Kognitive Verzerrungen â Diese Schnippchen schlĂ€gst Du dir selber
Eine kognitive Verzerrung (cognitive bias) ist ein systematischer Denk- und Wahrnehmungsfehler. Diese fehlerbehaftete Neigung fĂŒhrt dazu, dass Du tĂ€glich ganz unbewusst eine Vielzahl irrationaler und nachteiliger Entscheidungen triffst.
In diesem Artikel erklĂ€re ich Dir, was kognitive Verzerrungen sind und wieso das Wissen um ihre Existenz gerade in komplexen Umfeldern unverzichtbar ist. Dabei lernst Du kognitive Verzerrungen und vor allem Handlungsstrategien kennen, um deinen Alltag im Kontext von Digitalisierung, New Work und Innovation erfolgreich zu gestalten.Â
Woher kommen kognitive Verzerrungen?
Kognitive Verzerrungen sind ein Begriff aus der Kognitionspsychologie (Kognition, lat. erkennen, erfahren), die sich ganz allgemein mit der Informationsverarbeitung von Menschen auseinandersetzt. Die ersten cognitive biases wurden bereits in den 1950er Jahren beschrieben. PopulĂ€r wurden kognitive Verzerrungen spĂ€testens mit dem Bestseller âSchnelles Denken, langsames Denkenâ (2011). Darin fasst der Psychologe Daniel Kahneman seine jahrzehntelange Forschungsarbeit mit Amos Tversky zusammen. FĂŒr seine Arbeiten und die VerknĂŒpfung von Psychologie und Wirtschaft wurde Kahneman bereits 2002 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Sein Freund und MitbegrĂŒnder der damit ausgezeichneten âneuen Erwartungstheorieâ Amos Tversky war bereits 1996 verstorben.
Informationsverarbeitung im Gehirn
Um kognitive Verzerrungen und ihr Auftreten zu verstehen, solltest Du kurz die Informationsverarbeitung im Gehirn nachvollziehen. Dazu nutzt Kahneman in seinem Buch ein sehr einfaches Modell. Demnach werden Informationen im Gehirn durch zwei Systeme verarbeitet. Ăber System 1 finden spontane, emotionale und intuitive Bewertungen und Denkprozesse statt. System 2 dagegen prozessiert Informationen wohlĂŒberlegt, logisch und rational. Dabei ist System 1 um ein vielfaches schneller, kann parallel arbeiten und damit bis zu 30% aller Informationen verarbeiten, die sekĂŒndlich auf dich einprasseln. Das heiĂt, dein intuitives System 1 ist der Gepard der Informationsverarbeitung, unser rationaler Verstand im Vergleich dazu maximal im Schneckentempo unterwegs.Â
System 1 | System 2 | |
---|---|---|
Bewertung | Intuitiv | Rational |
Reaktionsgeschwindigkeit | 200 ms | 700 ms |
Operating Modus | Parallel | Linear |
ArbeitsspeicherBits / Sekunde | 3,3 Mio. | 11 |
VerarbeitungskapazitÀtIn % von 11 Mio. Bits / Sek. | 30% | 0,0001% |
Jeder âleidetâ an kognitiven Verzerrungen
Evolutionsbiologisch war System 1 ĂŒberlebenswichtig. Denn diejenigen, die beim Rascheln im Busch lange ĂŒberlegten, um eine kluge, wohlĂŒberlegte, rationale Entscheidung zu treffen, hatten keine Zeit sich fortzupflanzen. Dann nĂ€mlich, wenn es statt der Maus tatsĂ€chlich der SĂ€belzahntiger war. Damit sind wir alle zwangslĂ€ufig Nachkommen der Angsthasen mit ausgeprĂ€gtem System 1. Das heiĂt, auch wenn wir heute nicht mehr in der Savanne leben, besitzen wir alle die untrĂŒgliche FĂ€higkeit, basierend auf sehr wenigen, unvollstĂ€ndigen Informationen, eine sehr schnelle Entscheidung zu treffen. Und aufgrund der hohen Geschwindigkeit sind diese Entscheidungen schon gefallen, bevor sie uns ĂŒberhaupt bewusst werden. SchlieĂlich versucht der rationale Verstand dann nur noch den emotionalen Affekt zu rechtfertigen. Damit kann sich auch der rationalste Analyst nicht von kognitiven Verzerrungen frei sprechen.
