Frederick Taylor
The Principles of Scientific Management
Frederick Taylor hat mit seinen Überlegungen zum Scientific Management Generationen von Unternehmen und Managern geprägt. In seinem Paper “The Principles of Scientific Management” (1911) fasst er seine Studien, damit verbundene Einsichten und die wesentlichen Prinzipien des "Scientific" oder auch “Task Management” zusammen.
In diesem Beitrag findest Du eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen des Scientific Managements, eine Definition des Taylorismus und was wir bis heute leider (unreflektiert) daraus machen. Zudem gibt es einen kleinen (oder tragischen) Funfact, wie es das Scientific Management nach Hollywood geschafft hat.
TLTR - Scientific Management in a nutshell
- Damaliger Kontext: Industrialisierung, ungebildete Arbeiter, viele einfache manuelle Tasks
- Annahmen: Durch sorgfältige Beobachtung, Zerlegen und Optimierung der Arbeitsabläufe lassen sich deutlich bessere Ergebnisse erzielen.
- Da Arbeiter nicht gebildet genug sind, muss der Manager genau vorgeben, was in welcher Zeit mit welchem Output zu erreichen ist.
- Scientific Management basierte auf vier wesentlichen Prinzipien: Auswahl, Training, laufendes Coaching der Arbeiter durch den Manager und eine höhere Incentivierung des Arbeitenden, der nach den Prinzipien des Scientific Management arbeitet.
Grundlagen des Scientific Managements
Frederick Taylor war als Ingenieur davon überzeugt, dass sich durch aufmerksame Beobachtung und ein tiefgründiges Verständnis der Arbeitsabläufe bessere Arbeitsergebnisse erzielen lassen, als wenn jeder ein wenig macht wie und was er will. Bis zur Begründung des Scientific Managements gab es vielleicht gar kein Management im engeren Verständnis. Sondern einfach nur Arbeiter und Aufpasser bzw. Vorarbeiter.
Kontext des Taylorismus und des Scientific Managements
Um Scientific Management und die Bedeutung des Taylorismus zu verstehen, ist es wichtig, den damaligen Kontext zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts zu erfassen.
- Industrialisierung ist in vollem Gange.
- Unter den Arbeitnehmern (in den USA) finden sich viele Einwanderer, die der Landessprache nicht mächtig sind.
- Viele ungebildete Arbeitnehmer.
- Aufgaben bzw. Arbeiten sind sehr einfach, mechanisch und leben von vielen Wiederholungen. Deswegen wird Scientific Management oft auch als “Task Management” beschrieben.
- Management-Wissen und Praktiken basieren lediglich auf einfachen, ungeprüften Heuristiken und sind gar nicht wissenschaftlich.
- Arbeitsbedingungen sind sehr “kumpelhaft”. Anstrengung und Bestleistung sind verpönt, weil das erstens deutlich mehr belastet und am Ende auch nicht mehr Lohn einbringt und zweitens dem Kumpel den Job kosten könnte, wenn einer alleine die Arbeit von zweien erledigt.
Dieser Kontext ist entscheidend dafür, die Aussagen und Empfehlungen des Scientific Management auch wirklich bewerten zu können. Denn nicht das Scientifc Management ist schlecht per se, sondern das was wir heute daraus machen ist dumm. Oder auch "Schwarmdumm", wie Gunter Dueck es sagen würde. Dazu weiter unten mehr.
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Das Vorgehen von Taylor
Frederick Taylor untersuchte u.a. die Arbeitsbedingungen des “Pig iron handling”, also den manuellen Transport von Eisenbarren durch einen einzelnen Arbeiter. Dazu nahm Taylor die Arbeitsabläufe minutiös auseinander, stoppte die Zeiten für Ruhe- und Arbeitsphasen und maß den Output bzw. wie viele Tonnen Eisen in welcher Zeit pro Arbeit transportiert werden konnten. So lernte er durch zahlreiche Versuche und Variationen, dass ein einzelner Arbeiter durchaus ein Vielfaches der üblichen Menge transportieren konnte. Dabei ging es Taylor nie um Ausbeutung, sondern immer um eine Verbesserung der Gesamtsituation für alle Beteiligten. Denn wenn Arbeiter mehr leisten können, ist das Unternehmen wettbewerbsfähiger. Kunden erhalten unter Umständen bessere Preise und Arbeiter einen besseren Lohn.
