Agile Führung – Acht Maßnahmen um agiler zu führen
Agile Führung ist einer der Eckpfeiler moderner Organisation. Als agile Führungskraft steckst Du den inhaltlichen Rahmen ab, in dem sich Mitarbeiter autonom und selbstorganisiert bewegen. Gleichzeitig definierst Du einen transparenten Prozess, wie ihr im Team mit einer hohen Verantwortlichkeit und Verbindlichkeit zusammen arbeitet.
In diesem Beitrag skizziere ich die wesentlichen Eckpfeiler agiler Führung. Auf Basis von acht agilen Führungsmethoden skizziere ich, wie Du agiles Führen gestaltest und deine persönliche Transformation zur agilen Führungskraft gelingt.
Agilität und Führung, wie passt das zusammen?
Ich werde oft gefragt, wie Agilität und Führung eigentlich zusammenpassen. In vielen Köpfen ist agiles Arbeiten die Vorstufe zur Anarchie oder ein mysteriöses Perpetuum Mobile in dem sich Arbeit von selbst erledigt. Und Führungskräfte überflüssig sind.
Das Missverständnis über die Rolle von Führungskräften im Zuge der agilen Transformation ist auch einer der Hauptgründe, warum Organisationen auf dem Weg zum agilen Unternehmen scheitern. Führungskräfte verstehen nicht, was agiles führen bedeutet und haben keine Leitbilder, welche Rolle sie als agile Führungskraft spielen.
Die Eckpfeiler, die agile Führung definieren
Im Gegensatz zu traditionellen, hierarchischen Führungsmodellen, die stark auf Kontrolle und Planung ausgerichtet sind, zielt agile Führung darauf ab, ein Umfeld zu schaffen, in dem Teams selbstorganisiert arbeiten können und in dem Entscheidungen dezentralisiert werden. Dadurch trägt agile Führung maßgeblich zur Flexibilität und Schnelligkeit des Unternehmens bei.
Agile Führung und Zusammenarbeit ist durch folgende wesentliche Prinzipien gekennzeichnet.
- Zielorientierung - Wohin wollen wir und warum?
- Hohe Wertorientierung - Werte für Kunden und das Unternehmen schaffen
- Kundenzentrierung - Der Kunde hat in jedem Meeting seinen Platz
- Transparenz - Informationen und Wissen werden geteilt
- Autonomie - Teams arbeiten autonom und selbstorganisiert
- Klarheit - In Rollen und Prozessen wie Zusammenarbeit gestaltet wird
Autonomie vs Alignment
Als agile Führungskraft definierst Du den Rahmen, in dem agile Prinzipien durch dein Team gelebt werden können. Das heißt, Du schaffst ein Umfeld in dem hohe Autonomie und ein starkes Alignment deiner Mitarbeiter auf höhere Ziele gegeben ist. Damit bist Du ein wesentlicher Treiber der digitalen Transformation in deinem Unternehmen.
Acht agile Führungsmethoden
Wie gelingt es dir nun, agiler zu führen und wie kannst Du deine Mannschaft auf dem Weg zum agilen Team führen und begleiten? Acht agile Führungsmethoden helfen dir, dein Team agiler zu führen:
- Mitarbeiter zum (Problem-)Denken ermutigen
- “Go and see yourself”
- Kundenzentrierung praktizieren
- Fehlerkultur vorleben
- “Einfach mal machen” statt zu lange zu planen
- Disagree and commit - Konsent statt Konsens
- Regelmäßiges Feedback - Reviews und Retrospektiven
- Ziele und Leitbilder kommunizieren
1. Mitarbeiter zum (Problem-)Denken ermutigen
Spending money is a substitute for thinking.Bob Sutton
Wer kennt sie nicht, die Forderung “keine Probleme, sondern Lösungen zu präsentieren”. Allerdings sind gerade in dynamischen und komplexen Umgebungen die Ursachen nicht immer offensichtlich. Und da es verpönt ist, über Probleme zu reden, um vielleicht gemeinsam durch unterschiedliche Sichtweisen einen besseren Startpunkt für die Lösungsfindung zu definieren, werden Probleme mit halbgaren und nicht zu Ende gedachten Lösungen oder mit Budget erschlagen. Damit werden Symptome bekämpft, aber nur selten das Problem an der Wurzel gepackt.
