Premortem Analyse – Wie Du Schwachstellen in deinen Vorhaben findest
Ein Premortem ist eine vorausschauende Rückschau, um Risiken eines Vorhabens zu identifizieren. Das heißt, Du tust so, als wäre dein Projekt schon schief gelaufen und lieferst Gründe für das Scheitern. So erzielst Du mit einem Premortem in der Regel 30 Prozent bessere Vorhersage- und Analyseergebnisse.
In diesem Beitrag zeige ich dir, wie Du ein Premortem durchführst, was die Unterschiede zu einer klassischen Risikoanalyse sind und welche Anwendungsmöglichkeiten es für ein Premortem gibt.
Premortem Definition - Was ist eine Premortem Analyse?
Das Premortem ist das Gegenteil von einem Postmortem. Bei einem Postmortem (lat. “post” nachher, danach, “mortem” Tod) gehst Du nach dem Scheitern eines Vorhabens in eine vergangenheitsbezogene Analyse und suchst nach den Gründen für das Scheitern. Die Stimmung gleicht meistens eher einer Beerdigung, zumal es eine eher frustrierende Erfahrung ist, weil Du ja ohnehin nichts mehr tun kannst.
Dagegen machst Du ein Premortem zu Beginn eines Vorhabens, nimmst dessen Scheitern vorweg und tust einfach so “als ob das Kind den Brunnen gefallen ist”. Aus dieser hypothetischen Haltung heraus lieferst Du Gründe dafür, warum das Vorhaben gescheitert ist. Das Ziel der Premortem-Analyse ist es, potenzielle Risiken und Schwachstellen zu identifizieren, bevor sie auftreten.
Premortem vs Postmortem
Die folgende Gegenüberstellung fasst die Unterschiede zwischen einem Postmortem und einem Premortem zusammen.
Postmortem | Premortem | |
Zeitpunkt | Nach einem Projekt | Vor einem Projekt |
Ziel | Projekt bewerten mögliche Verbesserungen “für kommende ähnliche Vorhaben” identifizieren | Risiken und potentielle Schwachstellen identifizieren bevor sie auftretenStrategien entwickeln, um Risiken zu minimieren |
Wirksamkeit | Geringmeistens geringer Lerneffekt, die Punkte gehen unter / verloren | Hochhohe Handlungs- / Steuerungskompetenz, 30 % bessere Vorhersageergebnisse |
Woher kommt das Premortem?
Der Begriff des Premortems geht auf Gary Klein und seinen Artikel “Performing a Project Premortem” (Harvard Business Review, 2007) zurück. Gary Klein ist ein Kognitionspsychologe, der sich mit Entscheidungsfindung auseinandersetzt. In seinem Artikel bezieht er sich u.a. auf Studien aus dem Jahr 1989, in denen Wissenschaftler herausgefunden haben, dass die Vorwegnahme eines hypothetischen Scheiterns die Vorhersage möglicher Outcomes um 30% verbessert.
Unterschiede Premortem und klassische Risikoanalyse
Im Kern ist auch ein Premortem eine Risikoanalyse. Jedoch ist die Herangehensweise eine andere. Während Du bei einer klassischen Risikoanalyse aus der heutigen Position in die Zukunft schaust und versuchst Risiken zu identifizieren, tust Du bei der Premortem-Analyse so, als sei der "Worst Case" bereits eingetreten. Das heißt, die Art der Frage ist eine andere, die Ergebnisse mitunter ähnlich. Mitunter erzielst Du mit dem Premortem einen umfassenderen Blick und kommst auf Aspekte, die eine klassische Risikoanalyse nicht aufdeckt. Zudem ist die Fragestellung eines Premortem etwas "leichter", spielerischer und weniger trocken. Im schlimmsten Fall macht diese Herangehensweise ein bisschen mehr Freude. Am besten probierst Du es direkt mal aus und sammelst deine eigenen Erfahrungen und kannst selbst entscheiden, welches Format bessere Ergebnisse erzielt und mehr Freude bereitet.
