Impostor-Syndrom: Die Angst, als Hochstapler entlarvt zu werden
Ohne Menschen zu verstehen, verstehst Du nichts vom Business, hat Simon Sinek einmal gesagt. Dabei ist das Imposter-Syndrom (engl. Impostor-Syndrome, umgangssprachlich auch Hochstapler-Syndrom) sicherlich eines der wichtigsten psychologischen Phänome, die dir am Arbeitsplatz begegnen. Vom Hochstapler-Syndrom Betroffene haben massive Selbstzweifel in Bezug auf ihre eigenen Fähigkeiten, obwohl sie eigentlich sehr kompetent sind.
- Über 80% aller Menschen leiden mindestens einmal unter dem Hochstapler-Syndrom. D.h. die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass Du, ein Kollege oder Mitarbeiter vom Imposter-Syndrom betroffen ist.
- Das Hochstapler-Syndrom hat negative Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit und die Performance deiner Organisation.
Deswegen findest Du in diesem Beitrag eine Erklärung, was das Imposter-Syndrom ist, wieso das Imposter-syndrom als “Hochstapler-” oder auch “Scharlatan-Syndrom” bezeichnet wird, wie Du es erkennst und damit umgehst.
If you don’t understand people, you don’t understand business.Simon Sinek
Was ist das Impostor-Syndrom?
Im Kern beschreibt das Impostor-Syndrom (zu deutsch: Hochstapler-Syndrom) massive Selbstzweifel der Betroffenen in Bezug auf ihre eigenen Leistungen und Kompetenzen. Das Impostor-Syndrom wurde erstmals 1978 von den Psychologinnen Pauline Rose Clance und Suzanne Imes beschrieben.
Warum Hochstapler-Syndrom?
Als Folge ihrer Selbstzweifel bewerten Betroffene (berufliche) Erfolge als zufällig. Sie halten sich für Lügner oder eben Hochstapler, weil ihre Erfolge unverdient sind und sie sich ihre Kompetenzen nur erschlichen haben. Statt auf Erreichtes stolz zu sein, leiden Betroffene im Extremfall unter der ständigen Angst, als Hochstapler entlarvt zu werden. Damit ist das Hochstapler-Syndrom das Gegenstück zum bekannten “Dunning-Kruger-Effekt” bei dem Betroffene genau umgekehrt vom “Gipfel der Ahnungslosigkeit” die eigenen Kompetenzen maßlos überschätzen.
Überwiegend Frauen betroffen?
In ihrer ursprünglichen Untersuchung befassten sich die beiden Psychologinnen nur mit erfolgreichen Frauen. Denn ihre initiale Hypothese war, dass besonders Frauen vom Hochstapler-Syndrom betroffen sind. Denn die beiden Psychologinnen fühlten sich selbst häufig als Betrügerinnen. Jedoch zeigen jüngere Studien, dass beide Geschlechter gleichermaßen vom Hochstapler-Syndrom betroffen sind. Außerdem ergab eine Auswertung von über 60 Studien zu dem Phänomen, dass bis zu 82% aller Teilnehmer mit dem Impostor-Syndrom zu kämpfen hatten.
Phänomen statt Krankheit
Streng genommen ist die Bezeichnung als Impostor-Syndrom irreführend, schließlich steht “Syndrom” für ein klar medizinisches Krankheitsbild. Dagegen handelt es sich beim Hochstapler-Syndrom um eine individuelle Erfahrung und beobachtbares Verhalten. Entsprechend wäre die Bezeichnung als Impostor- bzw. Hochstapler-Phänomen eigentlich etwas passender. Gelegentlich wird das Phänomen auch als Scharlatan-Syndrom bezeichnet.
Merkmale und Symptome des Hochstapler-Syndrom
Das vermehrte Auftreten der folgenden Merkmale könnte ein Anzeichen dafür sein, dass Kollegen vom Imposter-Syndrom betroffen sind.
- Fehlendes Selbstbewusstsein
- Unfähigkeit, eigene Fähigkeiten und Kompetenzen realistisch einzuschätzen
- Arbeitswut, Hang zum Perfektionismus
- Hohe (unrealistische) Ansprüche an sich selbst
- Negative Glaubenssätze
- Unfähigkeit, Komplimente anzunehmen
Ein kleiner Impostor-Syndrom Test
Wenn Du glaubst persönlich vom Imposter-Syndrom heimgesucht zu sein, dann kannst Du das mit diesen Fragen prüfen:
- Hast Du das Gefühl, dass dein Erfolg durch Glück oder Zufall entstanden ist?