Als agile Führungskraft ermutigst Du dein Team und deine Mitarbeiter, konstruktiv über Probleme zu reden. Du gibst ihnen Freiraum, den Ursachen auch über Abteilungsgrenzen hinweg auf den Grund zu gehen. Erst wenn das Problem definiert ist, schwenkt ihr in den Lösungsmodus. Methoden wie Design Thinking oder Hackathons helfen deinem Team, konstruktiv mit Problemen zu arbeiten und nicht in eine Problemparalyse zu geraten.
2. Überzeuge dich selbst - “Go and see yourself”
“Go and see yourself” ist eines der wichtigsten Prinzipien im Lean Management. Das heißt, Du verschaffst dir persönlich ein Bild, statt dich auf Hörensagen zu verlassen. Das soll keine Einladung sein, jede Beobachtung eines Mitarbeiters in Frage zu stellen und selbst zu schauen. Sondern eine Einladung, dass Du und deine Mitarbeiter sich vor Ort selbst über Umstände und Probleme informieren, statt es bei Hörensagen zu belassen.
Als agile Führungskraft lebst Du dieses wichtige Prinzip “go and see yourself” vor. Das heißt, wenn Du dich einer Aufgabe annimmst, dann machst Du dir selbst ein Bild, statt die Inaugenscheinnahme zu delegieren.
3. Kundenzentrierung praktizieren
Agile Unternehmensführung bedeutet, Kunden frühzeitig in die Entwicklung von neuen Produkten und Angeboten einzubeziehen. Dieses Vorgehen ist für viele Mitarbeiter sehr gewöhnungsbedürftig. Sie sind es gewohnt und wurden ggf. beruflich auch so sozialisiert, dass Kunden das letzte Glied in der Kette sind und nur fertige Produkte präsentiert bekommen. Im Zentrum agiler Methoden wie Lean Startup dagegen steht die Idee, frühzeitig Feedback durch sog. “minimal funktionsfähigen Produkten” (MVP) zu bekommen. Durch die Einbindung deiner Kunden deckst Du falsche Annahmen auf und lernst die Bedürfnisse deiner digitalen Kunden deutlich besser kennen. Das Testen und die aktive Einbeziehung der Kunden kannst Du übrigens auch nicht durch abstrakte Marktforschungen durchführen. Deine Aufgabe als agile Führungskraft ist es, diese Kundenzentrierung vorzuleben und einzufordern.
4. Fehlerkultur vorleben
We aim to make mistakes faster than anyone else.Daniel Ek
Der konstruktive Umgang mit Fehlern fällt vielen Mitarbeitern schwer. Und dabei würden sie heute nicht aufrecht laufen können, wenn Fehler nicht Teil des Lernprozesses wären. Nur irgendwann haben wir das verlernt oder es wurde uns aberzogen. Und natürlich stören Fehler auch den Ablauf einer Organisation, die auf einem gut verstandenen Geschäftsmodell arbeitet.
Versteh mich nicht falsch, wenn ich in ein Flugzeug steige oder auf dem OP-Tisch liege, dann habe auch ich eine sehr geringe Fehlertoleranz. Aber solange deine Teams nicht in solch hochsensiblen Bereichen tätig sind, darfst Du als agile Führungskraft einen neuen Weg präsentieren, mit Fehlern umzugehen. Erst recht, wenn wir Neues probieren und in dieser Domäne noch keine erprobten Vorgehensmodelle existieren. Fehler werden zur Normalität, denn nur wenige Versuche führen zu einem gewünschten Ergebnis. Agiles Führen bedeutet, einen positiven Umgang mit Fehlern vorzuleben. Dazu gehört auch, offen über Fehler und das daraus Gelernte zu sprechen.
5. “Einfach mal machen”, statt zu lange zu planen
Wenn die Fehlertoleranz gering ist, tendieren Mitarbeiter dazu, sehr umfangreich zu planen oder sich sehr lange mit der Umsetzung von Vorhaben zu beschäftigen, statt “einfach mal etwas zu probieren”. Mögliche Fehlerquellen sollen bereits im Vorfeld identifiziert und möglichst kontrolliert umschifft werden. Agiles Führen bedeutet, dass Du deine Mitarbeiter ermutigst, Vorhaben basierend auf ersten Hypothesen und einem “educated guess” anzugehen und das Vorhaben auf Basis von Feedback und Zwischenergebnissen weiterzuentwickeln. Dieses Vorgehen funktioniert dann besonders gut, wenn ihr euch bereits daran gewöhnt habt, Probleme sauber zu definieren. Dann habt ihr einen sauberen Startpunkt.
