Design Sprint – Innovationen im Team entwickeln
Ein Design Sprint ist ein fünftägiges Workshop-Format von Google Ventures, mit dem Teams an innovativen Produkt- und Serviceideen arbeiten. Das Ziel des Design Sprints ist es, kritische Aufgaben und Fragestellungen fokussiert zu bearbeiten, um damit Kosten und Risiken deiner Produktentwicklung zu senken. In diesem Artikel stelle ich Design Sprints und ihren idealtypischen Ablauf vor.
Der Ursprung: Design Sprints bei Google
Der Design Sprint wurde bei Google Ventures (GV) von Jake Knapp entwickelt. Bevor das Format ausführlich im Buch “Sprint” beschrieben wurde, hat Google Ventures Design Sprints mit über 100 Startups und eigenen Beteiligungen verprobt. Im Kern orientiert sich der Design Sprint am Design Thinking Prozess. Das folgende Video erklärt den Google Ventures Design Sprint in 90 Sekunden:
Ziele des Design Sprints
Ziel des Design Sprints ist es, Kosten und Risiken im Rahmen deiner Service- oder Produktentwicklung zu senken und Lösungen für strategisch wichtige Fragestellungen zu finden. Durch den erprobten Ablauf führen Design Sprints regelmäßig zu innovativen Lösungen und sind damit ein wichtiger Beschleuniger deiner Produkt- und Geschäftsmodellentwicklung.
Wann der Design Sprint Sinn macht
Ein Design Sprint ist ein prima Format, um konkrete Challenges zu bestehenden Produkten und Services zu adressieren. Das heißt, Du solltest mindestens schon einen ersten MVP (minimum viable product) und erste Nutzer haben. Wenn Du noch in sehr frühen Explorationsphasen bist und erst einmal herausfinden musst, wer der Kunde und was das zu lösende Problem ist, dann eignen sich Design Thinking Workshops oder Hackathons besser, um viele Ideen und Sichtweisen zu generieren.
Rahmenbedingungen und Setup
Um einen produktiven Design Sprint durchzuführen, sind ein paar wichtige Randbedingungen und Voraussetzungen er erfüllen:
- Dauer: Fünf Tage, Montag bis Freitag, täglich von 10 bis 17 Uhr. Das Team muss für die Dauer täglich von 10 bis 17 Uhr von allen anderen Verpflichtungen, Meetings und Terminen befreit sein.
- Teamgröße: circa fünf bis sieben Leute. In jedem Fall sollte der Product Owner im Team vertreten sein. Wenn der Entscheider nicht Teil des Sprint Teams ist, muss der Entscheider sehr eng in den Ablauf eingebunden werden.
- Moderator: Der Design Sprint Facilitator hält das Team in der Spur, achtet auf die Einhaltung des Prozesses und fordert Entscheidungen ein.
- Kunden/Anwender: Zum Abschluss des Design Sprint werden fünf Kunden ausführlich interviewt bzw. mit dem entwickelten Prototypen konfrontiert.
- Raum / Material: Idealerweise hat das Team einen festen Raum mit ausreichend Whiteboards, Flipcharts, Stiften und Haftnotizen in unterschiedlichen Farben und allen Materialien, die für den Bau eines Prototypen notwendig sind.
Die Phasen und der Ablauf eines Design Sprints
Die Durchführung eines Design Sprint läuft durch folgende Phasen:
- Vorbereitung: Design Sprint Challenge formulieren
- Tag 1: Das Problem analysieren und verstehen
- Tag 2: Lösungen skizzieren
- Tag 3: Entscheiden und Storyboard entwickeln
- Tag 4: Prototypen entwickeln
- Tag 5: Prototypen mit Kunden testen und Debriefing
Design Sprint Challenge formulieren - Das Spielfeld abstecken
Design Sprints dienen dazu, Probleme zu lösen und innovative Lösungen zu finden. Entsprechend formulierst Du vor Durchführung des Design Sprints eine “Challenge”, also eine Aufgabe, die das Team im Laufe der Woche zu lösen hat. Diese Challenge definiert den Kontext, in dem das Team im Design Sprint agiert. Nachfolgend findest Du wichtige Ausgangspunkte, die das Spielfeld definieren können:
- Was ist das Problem? Wie ist die Ausgangssituation?
