig, nicht weiterhin Strukturen zu zementieren, die eine echte Entwicklung vielleicht behindern. 

Anschlussfähigkeit der Initiativen sicherstellen

Der letzte kritische Punkt, auf den ich auch in der dualen Organisation von John Kotter keine Antwort gefunden habe, ist die Frage, wie die Anschlussfähigkeit deiner Initiativen gelingt. Würden die Initiativen wie von John Kotter vorgeschlagen, tatsächlich aus der Hierarchie finanziert, dann wäre die Anschlussfähigkeit fast schon sichergestellt. Denn damit kaufst Du von vornherein einen “buy in”. Andererseits verhindert das aber echte Entwicklung, die vielleicht auch mal unbequem ist und weh tut. Vielleicht kann es auf die Frage, wie Du systematisch eine hohe Anschlussfähigkeit sicherstellst auch keine pauschale Antwort geben. Stattdessen vertraust Du darauf, dass alle Beteiligten eine Entscheidung im Sinne der Organisation treffen. Und wenn das nicht gelingt, braucht es vielleicht final doch die Mitwirkung der höchsten Organe der traditionellen Hierarchie, um gewünschte und positive Entwicklungen auch nachhaltig in der Organisation zu verankern. 

FAQ Duales Betriebssystem

Abschließend noch ein paar gängige Rückfragen und Kritikpunkte an einem dualen Betriebssystem.  Hinterlasse gerne einen Kommentar mit deiner Frage. 

Die duale Organisation ist nur eine Projektorganisation?

Nein. Erstens haben Mitarbeiter ein fest allokiertes Zeitbudget für Arbeiten in dem Accelerator Netzwerk. Zweitens werden Projekte, die der Stabilisierung des Kerngeschäfts dienen, nach wie vor in der Hierarchie umgesetzt. Drittens hat eine duale Organisation deutlich mehr inhaltlichen Rahmen als typische Projektorganisationen, die entweder sehr bürokratisch sind oder völlig chaotisch. 

Kann mir ein duales Betriebssystem beim Management meiner digitalen Transformation helfen?

Ja. Ein duales Betriebssystem ist ein ideales Vehikel, um deine digitale Transformation wirksam zu orchestrieren. So werden alle Digital-Initiativen über das Netzwerk gesteuert. Neue Mitarbeiter und Digital-Experten sind sogar unter Umständen dauerhaft und ausschließlich im Netzwerk verankert. 

Ist die duale Organisation nicht einfach eine neue entkoppelte “Schattenorganisation”? 

Nein. Jedoch ist die enge Verzahnung der Hierarchie und des Netzwerks sicher eine der größten Herausforderungen. Eine wichtige Maßnahme dafür ist, dass Mitarbeiter Teil beider Welten sind. Gleichzeitig ist aber auch eine hohe Transparenz der Initiativen und der erzielten Fortschritte eine wichtige Maßnahme. Und schließlich solltest Du bewusst darauf achten, dass dein Netzwerk “co-located” ist, also nicht abgetrennt in neuen Räumlichkeiten.

Fazit – Duale Organisationen zum Leben zu erwecken ist echte aber lohnenswerte Pionierarbeit

Die Überlegungen zu dualen Organisationen sind relativ neu, haben für Unternehmen aber eine hohe Relevanz. Schließlich brauchen Unternehmen Antworten, wie sie wirksam auf Veränderungen reagieren. Denn eines ist sicher: Eine klassische, zentrale und womöglich bürokratische Organisation ist damit  komplett überfordert. Andererseits ist der strukturelle Umbau ein langwieriges Unterfangen und eine echte agile Transformation für viele Unternehmen in weiter Ferne. Damit ist eine duale Organisation ein praktikabler Zwischenschritt.

Viel Erfolg dabei,

Signatur des Blog Autors Andreas Diehl.

Zusätzliche Ressourcen

Tool

Fragebogen Initiativen

Um eine hohe Qualität in der Projektdefinition, gleichzeitig aber auch eine hohe Dezentralisierung und Autonomie der Projektteams in deiner dualen Organisation zu erreichen, habe ich einen Fragebogen zur Formulierung von Projekten und Initiativen entwickelt.

Screenshot #DNO Fragebogen Portfoliomanagement

Über den Autor

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Andreas Diehl

Mein Name ist Andreas Diehl. Ich blogge und berate zu digitaler Unternehmens- und agiler Organisationsentwicklung. Futter für meine Beiträge sind 22 Jahre Digital Business und Erfahrungen aus über 12 Jahren Beratung.


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