Hook Model – Wie Du Kunden systematisch in den Bann deines Produktes ziehst
Das Hook Model von Nir Eyal beschreibt einen vierstufigen Prozess, durch den die Nutzung deines Produktes zu einer alltäglichen Gewohnheit wird.
In diesem Beitrag stelle ich das Hook Framework vor und was Du daraus für deine Arbeit als Designer, Produktmanager oder Product Owner mitnehmen kannst. Ausführlich ist das Hook Model im Buch „Hooked – How to build habit forming Products“ beschrieben.
Grundlagen des Hook Modells
Das Hook Model basiert auf der Analyse erfolgreicher Digital- und Technologieprodukte, Erkenntnissen der Neurowissenschaft und der Verhaltensforschung. Dabei bezieht sich das Hook Framework explizit auf digitale Produkte und Services, bei denen eine hohe Nutzungsfrequenz bzw. ein hohes User Engagement ein wesentlicher Erfolgstreiber des Geschäftsmodells sind. Durch die Etablierung einer gewohnheitsmäßigen Nutzung wird das Hook Modell damit die Basis und der Treiber für wichtige KPIs in deinem Geschäftsmodell.
- Höherer Customer Lifetime Value (CLTV)
- Hohe Preisflexibilität bzw. geringe Preiselastizität, d.h. Du kannst den Preis hoch setzen und verlierst dabei nur unterproportional an Nachfrage
- Starke Wettbewerbsvorteile
- Netzwerkeffekte und daraus resultierendes Wachstum
Nir EyalThe hook model is not just a framework for changing one time behaviour. The hook model is a design pattern to create unprompted user engagement in order to connect the user's problem to the designer's product.
Die vier Phasen des Hook Modells
Das Hook Model ist ein vierstufiges Framework. Dabei bezieht sich jede Phase auf eine Interaktion von oder mit deinem Nutzer.
- Trigger: Externe und interne Anreize und Auslöser, die den User zur Nutzung deines Produktes führen.
- Action: Die konkrete Aktion des Nutzers in Erwartung einer unmittelbaren Belohnung bzw. Mehrwerts.
- Variable Reward: Belohnung des Nutzers durch die Bereitstellung eines variablen Mehrwerts.
- Investment: Der Nutzer investiert daraufhin Zeit, Daten, Aufwand oder seine soziale Reputation, um bei wiederholter Nutzung eine bessere Erfahrung mit deinem Produkt zu machen.
Wenn Du den Nutzer erfolgreich durch diese Phasen führst, dann verzahnen sich Phase 4 und Phase 1. Das heißt, die wiederholte Nutzung basiert dann auf autonomen internen Auslösern. Und wenn sich dieses Verhalten oft genug wiederholt, dann entsteht daraus schließlich eine Gewohnheit. Die intensive Nutzung deines Produktes erfolgt dann ganz ohne externe Aufforderung, sondern unbewusst und regelmäßig. Der Traum jedes Produktmanagers.
Phase 1: Trigger
Trigger oder Auslöser sind die erste Phase im Hook Model und haben zwei mögliche Ausprägungen:
- Externe Trigger sind Reize, die Du aktiv setzt (z.B. E-Mails, Push Notification, Ansprache in sozialen Netzwerken, Performance Marketing etc.).
- Interne Trigger sind autonome und unbewusste Reize, die den User zu einer Handlung führen. Diese Reize sind oft mit Emotionen verbunden, z.B. der Angst, etwas zu verpassen oder auch die Erwartung einer Belohnung.
Für dich und die Anwendung des Hook Model ist entscheidend, dass Du verstehen lernst, welche externen Trigger wirken und welche internen Motivationen den Nutzer bewegen. Das Jobs-to-be-done Modell und weiterführend das Value Proposition Canvas helfen Dir zu verstehen, welchen emotionalen und sozialen Stellenwert dein Produkt im Leben deines Nutzers spielen kann. Ein erfolgreicher Trigger führt den User dann in die nächste Phase des Hook Modells.
Phase 2: Action
Nir EyalDoing must be easier than thinking.
Die zweite Phase im Hook Model ist die konkrete Aktion des Nutzers als Reaktion auf den Trigger und in Erwartung einer unmittelbaren Belohnung. Dazu greift das Hook Modell auf das Fogg-Verhaltensmodell zurück. Demnach braucht der Nutzer zur Durchführung der gewünschten Aktion die Fähigkeit (Ability), aber auch ausreichend Motivation, um in Aktion zu kommen und die “Action Line” zu übertreten.