KomplexitÀt und kognitive Verzerrungen
KomplexitĂ€t kennzeichnet sich durch eine hohe Vernetzungsdichte, viele Variablen, Interaktionspunkte und Informationen. Damit kannst Du ein komplexes System per Definition nicht abschlieĂend analysieren. Das heiĂt, dein rationales System 2 hat keine Chance eine hohe KomplexitĂ€t zu durchdringen. Dein intuitives System 1 dagegen kann auch komplexe Situationen erfassen und intuitiv bewerten. Damit ist deine Intuition der beste Navigator in komplexen Umfeldern. Das heiĂt, so nachteilig kognitive Verzerrungen als Folge deines ĂŒbermĂ€chtigen Systems 1 mitunter sind, so wichtig ist deine Intuition im Umgang mit KomplexitĂ€t. So wird das Wissen zu kognitiven Verzerrungen zum SchlĂŒssel, um erfolgreich mit deiner Intuition zu arbeiten. Â
Kognitive Verzerrungen im Berufsalltag
Aus der Liste mit weit ĂŒber einhundert wissenschaftlich belegter kognitiver Verzerrungen habe ich die ausgewĂ€hlt, die unseren Berufsalltag am stĂ€rksten prĂ€gen. Da cognitive biases sich gegenseitig verstĂ€rken oder aufeinander aufbauen, habe ich sie direkt in den jeweiligen Kontext gesetzt, um darauf aufbauend eine Handlungsstrategie zu geben. Â
Die irrationale Tendenz an Dingen festzuhalten, in die wir Zeit und Geld investiert haben
Gleich mehrere kognitive Verzerrungen beschĂ€ftigen sich mit der irrationalen Tendenz an Dingen festzuhalten in die wir Zeit, Geld und Energie investiert haben. Dabei beschreibt der IKEA Effekt die kognitive Verzerrung, dass wir selbst erstellten Dingen ĂŒbermĂ€Ăig Wert zuschreiben. Das heiĂt, das von Dir aufgebaute Billy Regal ist mehr wert als das baugleiche Modell einer anderen Person. Die Sunk Cost Fallacy beschreibt den cognitive bias, âdas gute dem schlechten Geld hinterher zu werfenâ. Also irrational viel Geld in Vorhaben zu investieren, auf die bereits viel Budget allokiert wurde. SchlieĂlich beschreibt die Loss Aversion die kognitive Verzerrung, dass Du Verlusten deutlich mehr Bedeutung beimisst als Gewinnen. Das heiĂt, der Verlust von 100 Euro ist doppelt so schmerzhaft wie die Freude ĂŒber den Gewinn des gleichen Betrages. Nun weiĂt Du warum es so schwer fĂ€llt Vorhaben einzustellen, in die Du bereits Herzblut und Geld investiert hast.
Ein einfacher Ausweg: Ressourcen limitieren
Um dich vor diesen sich gegenseitig verstĂ€rkenden kognitiven Verzerrungen zu schĂŒtzen, gibt es ein sehr einfaches Mittel. Du begrenzt einfach die zur VerfĂŒgung stehenden zeitlichen und finanziellen Mittel. Das heiĂt, eine enge Timebox und so gut wie kein Budget. Denn âNotâ macht bekanntlich erfinderisch. Diese kĂŒnstlichen BeschrĂ€nkungen findest Du in gĂ€ngigen Formaten wie Design Sprints, Hackathons oder auch Design Thinking Workshops. Dabei gilt eine einfache Faustregel: Je explorativer und unsicherer dein Vorhaben, desto weniger Zeit. Denn so kommen Leute gar nicht in Versuchung Dinge zu erstellen, von denen Sie nachher nicht loslassen wollen. Stattdessen sind sie bereit sich auf das Feedback der Anwender einzulassen und Prototypen auch einmal wegzuwerfen. Zudem hilft dir das Arbeiten in kurzen Intervallen dabei, dass die getĂ€tigten Investments noch verschmerzbar sind und die Bereitschaft zur Anpassung ist vergleichsweise hoch.