- Welche Ziele verfolgst Du mit der Lösung des Problems?
- Wer ist der Kunde? (optional, sofern bereits bekannt)
Beispiele Design Sprint Challenge
Im untenstehenden Beispiel hat das Team seine Design Sprint Challenge wie folgt formuliert: “Das Engagement und Kundenbindung in unserer App verbessern”. Hier findest Du noch ein paar Beispiele für eine Design Sprint Challenge:
- Wie können wir die Conversion von einem “free trial” in ein kostenpflichtiges Abo erhöhen?
- Wie erhöhen wir die Nutzung unseres Produktes / Features xy?
- Wie können wir auch Zielgruppe xy für unser Vorhaben gewinnen und begeistern?
Wichtig für die Formulierung deiner Design Sprint Challenge ist, dass das Spielfeld eng genug ist, dass das Team sich nicht verläuft, aber auch weit genug, um noch ausreichend Kreativität und Gestaltungsspielraum zu haben. Mit dieser Challenge startet das Team dann in seinen Design Sprint.
Tag 1: Das Problem analysieren und verstehen
Zu Beginn des Design Sprints arbeitet das Team an einem gemeinsamen Verständnis des zu lösenden Problems. Die Beantwortung der folgenden Fragen schärft das gemeinsame Verständnis des Teams über Ziele und Herausforderungen des Design Sprints.
- “Start at the end” - Wie entwickelt sich das Projekt / das Produkt in den nächsten 6-18 Monaten, wenn alles positiv verläuft?
- Risiken, Fragen - Welche Annahmen und Risiken beeinflussen und gefährden unseren Erfolg?
- “Map” - Wie sieht die Customer Journey des Anwenders aus, welche Personen sind involviert und wie gestalten sich die damit verbundenen Abläufe?
Wichtiger als methodische Aspekte ist für den ersten Tag, dass ihr eine gemeinsame Sichtweise gewinnt und mit der “Map” ein konkretes Artefakt erstellt, auf die ihr immer wieder referenzieren und im Anschluss mit Stakeholdern diskutieren könnt.
In der zweiten Hälfte des ersten Tages sind Experten, Kollegen und wichtige Stakeholder zu Gast, um gemeinsam mit dem Team die erstellte Landkarte, Erfahrungen und Randbedingungen zu diskutieren.
- Diskussion - Stakeholder und Teams diskutieren gemeinsam Fragen, Erfahrungen, Kommentare und Constraints in Bezug auf die erstellte Landkarte.
- “How might we” - Der Input der Stakeholder wird in Form offener “Wie könnten wir … ” Fragen formuliert. Diese offenen Schlüsselfragen sind wichtige zu berücksichtigende Arbeitsaufträge des Teams.
Zum Abschluss des ersten Tages definiert das Team bzw. der Product Owner auf Basis der erarbeiteten Map und den “how might we” Fragen ein Ziel für den Design Sprint. Dieses Ziel ist fortan der Polarstern, an dem das Team seine weiteren Aktivitäten im Verlauf des Design Sprints ausrichtet. Hier ist ein Beispiel für den ersten Tag des Design Sprints bei Google.
Tag 2: Lösungen skizzieren
Am zweiten Tag des Design Sprints entwirft das Team erste Ideen und Skizzen für Lösungen. Dazu kannst Du wie folgt in deinem Design Sprint vorgehen:
- Mix & Match - Das Team sammelt Lösungsideen von Wettbewerbern aus anderen Kontexten, Industrien und Problemdomänen. Das “Wildern” und “Klauen” ist dabei ausdrücklich erwünscht. Die Ideen werden vorgestellt und gesammelt. So hat das Team in kurzer Zeit bereits mehrere mögliche Lösungsbausteine kennengelernt.
- Lösungsskizzen erstellen - Darauf aufbauend skizziert jedes Mitglied seine präferierte Lösungsskizze mit Stift und Papier. In dieser Phase setzt der Design Sprint auf die Philosophie, dass “stille Arbeit” bessere Ergebnisse produziert als Gruppenarbeiten.