- Bist Du regelmäßig besorgt, dass andere Menschen irgendwann herausfinden, dass Du nicht so kompetent bist, wie sie denken?
- Hast Du Angst davor, wenn Leute dich loben, weil das mit höheren Erwartungen einhergehen könnte?
- Kannst Du Lob bedingungslos annehmen, einfach “Danke” sagen oder wiegelst Du Komplimente immer ab (”War doch kein Ding”, “auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn”)?
- Erinnerst Du dich mehr an schlechte als an gute Leistungen?
Das Hochstapler-Syndrom überhaupt zu erkennen, ist der erste Schritt, um auch aktiv etwas dagegen unternehmen zu können.
Negative Auswirkungen des Imposter-Syndroms am Arbeitsplatz
Was genau sind nun die negativen Auswirkungen des Imposter-Syndroms in Bezug auf die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz und Arbeitszufriedenheit im Allgemeinen?
- Ungenutzte Potentiale: Wegen ihres negativen Selbstkonzeptes und ihrer Angst, als Betrüger entlarvt zu werden, tendieren vom Hochstapler-Syndrom betroffene Mitarbeiter dazu, sich zurückzuziehen, in Meetings oder Workshops still zu sein. Dabei haben gerade sie viel Wertvolles beizutragen.
- Überlastung und Burnout: Weil Erfolge und Kompetenzen ohnehin erschwindelt sind, tendieren vom Imposter-Syndrom betroffene Kollegen dazu, es immer noch besser und perfekter zu machen. Aufgrund ihres negativen Selbstkonzeptes ist das aber ein Teufelskreis, der im Extremfall zu chronischen Überlastungen und Burnout führt.
- Schlechte Entscheidungen: Weil Betroffene an sich zweifeln, eher still sind, ihre inkompetenten vom Dunning-Kruger-Effekt heimgesuchten Kollegen aber umso lauter und selbstbewusster auftreten, kann das bei Entscheidern zu Informationsverzerrungen und schlechten Entscheidungen führen. Schließlich kann sich keiner davon frei machen, sich bei Entscheidungen nicht auch von subjektiven Eindrücken beeinflussen zu lassen.
- Distanz zum Team: Schließlich können sich Betroffene einigeln und eine Distanz zu Kollegen und zum Team aufbauen. Das verschlechtert die Kommunikation und das Teamgefühl.
Was Du gegen das Hochstapler-Syndrom unternehmen kannst
Das negative Selbstkonzept von Betroffenen hemmt sie in ihrer Entwicklung, auf persönlicher und professioneller Ebene. Was wiederum auch Auswirkungen auf das Team hat, in dem Betroffene agieren. Deswegen findest Du hier ein paar Anregungen und Strategien, wie Du die Denkmuster des Imposter-Syndrom überwinden kannst.
Über das Imposter-Syndrom sprechen
Negativen Gefühlen und Phänomenen wie dem Hochstapler-Syndrom einen Namen zu geben, ist ein wichtiger Schritt um besser damit umgehen zu können. Im Neuroleadership heißt diese Strategie auch “Labelling”. Demnach senkst Du Stress, Betroffenheit und erleichterst bereits durch das Benennen oder Beschreiben eines Gefühls den Umgang mit dem Phänomen. Mach also das Imposter-Syndrom zu einem Agenda-Punkt deines nächsten Team-Workshops oder such ein 1:1 mit einem dir vertrauten Kollegen.
Üben Komplimente anzunehmen
Negative Selbstkonzepte werden vor allem von Geschichten genährt, die Du dir den ganzen Tag selbst erzählst. Und da hilft es doch, wenn Du solange Komplimente hörst, bis Du sie glaubst und dir vielleicht auch selbst welche machen kannst. Ich habe selbst in meinen Coaching-Ausbildungen erlebt, dass jeder lernen kann, Komplimente anzunehmen. Bedingungslos, auch wenn dir bei der ein oder anderen Ressourcen-Dusche wirklich warm ums Herz wird. Eine einfache und sehr schöne Übung dafür sind Ressourcen-Duschen. Diese Übung kannst Du einfach in jedes Team-Meeting, Retrospektiven und in Workshops einbauen.