Der sĂŒĂe Nektar des Status Quo - Das haben wir schon immer so gemacht
Die Status Quo Verzerrung beschreibt die ĂŒbermĂ€Ăige emotionale Bevorzugung des Status Quo im Vergleich zu jedweder VerĂ€nderung. Das heiĂt, wir wollen einfach, dass alles so bleibt wie es ist. Diese Tendenz ist eine Kombination der Loss Aversion und des Besitztumseffekts, der besagt, dass wir einem Gut mehr Bedeutung beimessen, wenn wir es besitzen. Ein Ă€hnliches PhĂ€nomen beschreibt der Default-Effekt. Bei dieser kognitiven Verzerrung bevorzugen wir den âDefaultâ also den Status Quo einer aktiv handelnden Strategie. Daraus resultiert schlieĂlich die kognitive Verzerrung des Unterlassungseffekts. Dabei schĂ€tzt Du das Risiko der Handlung im Vergleich zum Risiko der Unterlassung deutlich höher ein, was wiederum zur Unterlassung und Verharrung im Status quo fĂŒhrt.
Aktives Handeln gilt als risikoreicher
Dass Menschen zur Unterlassung tendieren und Handlungen als riskanter einstufen, lĂ€sst sich einfach erklĂ€ren. SchlieĂlich wiegt die Verantwortung fĂŒr ein selbst herbeigefĂŒhrtes negatives Ergebnis deutlich schwerer als die Verantwortung fĂŒr das gleiche negative Ergebnis, das durch Nicht-Handeln zustande kam. Das heiĂt, die âFĂŒĂe still zu haltenâ ist weniger riskant, selbst wenn das Unterlassen im Vergleich zum Handeln deutlich mehr Probleme verursacht. Zudem wird in vielen Kulturen auch das gescheiterte aktive Handeln sanktioniert, die Unterlassung dagegen so gut wie nie.
VerĂ€nderungen sinnvoll gestalten und den Status Quo ĂŒberwinden
Positiv ausgedrĂŒckt signalisieren Menschen mit Festhalten am Status Quo, dass es etwas zu bewahren gibt. Du darfst dich also fragen, was genau Kollegen als bewahrenswert betrachten, statt das Verharren im Status Quo vorschnell als kognitive Verzerrung abzustempeln. Zweitens kann es tatsĂ€chlich sein, dass Informationen fehlen, um die Unsicherheit des Neuen und das damit verbundene Risiko zu reduzieren. Eine dritte wichtige Strategie zur Ăberwindung der Status Quo Verzerrung sind Angebote zur Mitgestaltung. Dabei lobst Du natĂŒrlich das aktive Handeln ĂŒber den grĂŒnen Klee. SchlieĂlich gelingt die Ăberwindung des Status Quo mit ansprechenden Zielen und GesprĂ€chen ĂŒber den Sinn einer VerĂ€nderung. Im Idealfall sind ein Ziel oder gemeinsame Absichten so attraktiv, dass Leute bereit sind den Status Quo hinter sich zu lassen. Zumindest gelingt es Dir damit vielleicht deine âfirst followerâ zu gewinnen. Weiter unten zeige ich Dir zudem, wie du cognitive biases auch zur erfolgreichen Gestaltung von VerĂ€nderung nutzen kannst.
Die Schwierigkeit Entscheidungen zu treffen
TĂ€glich treffen wir ca. 20.000 Entscheidungen. Die meisten davon sind kleine Entscheidungen, betreffen alltĂ€gliche Routinen und werden von System 1 getroffen. Bewusste Entscheidungen sind dagegen höchst paradoxe Wesen. Prinzipiell wollen wir immer eine Wahl haben, das stĂ€rkt unser Autonomieempfinden. Allerdings sind wir mit zu vielen Auswahlmöglichkeiten schnell ĂŒberfordert (Overchoice). Wenn Du dich allerdings nicht zwischen zwei Optionen entscheiden kannst, dann hilft oft eine dritte unbedeutende Auswahlmöglichkeit. Der âKöderâ fĂŒhrt dann dazu, dass Du dich fĂŒr eine der beiden anderen Varianten entscheidest (Decoy-Effect). SchlieĂlich macht uns das Treffen von bewussten Entscheidungen auch mĂŒde (Decision fatigue). Immerhin frisst unser Gehirn und System zu viele Energiereserven. Diese EntscheidungsmĂŒdigkeit fĂŒhrt schlieĂlich zu schlechten und suboptimalen Entscheidungen .