Mit der Ausarbeitung der Skizzen endet der zweite Tag des Design Sprints. Die Skizzen werden noch nicht weiter besprochen, das passiert erst am dritten Tag. Im folgenden Video lernst Du kennen, wie Google das Skizzieren von Lösungen angeht und gestaltet:
Tag 3: Entscheiden und Storyboard entwickeln
Am dritten Tag des Design Sprints arbeitet das Team mit den am Vortag erarbeiteten Lösungsskizzen weiter.
- Gallery Walk - Die erstellten Skizzen werden wie in einem Museum aufgehängt. Jeder im Team erhält Gelegenheit die Skizzen in Ruhe zu begutachten, zu kommentieren und zu bewerten.
- Entscheiden und priorisieren - Auf Basis der individuellen Bewertung trifft der Product Owner eine Entscheidung, welche Ideen weiter verfolgt und in ein Storyboard übersetzt werden.
- Storyboard - Im zweiten Teil des dritten Tages werden die Ideen zu einem detaillierten Storyboard zusammengesetzt. Das Storyboard ist die Grundlage, auf der am kommenden Tag des Design Sprints ein Prototyp realisiert wird.
Im folgenden Video siehst Du einen kurzen Überblick über den Entscheidungsprozess des dritten Tages des Google Design Sprints.
Tag 4: Prototypen entwickeln
Am vierten Tag des Design Sprints ist handwerkliches Geschick gefragt. Denn basierend auf dem Storyboard des Vortages baut das Team nun einen Prototypen. Dazu ein paar wichtige Anmerkungen und Anforderungen:
- Als Prototyp ist alles erlaubt und gewünscht, was Anwendern und Kunden die Chance gibt, sich konkret in die Situation zu versetzen. Denn nur so können Kunden und Anwender dir wertvolles Feedback geben.
- Je nach Kontext und Innovations-Challenge können unterschiedliche Prototypen Sinn machen. Die Darstellungen bei Google beziehen sich überwiegend auf den Bau und die Entwicklung digitaler Produkte.
Damit der Bau des Prototypen effizient abläuft, werden im Design Sprint unterschiedliche Rollen verteilt, schließlich hat vielleicht auch nicht jeder das gleiche handwerkliche Geschick.
- Materialdienst - kümmern sich um Materialien und dass alle Mitglieder das haben, was sie brauchen, um einen Prototyp zu bauen.
- Texter - erstellt und kümmert sich um gute Copy.
- Handwerker - bauen einzelne Strecken und die Journey des Prototypen.
- Architekten - setzen einzelne Strecken und Elemente des Prototypen zusammen.
- Interviewer - schreibt einen Interview-Leitfaden für den Test an Tag 5.
Der vierte Tag endet mit der Fertigstellung eines oder mehrerer Prototypen. Das folgende Video von Google Ventures zeigt dir, wie das Prototyping im Rahmen des Design Sprints aussehen kann.
Prototyping Materialien
Die Qualität des Prototypen hängt natürlich vom Kontext und den Fähigkeiten des Teams ab. Der Fantasie sind jedoch keine Grenzen gesetzt. Hier eine nicht abschließende Liste von Materialien, die in einem Design Sprint für den Bau eines Prototypen eine gute Hilfestellung bieten:
- Stifte, Papier, Post It`s
- Bastelmaterial
- Moderationskarten
- Flipcharts, Metaplanwände
- Word, Powerpoint, Keynote
- Drucker, 3D Drucker
- Lego (geht immer)
- Pop - Prototyping on Paper, eine App mit der Du App Screens auf Papier malst, diese fotografierst, um sie in der App zu einem interaktiven Prototypen zusammenzubauen.
Tag 5: Prototypen verproben und Debriefing
Am letzten Tag des Design Sprints verprobst Du deine Prototypen mit Kunden und Anwendern. Dazu empfiehlt der Design Sprint die Verprobung mit fünf Kunden. Dabei begleitest Du den Kunden durch Beobachtung und gute Fragen. Dazu ein paar Tipps und Erfahrungswerte.
- Immer freundlich sein und lächeln. :)
- Dem Kunden klar machen, dass nicht er getestet wird, sondern Du eure Idee und das Produkt testet.
- Offene W-Fragen stellen: warum, wer, wann, wie etc; vermeide Multiple Choice oder Ja- und Nein-Fragen.
- Neugierig sein: Lasst den Kunden machen und versucht seine Reaktion mitzunehmen, manipuliert ihn nicht, um die Antworten zu bekommen, die ihr hören wollt.