Fähigkeit bzw. Usability
Auf die Fähigkeit (Ability) wirkst Du positiv durch eine hohe Usability ein. Wörtlich genommen ist die Usability nichts weiter als die “Ability des Users", eine gewünschte Aktion durchzuführen. Die Usability erhöhst Du z.B. durch gutes Design und dadurch, dass Du alle überflüssigen Hindernisse aus dem Weg räumst.
- Zeitaufwand
- Kosten
- Physischer Aufwand
- Kognitiver Aufwand
- Abweichendes Verhalten (Devianz), also Verhaltensweisen, die von der gewohnten Norm abweichen
- Neue, nicht routinemäßige Aufgaben
Je leichter es für den Nutzer ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, in Aktion zu kommen. Sofern denn ausreichend Motivation vorhanden ist.
Dr. BJ FoggFor any behaviour to occur, a trigger must be present at the same time as the user has sufficient ability and motivation to take action.
Motivation
Die Motivation liefert die notwendige Energie, um in Aktion zu kommen. Das Hook Model knüpft die notwendige Motivation an drei urmenschliche Bedürfnisse:
- Suche nach Vergnügen und Vermeidung von Schmerz
- Suche nach Hoffnung und Vermeidung von Angst
- Suche nach sozialer Akzeptanz und Vermeidung von sozialer Ablehnung
Wichtig ist, dass Du für dich klare Ideen entwickelst, welche emotionalen Bedürfnisse in deinem Produkt die stärkste Motivation haben können. Sofern Du das verstanden und die Usability erhöht hast, führt der User die erwartete Aktion aus und hat die zweite Phase im Hook Model erfolgreich durchlaufen.
Phase 3: Variable Reward
Der Entlohnung des Nutzers ist die dritte Phase des Hook Models. Hier erhält der Nutzer eine unmittelbare Belohnung bzw. eine Lösung für sein Problem oder Bedürfnis. Dabei spielt die Variabilität der Entlohnung eine entscheidende Rolle.
Nir EyalTo hold our attention, products must have an ongoing degree of novelty.
Die Bedeutung von Variabilität
Die Variabilität der Entlohnung spielt eine entscheidende Rolle, um Neugier und Aufmerksamkeit des Nutzers hochzuhalten. Denn was vorhersehbar ist, wird schnell langweilig und auf Dauer ignoriert. Dabei setzt das Hook Model auf drei wesentliche Entlohnungsmechanismen, die folgenden Beispiele zeigen Dir, welche Variabilität damit jeweils verbunden ist.
Rewards of the ... | Entlohnung | Beispiele, Variabilität |
---|---|---|
Tribe | Entlohnung auf Basis von sozialer Anerkennung und der gefühlten Verbundenheit mit anderen | • Posts in sozialen Netzwerken in Erwartung von Likes, Shares und Kommentaren • Frage-Antwort Seiten wie Stackoverflow in Erwartung von Upvotes und den Erhalt von Badges |
Hunt | Der Mensch als Jäger und Sammler: Die Entlohnung erfolgt durch die Bereitstellung von Informationen und materiellen Ressourcen | • Slot-Machines in Erwartung großer Jackpots • Newsfeed in LinkedIn oder auf Twitter, auf der Suche nach relevanten und interessanten Posts |
Self | Die Befriedigung, etwas gelernt zu haben, eine neue Kompetenz zu beherrschen und etwas “vollendet” zu haben | • Puzzle, auf der Suche nach dem richtigen Teil und das Lösen des Puzzles • Videospiele, durch Entwicklung von Charakteren • Codecademy, direktes Feedback über einzelne Funktionen und Codezeilen |
Deine Aufgabe ist es, die richtige Mischung von variablen Entlohnungen für dein Hook Model zu finden. Im Idealfall adressiert dein Produkt alle drei Entlohnungsmechanismen, wie zum Beispiel deine E-Mail Inbox:
- Rewards of the tribe: Mit anderen per E-Mail verbunden bleiben und nichts verpassen.
- Rewards of the hunt: Neue relevante Informationen und ggf. sogar Geschäftsabschlüsse.
- Rewards of the self: Inbox Zero, keine ungelesene E-Mail vor dem Schlafen gehen.