Annahmen des Scientific Management
Aus dem vorherrschenden Kontext und dem Vorgehen entwickelte Taylor nun seine grundlegenden Annahmen des Scientific Management.
- Arbeiter und Arbeitsabläufe sind ineffizient.
- Ein systematisches Management ist die einzige Lösung, diese Ineffizienzen aufzulösen.
- Jede Art des Managements muss wissenschaftlich fundiert sein, also auf Beobachtung, Versuch und Erfahrung basieren. Nicht umsonst haben die englischen Wörter “experience” und “experiment” mit “expiriri” den gleichen lateinischen Wortstamm. Erfahrung folgt dem “Experiment”.
Die wesentlichen Prinzipien des Scientific Management
Damit Unternehmen bzw. ihre Arbeiter vom Scientific Management profitieren, müssen sie nach Taylor vier wesentliche aufeinander aufbauende Schritte beachten.
- Eine sorgfältige Auswahl der Arbeiter. Schließlich sind Tätigkeiten körperlich sehr anstrengend und nicht jeder potentielle Arbeitnehmer ist für diese Arten von Aufgaben gemacht.
- Training der Arbeiter: Wenn es nach Taylor geht, dann sind Arbeiter nicht qualifiziert und gebildet genug, den optimalen Arbeitsablauf selbst zu erkennen. Wenn Du dir den Kontext anschaust, dann ist das keine despektierliche, sondern eher eine realistische Einschätzung. Deswegen müssen Arbeiter gesagt bekommen, WAS und WIE es genau zu erledigen ist und wie lange es zu dauern hat. Keine Rückfragen, keine Beschwerden, “no backtalk”. Einfach den Anweisungen folgen. Erinnert mich etwas an das Shuhari Prinzip.
- Laufendes Coaching: Ein Aspekt, den Du im Scientific Management vielleicht nicht unbedingt erwartest, ist, dass Taylor viel Wert auf ein sehr kooperatives Verhältnis zwischen Manager und Arbeiter legt. Im Neudeutschen würde man das als "Servant Leadership” bezeichnen. Der Manager stellt sich in den Dienst des Arbeiters, coacht und begleitet ihn, damit der Arbeiter einen bestmöglichen Job machen kann.
- Höherer Lohn bzw. Partizipation der Arbeiter: Wie gesagt, ging es Taylor nicht um Ausbeutung. Sondern um eine allgemeine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. So ist ein wesentlicher Eckpfeiler des Scientific Management, dass Arbeiter, die unter den Regeln des Scientific Managements arbeiten, 30-50% mehr Lohn bekommen als solche, die unter dem alten “Kumpel”-Modell arbeiten.
Dabei betonte Taylor ausdrücklich, dass die Einführung des Scientific Managements als eine tiefgreifende Veränderung nicht überstürzt, sondern schrittweise und mit Bedacht erfolgen sollte.
Die Transformation zum Scientific Management
Schon Taylor weist mehrfach darauf hin, dass Transformationen im Unternehmen vor allem Zeit und Geduld brauchen. Und dass eine zu schnelle Einführung des Scientific Managements schlimmstenfalls in Streiks und einer Verschlimmerung der Arbeitsumstände endet. Deswegen schlägt Taylor folgende Schritte zur Einführung des Scientific Managements vor.
- Eigene Studien - Unternehmen sollen eigene Studien durchführen, schließlich sind Arbeitsabläufe in unterschiedlichen Branchen individuell. Es braucht Zeit den eigenen “idealen Weg” zu skizzieren.
- Arbeiter nacheinander einweisen - Arbeiter sollen nacheinander eingewiesen werden. Dabei startest Du mit einem und machst erst mit dem zweiten weiter, wenn die Abläufe wirklich sitzen und Du einen ersten Fürsprecher gewonnen hast.
- Skalierung erst ab 25%: Eine flächendeckende bzw. skalierte Einführung des Scientific Managements empfiehlt Taylor erst nachdem ca. ¼ aller Arbeiter bereits unter dem neuen Scientific Management arbeiten. Eine Empfehlung, die in Startup-Kreisen heute mit “void premature scaling” bekannt ist.