Interne Hackathons sind ein prima Format, damit Mitarbeiter ihren Impuls der umfangreichen Planung einmal abschütteln. In diesen kurzen Workshops werden so kurze zeitliche Rahmenbedingungen gesetzt, dass keine Zeit für langes Überlegen bleibt. Viele Mitarbeiter sind nach einem halben Tag völlig perplex, was sie in kurzer Zeit erreicht haben. Einen Rahmen zu schaffen, in dem Mitarbeiter sich trauen, basierend auf ersten Annahmen “einfach mal zu machen”, ist eine wichtige Rahmenbedingung für agiles Führen.
6. Disagree and commit - Konsent statt Konsens
Als agile Führungskraft ermutigst Du deine Mitarbeiter, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Das heißt, bei einer agilen Unternehmensführung haben zuständige Mitarbeiter die Autonomie, Entscheidungen im Sinne des Projektes oder in ihrem definierten Rahmen eigenständig zu treffen. In der “Toyota Kultur” darf zum Beispiel jeder Mitarbeiter die Produktion anhalten, wenn er ein Problem feststellt. Auch ohne vorherige Rücksprache mit dem Vorgesetzten.
Für die agile Führung bedeutet das, dass Du klare Spielregeln und Grenzen definieren darfst. Oft ist es dabei leichter, die Dinge zu formulieren, die nicht getan werden sollten bzw. Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Eine sehr tolerante Auslegung agiler Unternehmensführung könnte z.B. sein, dass deine Mitarbeiter alle Freiheiten haben, solange es “dem Unternehmen keinen Schaden zufügt”. Wenn Du dich auf dieses Experiment einlässt, dann sei allerdings darauf gefasst, dass mancher Mitarbeiter vielleicht Zeit braucht, um mit dieser neu gewonnenen Freiheit umzugehen.
Ein zweites Format für Entscheidungen in Gruppen ist das Konsent-Prinzip. Während der Konsens fast immer in einem Kompromiss endet, gelten Entscheidungen im Konsent als getroffen, wenn es keine gravierenden Einwände mehr gibt. Du kannst also Bedenken haben und inhaltlich nicht zustimmen. Sofern Du deinen Einwand jedoch nicht dahingehend begründen kannst, dass er dem Team, Unternehmen oder Kunden Schaden zufügt, gilt die Entscheidung als getroffen. Dabei wird von jedem erwartet, dass er diese Team-Entscheidung trotz seiner Bedenken mitträgt. “Disagree and commit.”
7. Regelmäßiges Feedback - Reviews und Retrospektiven
Agiles Führen bedeutet auch, regelmäßige Feedbackschleifen zu etablieren. Das betrifft zum einen, sich gemeinsam Arbeitsergebnisse anzuschauen, aber vor allem darüber zu reden, wie die Zusammenarbeit verbessert werden kann. Im Scrum Framework sind beide Feedback Formate fest etabliert.
Am Ende jedes Sprints finden Reviews statt, in denen Arbeitsergebnisse präsentiert werden. Eine wichtige Voraussetzung für eine produktive Review ist ein gemeinsames Verständnis der zu erfüllenden Aufgabe und eine Definition getaner Arbeit. In der Review präsentiert das Team oder der verantwortliche Mitarbeiter seinen Fortschritt und das konkrete Zwischenergebnis. Zum einen zeigt damit das verantwortliche Team, was es erreicht hat, zum anderen erhalten Kollegen die Möglichkeit, Feedback zu geben und offene Fragen zu klären. Dagegen steht in der Retrospektive die Frage im Vordergrund, wie das Team seine Zusammenarbeit künftig verbessern kann.
- Keep: Was ist gut gelaufen, was behalten wir bei?
- Drop: Was sollten wir abstellen?
- Try: Was sollten wir einmal ausprobieren?