Der Irrglaube, dass alle anderen die Welt so sehen wie DuÂ
Es gibt wenig kognitive Verzerrungen mit denen Du so spielerisch arbeiten kannst wie die Tendenz zu glauben, dass andere die Welt so sehen wie Du. Dabei ist die erste kognitive Verzerrung der Curse of Knowledge, also der Fluch des Wissenden. Dabei nimmst Du als âWissenderâ fĂ€lschlicherweise an, dass alle anderen dein Wissen teilen. TatsĂ€chlich hast Du jedoch einen Informationsvorsprung. Umgekehrt beschreibt der cognitive bias der Illusion of Transparency die fehlerhafte Annahme, dass dein Inneres sowie damit verbundene Haltung und Sichtweisen fĂŒr andere transparent wĂ€ren. Und schlieĂlich beschreibt der Spotlight Effect den Irrglauben, dass Du eine gewichtige Rolle in den Gedanken anderer spielst. Die Wahrheit ist, dass andere sich nicht so intensiv mit Dir beschĂ€ftigen wie Du mit dir selbst. Diese kognitiven Verzerrungen behindern AuftragsklĂ€rungen, Ziel- und Strategieentwicklungen. Im Sinne der Stacey Matrix ist die fehlende Ăbereinkunft der beteiligten Personen ĂŒbrigens wiederum ein Treiber fĂŒr KomplexitĂ€t.Â
Ein gemeinsames VerstÀndnis entwickeln
Das EingestĂ€ndnis dieser kognitiven Verzerrungen und die Anerkenntnis, dass Du eine exklusive Sicht auf deine Welt hast, ist bereits die halbe Miete, um an einem gemeinsamen VerstĂ€ndnis zu arbeiten. ZusĂ€tzlich brauchst Du ein aufrichtiges Interesse an den Sichtweisen anderer und ausreichend Zeit. SchlieĂlich ist Sprache auch nur eine Abstraktion, die ĂŒber System 2 prozessiert wird. Deswegen kann es sein, dass Du Geduld brauchst bis wirklich klar ist und allseits verstanden, was tatsĂ€chlich gemeint ist. Um den Prozess zu beschleunigen und deinem schnell arbeitenden System 1 eine BĂŒhne zu geben, kannst Du mit Bildern arbeiten oder viel aufmalen, statt immer nur zu schreiben oder zu reden. FĂŒr sprachliches und das intellektuelle VerstĂ€ndnis kannst Du Modelle nutzen, um darauf aufbauend ein gemeinsames VerstĂ€ndnis zu entwickeln.Â
Modelle, die dich dabei unterstĂŒtzen
Hier findest Du ein paar Modelle, die dich dabei unterstĂŒtzen erfolgreich den Irrglauben zu ĂŒberwinden, dass alle die Welt so sehen wie Du.Â
OKR | Eine gemeinsame Sprache fĂŒr die Arbeit mit Zielen entwickeln, dabei reicht es OKR nur als Syntax zu nutzen. |
Business Model Canvas | Ein sprachlicher Rahmen im Kontext Strategie- und Unternehmensentwicklung. |
Haus der VerÀnderung | VerÀnderungsdynamik begreif- und verstehbar machen. |
Modell der logischen Ebenen | VerÀnderungsdynamik verstehen und Transformationsprozesse erfolgreich gestalten |
Golden Circle | Den Purpose und das gemeinsame Anliegen deines Unternehmens identifizieren. |
Stacey / Cynefin | Die Stacey Matrix und das Cynefin Modell, um ein gemeinsames VerstĂ€ndnis fĂŒr KomplexitĂ€t zu gewinnen. |
Design Thinking | Um Kunden und Anwenderprobleme in den Vordergrund zu stellen und nicht wahllose Ideen. |
Kognitive Verzerrungen im Umgang mit neuen Informationen und Risiken