Dabei übernimmt ein Mitglied des Teams die Rolle des Interviewers, der den Kunden in Einzelgesprächen Fragen zu den vorgestellten Prototypen stellt. Alle anderen schlüpfen in die Rolle des Zuhörers und Beobachters, um Fragen und Beobachtungen zu notieren. Denn hier zeigt sich bereits, welche Annahmen nicht aufrechterhalten und welche Erkenntnisse für die weitere Entwicklung mitgenommen werden können.
Debriefing: Abschluss des Design Sprints
Zum Abschluss des Design Sprints werden die Fragen und Notizen der Beobachter geordnet und kategorisiert. Das Team hat damit ein relativ klares Bild und Feedback, welche Hypothesen und kritische Fragestellungen sich bewahrheiten, welche verworfen werden müssen und welche neuen Erkenntnisse gewonnen wurden.
Möglicherweise sind die gewonnenen Erkenntnisse auch die Grundlage für folgende Design Sprints. Dabei müssen die sich anschließenden Design Sprints nicht über die volle Distanz gehen. Zum Beispiel kann das Team auf die Ergebnisse des Montags (Zielbild) und Dienstags (Lösungsideen) zurückgreifen oder gegebenenfalls sogar Teile des Prototypen wieder verwenden.
Design Sprint Beispiel - Fasten-App “Zero”
Die App Zero unterstützt Kunden und User beim Fasten. Das folgende Video zeigt den Ablauf des Design Sprints, weiter unten folgt eine kurze Zusammenfassung.
Design Sprint Challenge: Das Engagement und die Kundenbindung verbessern.
Ziel des Design Sprints: Zero innerhalb von zwei Jahren zur beliebtesten App für das Fasten machen.
Schlüsselfragen / How-Might-We:
- Wie können wir Menschen zusammenbringen, um sich gegenseitig durch das Fasten zu unterstützen?
- Wie können wir unseren Usern zeigen, wie ihr Fortschritt ihnen zu Gute kommt?
- Wie können wir den Nutzern eine noch bessere Anleitung für das Fasten geben?
Workshop-Aktivitäten:
- Mapping der Customer Journey und Skizzierung des App-Aufbaus mit unterschiedlichen Kernfunktionen
- Identifizierung von Bereichen, auf die sich das Team in Bezug auf die Schlüsselfragen konzentrieren möchte.
- Einsammeln von Ideen aus anderen Apps für das Engagement der Nutzer.
- Skizzieren und Abstimmen über eigene Lösungsideen.
Erstellung diverser Prototypen:
- Neues Onboarding-Erlebnis.
- Verbessertes Fasten-Tracking mit Tipps und Community-Funktionen.
- Feedback-Funktionen für Fastenerfahrungen.
- Testen mit mehreren aktuellen Nutzern.
Analyse & Debriefing
- Bearbeitung des Nutzer-Feedbacks.
- Verfeinerung der Onboarding- und Fastenanleitung.
- Hinzufügen von Funktionen für mehr Engagement und Bindung.
- Commitment für einen zweiten Design Sprint in der Folgewoche.
Ergebnisse: Zum Abschluss der beiden Design Sprints hat das Team folgendes erarbeitet:
- Besseres Onboarding neuer User.
- Besseres Fastenerlebnis mit Tipps und Community-Engagement.
- Detaillierte Statistiken und Fastenverlauf für den Nutzer.
So hat der Design Sprint die App deutlich verbessert und zur Top-App für Intervallfasten gemacht.
Fazit - Design Sprint - Lohnendes Investment?
Auf den ersten Blick mag der Aufwand und das damit verbundene zeitliche und finanzielle Commitment eines Design Sprints etwas abschrecken. Allerdings sind Design Sprints ein lohnendes Investment, wenn sie mit guten Challenges vorbereitet, mit den richtigen Leuten besetzt und gut moderiert sind. Zudem braucht der ein oder andere Teilnehmer etwas Geduld, weil der Weg in die Umsetzung vermeintlich lang ist, viel geredet und diskutiert wird. Mit einem guten Facilitator bekommst Du jedoch auch diese Herausforderung gut in den Griff, um mit einem erfolgreichen Design Sprint schließlich überlegene und innovative Lösungen zu entwickeln.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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