Allerdings ist Variabilität nur dann angebracht und erfolgversprechend, wenn Nutzer Autonomie in einem kontrollierten Umfeld erleben. Wenn das Umfeld per se variabel und sehr unsicher ist, willst Du mit deinem Produkt zusätzliche Variabilität vermeiden.
Kontext matters: Zusätzliche Variabilität vermeiden
Es gibt Kontexte, in denen Du zusätzliche Variabilität vermeiden willst. Dann nämlich, wenn deine Lösung in einem variablen Umfeld Sicherheit bietet und Vorhersagbarkeit bzw. Zuverlässigkeit ein wichtiges Nutzenversprechen ist. Beispiele für solche Kontexte sind Google oder Uber.
Google: Die Suche im Web liefert per se extrem viele Treffer und eine hohe Variabilität. Googles Versprechen ist dagegen, das beste Suchergebnis zu liefern und damit die Variabilität einzuschränken.
Uber: Die hohe Unsicherheit, ein Taxi zu bekommen, hat überhaupt erst zur Gründung von Uber geführt. Denn Uber macht diesen per se sehr unsicheren Vorgang kontrollierbar. Neue Variabilität (z.B. überrascht dich der Fahrer mit einem kleinen Ausflug) sind unerwünscht, Uber verspricht dir eine Reduktion der Variabilität.
Phase 4: Investment
In der vierten Phase des Hook Modells investiert der Nutzer in dein Produkt. Anders als in der ersten Phase tut der Nutzer das jedoch nicht in Erwartung einer direkten Entlohnung. Sondern das Investment erfolgt mit der Aussicht auf eine verbesserte zukünftige Nutzung deines Dienstes. Dabei profitierst Du im Hook Model von kognitiven Verzerrungen:
- Escalation of Commitment: Du fühlst dich gegenüber einer früher getroffenen Entscheidung verpflichtet, wer A sagt, muss auch B sagen.
- IKEA Effekt: Du misst Dingen mehr Wert bei, wenn Du eigene Zeit und Aufwand investiert hast. D.h. Wenn der User erst einmal Investment geleistet hat, ist das Produkt in seinen Augen schon mehr Wert.
- Kognitive Dissonanz. Du änderst deine Wahrnehmung und deine Einstellung gegenüber Dingen, weil andere sie für gut befinden oder einfach, weil Du sie (öfter) nutzt. Denn etwas zu nutzen, es aber gleichzeitig doof zu finden, würde eine Dissonanz erzeugen. So änderst Du einfach deine Einstellung, um die Lücke zu schließen und kognitive Dissonanz zu vermeiden.
Heuristiken und kognitive Verzerrungen
Kognitive Verzerrungen spielen eine wichtige Rolle für die Entstehung des Hook Models und seiner erfolgreichen Anwendung. Kurz gesagt sind Heuristiken Verzerrungen in der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, die zu irrationalen Entscheidungen führen. Nir Eyal greift in seinem Buch auf zahlreiche wissenschaftliche Studien zurück, in diesem Artikel findest Du eine Einführung und eine Übersicht mit wichtigen kognitiven Verzerrungen.
Der “Stored Value” in deinem Produkt
Mit dem getätigten Investment kreierst Du einen “stored value” in deinem Produkt in Form von Inhalten, Daten, Followern, Reputation oder erreichten Leveln. Damit steigt gleichzeitig die Chance, dass es für den User wiederum neue Trigger gibt, um in Phase 1 des Hook Model wieder einzusteigen. Hat der Nutzer das oft genug getan, entsteht ein unbewusster Trigger, der User ändert auf Dauer seine Haltung gegenüber seiner Aufgabe und dem Produkt und Du hast nun aus dem Besucher einen gewohnheitsmäßigen Nutzer gemacht.
Fazit - Kein Feenstaub für schlechte Produkte
Das Hook Model ist kein magischer Feenstaub, der dich von der Verantwortung freispricht, ein relevantes Problem deines Kunden zu lösen. Vielmehr liefert das Hook Framework ein konkretes Vorgehensmodell, um Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung und Design Thinking elegant miteinander zu verknüpfen. In meinen Augen eine Pflichtlektüre im Werkzeugkasten jedes Produktmanagers, Designers und Product Owners eines digitalen Produktes.
Viel Spaß beim Lesen.
Andreas Diehl
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