Fortschritt transparent machen
Fortschritte transparent zu machen, ist ein weiteres Puzzlestück, um dem Hochstapler-Syndrom zu begegnen. Dabei verknüpfst Du Erfolge mit der Kompetenz und dem Einsatz der beteiligten Teams und Mitarbeiter. Diese Brücke immer wieder zu schlagen, ist extrem wichtig, weil ja eben vom Hochstapler-Syndrom Betroffene Erfolge und Fortschritt nicht als Folge ihrer Kompetenz betrachten. Wenn Du mit agilen Frameworks arbeitest, dann sind Demos und Reviews der ideale Zeitpunkt, sich die Zeit zu gönnen, um auch Erfolge zu feiern. Sofern Du etwas für dich persönlich machen möchtest, kannst Du Erfolge in einem Tagebuch festhalten, um dich bei Bedarf immer wieder daran zu erinnern, dass Du eben kein Hochstapler bist.
“Working Geniuses” entdecken
Oft ist der Blick auf eigene Kompetenzen stark von einer fachlichen Perspektive geprägt. Die “Working Geniuses” bieten dazu eine erfrischend andere Perspektive. Die grundlegende Idee der Working Geniuses: Erfolgreiche Arbeit geht durch mindestens sechs Schritte und jeder hat auf diesem Weg zwei herausragende Kompetenzen oder eben “Working Geniuses". Mit dieser neuen Perspektive bietest Du vom Hochstapler Syndrom betroffenen Kollegen eine neue Sichtweise auf ihre eigenen Fähigkeiten.
Stille Hochstapler aktiv einbinden
Wie erwähnt kann das negative Selbstkonzept dazu führen, dass vom Hochstapler-Syndrom betroffene Personen sich zurückziehen. Wenn Du also den Eindruck hast, dass also ein potentieller Hochstapler unter euch ist, dann geh aktiv auf sie zu und lade sie ein, sich einzubringen. Schließlich haben sie fast immer herausragende Kompetenzen, nur eine nachteilige Selbstwahrnehmung. Dieses Vorgehen empfiehlt sich vor allem in Workshops und in Meetings.
“Shit happens” - Fehlerkultur üben
Aufgrund ihres negativen Selbstkonzeptes wollen die vom Hochstapler-Syndrom betroffenen Kollegen alles richtig und perfekt machen. Das ist jedoch gerade in komplexen Umfeldern ein aussichtsloses Sisyphus-Unterfangen. Denn Fehler sind ein wichtiger Begleiter auf diesem Weg. Je schneller Du sie machst, desto besser. Sorge also für eine Kultur, in der das Motto lautet “Good enough for now, safe enough to try” und übe den produktiven Umgang mit Fehlern.
“Pair Programming” adaptieren
Eine gängige agile Praktik ist das “Pair Programming”, bei dem zwei Entwickler gemeinsam eine Programmieraufgabe lösen. Für jeden Controller und Bürokrat ein Alptraum. Schließlich ist es doch hochgradig ineffizient, wenn zwei Leute gemeinsam am Rechner sitzen? Jedoch steigert diese Art des Arbeitens die Qualität der Arbeit, fördert Lernkultur und konstruktives Miteinander. Schaff also Situationen, bei denen auch vom Hochstapler betroffene Personen in die Positionen eines "Piloten" kommen, der mit seiner Kompetenz andere anführt.
Professionelle Hilfe annehmen
Wenn das Hochstapler-Syndrom zu dominant ist, solltest Du erwägen, professionelle Hilfe anzunehmen. Denn ein zu starkes negatives Selbstkonzept führt auf Dauer in eine Abwärtsspirale, aus der Du irgendwann selber keinen Ausweg mehr findest.
Fazit – Hochstapler willkommen
Das Hochstapler-Syndrom ist ein nicht zu unterschätzendes Phänomen, das dir häufiger begegnet als angenommen. Gerade in Workshops habe ich mir deshalb abgewöhnt, Stille und Passivität vorschnell mit Desinteresse zu bewerten. Stattdessen gehe ich aktiv auf stille Teilnehmer zu und meiner Hypothese auf den Grund, das Hochstapler-Syndrom mit eingeladen zu haben. Das ist mitunter etwas zäher, als die vom Dunning-Kruger Effekt heimgesuchten Kollegen mit ein paar guten Rückfragen zu identifizieren. Aber der Weg lohnt sich, denn meistens sind es gerade die Stillen, die mit ihren Talenten und Sichtweisen der Gruppe wertvolle Impulse geben. Entsprechend sind Hochstapler in meinen Workshops mehr als willkommen.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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