Welche Erfahrungen hast Du mit einer klassischen Risikoanalyse und einem Premortem bereits gesammelt? Welche Unterschiede hast Du bemerkt? Hinterlasse deinen Kommentar.
Wie führst Du eine Premortem-Analyse durch?
Die Durchführung einer Premortem-Analyse erfordert eine strukturierte Herangehensweise. Ein typischer Ablauf umfasst die folgenden Schritte:
- Team: Für ein Premortem brauchst Du die richtigen Leute und erst recht jene Kollegen, die das Vorhaben verantworten. Stell ein Team zusammen, das die Fähigkeit hat, das Vorhaben ganzheitlich zu betrachten.
- Erklärung: Erkläre kurz, was ein Premortem ist und worum es dabei geht. Ich lade die Leute dabei geradezu ein, mal richtig einen rauszuhauen und den Bogen gerne auch mit einem Augenzwinkern zu überspannen. Das hilft vor allem bei sehr schwierigen Entscheidungen und Vorhaben dabei, dass Teilnehmer sich voll einbringen und wirklich alle möglichen negativen Aspekte berücksichtigen.
- Vorstellung: Stelle das Projekt, das Vorhaben oder die zu treffende Entscheidung vor. Stelle sicher, dass es dazu keine zu klärenden Rückfragen gibt.
- Negative Zukunftsbetrachtung: Fordere das Team auf, sich in die Zukunft zu versetzen und sich vorzustellen, dass das Vorhaben mit Ach und Krach gescheitert ist.
- Gründe sammeln: Das Team soll nun potenzielle Gründe für das Scheitern identifizieren. Die Gründe für das Scheitern werden in Stillarbeit auf Post-Its notiert und dann an einer Moderationswand gesammelt.
- Clustern: Clustere und ordne die eingebrachten Gründe und identifiziere Handlungsfelder.
- Bewertung: Bewertet die identifizierten Risiken, diskutiert im Team potenzielle Auswirkungen auf das Vorhaben.
- Strategien: Auf Basis der Bewertung entwickelt ihr Strategien, um das Risiko zu minimieren oder zu beseitigen.
- Implementierung: Stellt sicher, dass die entwickelten Ideen und Strategien auch Einfluss auf das tatsächliche Geschehen haben.
Je nach deiner verfügbaren Timebox kannst Du ein Premortem auch nur bis inkl. dem fünften Schritt durchführen. Die darauffolgenden Schritte macht das Projektteam dann alleine. So kannst Du auch den Teilnehmerkreis erweitern und Premortems mit einer großen Anzahl von Teilnehmern durchführen.
Das umgekehrte Premortem: “Was müssen wir tun damit ….”
Statt dass sich Teilnehmer in die Zukunft versetzen, kannst Du auch mit einer anderen Frage in eine etwas abgewandelte Form eines Premortem starten: “Was müssen wir tun, um den Karren so wirklich an die Wand zu fahren?”. Also eine aktive Einladung, all jene Schritte auszusprechen, die unbedingt getan werden sollten, damit das Vorhaben mit Ach und Krach scheitert. Das hat oft noch eine etwas spaßigere und lockere Komponente, liefert aber ebenfalls gute Ergebnisse. Der Ablauf entspricht den Schritten oben.
Premortem-Workshops und ihre Vorteile
Es liegt aufgrund der Durchführung eines Premortems auf der Hand, dass sich dafür ein Workshop Format am besten eignet. Je nach Grüße der Entscheidung und des Vorhabens solltest Du für einen Premortem-Workshop mindestens zwei Stunden einplanen. Die Vorteile, ein Premortem im Rahmen eines Workshops durchzuführen sind vielfältig:
- Augenhöhe: Alle Teammitglieder bringen sich und ihre Ideen gleichberechtigt ein.