So kann es nach Taylor Jahre bis zu einer flächendeckenden Etablierung des Scientific Managements dauern.
Funfact - Wie es das Scientific Management nach Hollywood schaffte
Das Scientific Management hat es mit der Verfilmung von “Cheaper by the Dozen“ 1950 sogar nach Hollywood geschafft. Der Film basiert auf der gleichnamigen Autobiografie der Geschwister Frank und Ernestine Gilbreth. Die beiden Geschwister sind Kinder von Frank Gilbreth, der neben Frederick Taylor als einer der Mitbegründer des Scientific Managements gilt und dessen Prinzipien in die täglichen Abläufe eines Haushalts mit zwölf Kindern integrierte.
Wie uns Scientific Management bis heute verfolgt
Im damaligen Kontext waren die Überlegungen des Scientific Managements sehr zielführend. Und haben neben der Industrialisierung sicherlich zu unserem heutigen Wohlstand beigetragen. Was wir scheinbar leider vergessen, dass sich die Zeiten und Arbeitsbedingungen geändert haben und wir heute in einer schnelllebigen Wissensgesellschaft leben. Und trotzdem halten wir teilweise sklavisch an Praktiken fest, die wir heute noch fast in jedem Unternehmen finden.
- Trennung von Planung und Ausführung auf unterschiedliche Personen. Die einen denken und machen Strategie, die anderen führen aus.
- Es gibt einen optimalen Lösungsweg für die Erledigung einer Aufgabe. Das funktioniert, solange Aufgaben einfach sind, scheitert aber grandios bei komplexen Vorhaben.
- Lineares Verhältnis zwischen Arbeitseinsatz / -zeit und Ergebnissen bzw. Output. So halten wir heute noch vielerorts am goldenen Kalb der Arbeitszeit fest.
- Arbeitsabläufe und Organisationen müssen mit dem Ziel der Effizienz durchgesteuert und optimiert werden. Dabei ist eine zu hohe Auslastung schädlich und führt auf Dauer zu Anfälligkeit.
- Anreizsysteme nach einem simplen Karotte-Esel Prinzip. Dass Arbeiter für den höheren Output fair entlohnt werden, ist ein sehr ehrbares Ansinnen. Diese Form der anreizorientierten Entlohnung macht auch Sinn für langweilige und einfache mechanische Aufgaben. Nicht aber für kreative Wissensarbeit. Und trotzdem werden heute noch permanent Karotten in Form von MBO verteilt.
- Recruiting und Auswahl von Arbeitern - Noch heute rekrutieren wir fast ausschließlich nach fachlichen Skills statt Kreativität und Fähigkeit zum Lernen. Eben ganz wie bei Taylor: die Auswahl der richtigen und passenden Arbeiter als einen der ersten wesentlichen Schritte ins Scientific Management.
Fazit - Weg mit dem Lineal und der Stoppuhr - Wir brauchen ein Scientific Management 2.0
Die Prinzipien des Scientific Management sind genau richtig. Wir sollten der Wissenschaft und vor allem empirischen Erkenntnissen vertrauen, um Unternehmen zu entwickeln und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Allerdings sind heute nicht mehr Stoppuhr und Lineal das Mittel der Wahl, schließlich sind die Herausforderungen der heutigen ZeitNeuzeit ganz andere als vor 100 Jahren. Was wir aber beibehalten sollten, ist das Vertrauen auf Beobachtung, Feedback und praktische Erfahrungen, um moderne Unternehmen zu gestalten, statt sklavisch und unreflektiert an überholten Arbeits- und Managementmodellen festzuhalten. Genau damit hat Taylor schließlich auch gebrochen. Und wir täten gut daran, in seiner Tradition ein Scientific Management 2.0 zu entwickeln.
Viel Erfolg dabei,
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PS: Wenn Du Taylor, seine wesentlichen Überlegungen und vor allem aber den damaligen Kontext verstehen willst, ist dieses Buch unbedingt lesens- bzw. hörenswert.
Weiterführende Beiträge
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