Für dich als agile Führungskraft sind Retrospektiven auch der richtige Platz, um positives Verhalten hervorzuheben und zu würdigen. Falls Du beim Gedanken an ein zusätzliches Format schon innerlich stöhnst, würde ich mich fragen, ob eine Retrospektive nicht geeignet ist, um Einzelgespräche teilweise zu ersetzen. Eine offene Feedbackkultur und der konstruktive Umgang mit Fehlern sind ein wichtiger Teil agilen Managements.
8. Ziele und Leitbilder kommunizieren
Schließlich ist deine wichtigste Aufgabe als agile Führungskraft, Ziele zu setzen und Visionen zu formulieren. Viele der bis hierhin genannten Prinzipien sind auf die Frage konzentriert, wie Du und dein Team zusammen arbeitet. Aber ohne ein Ziel und ein WARUM werden diese Bemühungen verpuffen. Agiles Führen bedeutet also auch, eine Geschichte zu erzählen, wofür ihr als Abteilung oder Bereich bei Kunden und Kollegen stehen wollt. Dein Leitbild zeigt auch auf, was ihr zum Gelingen und zur Mission eures Unternehmens beitragt. Und hoffentlich auch, wie ihr das Leben eurer Kunden verbessert. Denn die sind am Ende der Grund warum Du und dein Team jeden Morgen zur Arbeit kommt.
Agile Führungsmethoden
Über diese Prinzipien und Praktiken guter agiler Führung hinaus gibt es diverse agile Führungsmethoden, um Management nach agilen Prinzipien zu operationalisieren.
- Helix: Die Helix Organisation von McKinsey etabliert als agile Führungsmethode zwei voneinander getrennte Führungslinien. Eine fachliche und eine disziplinarische Führungslinie. Das heißt, jeder Mitarbeiter hat zwei Führungskräfte. Wie diese agile Führungsmethode genau aussieht und warum das nicht einfach eine andere Form der Matrix ist, erfährst Du in diesem Blog.
- OKR: Das OKR Rahmenwerk ist eine agile Führungsmethode, bei der Unternehmensziele “top down” vorgegeben werden und OKR Teams autonom “bottom up” ihre eigenen Ziele formulieren. So förderst Du auf der einen Seite eine hohe Autonomie bzw. Selbstorganisation und stärkst gleichzeitig die gemeinsame Ausrichtung deiner Organisation. In diesem Blog erfährst Du mehr über den Aufbau des OKR Rahmenwerks, in unserem OKR Guide findest Du eine kompakte Übersicht inkl. aller Blog Posts.
- Product Owner: Product Owner und sind eine agile Rolle aus dem Scrum Framework. Die wichtigste Verantwortung eines Product Owners ist, ein Produkt oder eine Leistung strategisch weiterzuentwickeln und den Wertbeitrag zu maximieren. Dazu formuliert und priorisiert der Product Owner Anforderungen an die künftige Entwicklung, die dann von einem Team umgesetzt werden. Streng genommen ist der Product Owner eine konkrete Ausprägung der Helix Organisation als eine fachliche Führungslinie. In diesem Beitrag erfährst Du mehr über die Aufgaben und Verantwortungen eines Product Owners.
- Agile Coaches: Der agile Coach befähigt Teams und Organisationen, nach agilen Werten und Prinzipien zu arbeiten. Als agile Führungsmethode ist diese Rolle besonders wirksam, weil sich der agile Coach als Servant Leader nur um den Arbeitsprozess, also das WIE kümmert. In diesem Beitrag erfährst Du mehr über die Aufgaben und Verantwortungen eines agilen Coaches.
Fazit - Als agile Führungskraft bist Du der Wegbereiter der agilen Transformation
Agile Führung beginnt bei und mit dir. Als agile Führungskraft hast Du es täglich in der Hand, einen Rahmen zu setzen, in dem agiles Arbeiten überhaupt gelingen kann. Damit bist Du ein wesentlicher Eckpfeiler der agilen Transformation in deinem Unternehmen. Und wenn das fruchtet, dann wissen deine Mitarbeiter nicht nur, warum sie morgens in den Job kommen, sondern gehen abends auch mit einem Lächeln nach Hause. Weil sie Freude an der Arbeit hatten, ihren Beitrag zum großen Ganzen sehen und in dir ein Vorbild haben.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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