- Transparenz: Bedenken werden nicht in der Kaffeeküche hinter vorgehaltener Hand, sondern offen und transparent diskutiert.
- Blickwinkel erweitern: Du kannst dir Meinungen auch über das Projektteam hinaus einholen und damit auch die Akzeptanz und das Verständnis für dein Vorhaben erhöhen.
- Kritisches Denken: Pessimisten und Kollegen, die immer auch das “Haar in der Suppe sehen", werden vorschnell als “Miesepeter” abgestempelt. Ein Premortem Workshop ist die Bühne, auf der das kritische Denken erlaubt und sogar gefordert ist. Damit werden Pessimisten zu einer tragenden Säule deines Premortem-Workshops.
- Fehlerkultur: Auch wenn Du nur über ein hypothetisches Scheitern sprichst, ist ein Premortem-Workshop ein guter Schritt, eine bessere Fehlerkultur zu entwickeln.
Premortem-Beispiel
Ein gutes Beispiel für die Anwendung der Premortem-Analyse ist die Entwicklung eines neuen Produkts. Dabei versetzt sich das Team in die Zukunft und stellt sich vor, dass das Produkt gescheitert ist. Das Team sammelt und identifiziert potenzielle Gründe für das Scheitern:
- Fehlende Akzeptanz beim Kunden
- Unterschätzte technologische Entwicklung
- Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit
- Falsche Positionierung
- Fehlende Akzeptanz beim Vertrieb
Je konkreter die Aussagen, desto fundierter die Strategien, die Du daraus ableitest. Das Team kann auf Basis dieses Premortems nun beispielhaft folgende Strategien entwickeln:
- Cross-Funktionalität: Stärkere Einbindung des Vertriebs und des Marketings in das Projektteam.
- Hypothesen: Die Problemstellung des Kunden muss besser herausgearbeitet werden und mit dem Kunden verifiziert werden. Geeignete Methoden und Werkzeuge dafür sind z.B. Design Thinking, die Jobs-To-Be-Done Methode oder das Value Proposition Canvas.
- Prototyping, Co-Creation: Entwicklung von mindestens 5 Prototypen und Testing mit mindestens 20 Kunden. Das kann das Team z.B. in Form eines Design Thinking Workshops tun.
- Kurze Iterationen: Um das Entwicklungs- und Projektrisiko zu minimieren, beschließt das Team die agile Umsetzung des Vorhabens.
Premortem Agile - Ideale Ergänzung zur Retrospektive
Eine regelmäßige Retrospektive ist ein Eckpfeiler agilen Arbeitens. Dabei reflektieren und analysieren Teams und Organisation in regelmäßigen Abständen (z.B. alle 4 Wochen) die Qualität ihrer Zusammenarbeit und mögliche Verbesserungspotentiale. Das Premortem ist dabei eine prima Ergänzung zu einer Retrospektive, um Risiken und Schwachstellen frühzeitig zu identifizieren und zu minimieren. Z.B. kannst Du die aus deiner Retrospektive resultierenden Aktionen kritisch durch ein Premortem reflektieren, um damit die Chancen auf ein besseres Outcome zu erhöhen.
Fazit - Premortem machen Spaß UND sind wirksam
Im Vergleich zu einem Postmortem findet ein Premortem vor dem Projekt oder der Entscheidung statt. Dabei zielt die Premortem-Analyse darauf ab, Schwachstellen frühzeitig zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, um Risiken zu minimieren oder zu beseitigen. Dabei erfordert die Durchführung einer Premortem-Analyse eine strukturierte Herangehensweise und kann prima im Rahmen eines Premortem-Workshop durchgeführt werden. Je nachdem wie Du das anmoderierst und gestaltest, ist ein solcher Premortem-Workshop nicht nur wirksam, sondern macht auch noch Spaß.
Viel Erfolg dabei,
Andreas Diehl
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