Im Zuge der digitalen Transformation sind viele Unternehmen Risiken ausgesetzt, die sie systematisch unterschĂ€tzen. Schuld daran ist u.a. die kognitive Verzerrung der Truthahn-Illusion, also die fehlerhafte Annahme, dass Trends der Vergangenheit sich fortschreiben. So wird der Truthahn tĂ€glich gefĂŒttert bis âplötzlichâ Thanksgiving vor der TĂŒr steht. Das heiĂt, die Extrapolation erfolgte ohne eine WĂŒrdigung des gesamten Kontextes. Zudem fĂŒhrt der Confirmation Bias dazu, dass wir uns auf die Informationen konzentrieren, die unsere aktuelle Strategie unterstĂŒtzen, statt nach entgegengesetzten Trends zu suchen. Und eher belustigend und gleichzeitig beĂ€ngstigend ist der Rhyme-as-Reason Effect, nach dem Du Sachverhalte als glaubwĂŒrdiger bewertest nur weil sie sich reimen. Gleichzeitig sorgt der Overconfidence Effect zur ĂberschĂ€tzung der eigenen Kompetenz und die Kontrollillusion lĂ€sst dich glauben, dass Du auch VorgĂ€nge auĂerhalb deines Einflussbereiches beeinflussen kannst. Daraus entsteht im Zuge der digitalen Transformation ein gefĂ€hrlicher Risiko Cocktail, der dich blind fĂŒr die wirklichen Gefahren macht.Â
Die Such nach âSpinnernâ und Rebellen - Gute GrĂŒnde fĂŒr dein Digital-Team
Solange Du im eigenen Saft kochst, wird es schwer sich ĂŒber diese kognitiven Verzerrungen hinwegzusetzen. Du brauchst ein paar Musterbrecher, Rebellen, Kreative oder auch Spinner, die dir mal eine völlig andere Sicht auf deine Organisation, dein GeschĂ€ftsmodell oder deine Strategie geben. Dazu kannst Du z.B. einen Hackathon veranstalten, damit Mitarbeiter und Externe sich mit disruptiven Szenarien beschĂ€ftigen können. Zumindest kann ein solches Format ein âAugenöffnerâ sein und Licht auf ein paar blinde Flecken werfen. Zudem kannst Du durch den Aufbau eines gut positionierten Digital-Teams dem kreativen Wahnsinn und Rebellentum auch etwas Methode verleihen. Also eine Gruppe von Menschen, die deine Organisation und deine GeschĂ€ftsmodelle im Spannungsfeld neuer Technologien permanent mit dem Rest deiner Organisation weiterentwickelt.Â
Kognitive Verzerrungen bei der Planung und Umsetzung strategischer Vorhaben
Auch bei der Planung von strategischen Initiativen schlagen mehrere kognitive Verzerrungen zu. ZunĂ€chst einmal beschreibt die Planning Fallacy die Tendenz den Aufwand von groĂen Aufgaben systematisch zu unterschĂ€tzen. Die kognitiven Verzerrungen des Law of Triviality beschreibt die Tendenz, dass wir uns bei groĂen Vorhaben schnell in Details verlieren, statt das âbig pictureâ im Auge zu behalten. Dagegen beschreibt die kognitive Verzerrung des Information Bias die Tendenz auch dann noch nach Informationen zu suchen, wenn die neue Information die QualitĂ€t der zu treffenden Entscheidung nicht verbessert. SchlieĂlich sorgt der Ambiguity Effect dafĂŒr, dass wir Vorhaben mit sicheren Prognosen denen mit unsicherem Ausgang bevorzugen. Also lieber den Spatz in der Hand als den Vogelschwarm auf dem Dach. In Summe fĂŒhren diesen kognitiven Verzerrungen zu einem Portfolio von uninspirierten Vorhaben, deren Aufwand Du systematisch unterschĂ€tzt. Gleichzeitig verlieren sich Teams in unwichtigen Details und treten bei der Suche nach mehr Information auf der Stelle.Â
GroĂ Denken, aber den ersten Schritt nicht vergessen
Um gar nicht erst in diese Fallen zu tappen, die die cognitive biases dir aufstellen, gibt es ein einfaches Rezept. Hör einfach auf, Vorhaben detailliert zu planen. Stattdessen klĂ€rst Du zunĂ€chst den inhaltlichen Rahmen und die damit verbundenen (ambitionierten) Ziele. Dabei ĂŒberlegst Du unbedingt, welche Probleme aus Kundensicht Du lösen möchtest, um dich nicht nur mit dir selbst zu beschĂ€ftigen. GrĂŒnde kleine Teams, statte sie mit den benötigten Ressourcen aus und fangt an. Dabei gilt die einfache Regel, dass Teams in kurzen Iterationszyklen konkrete Arbeitsergebnisse prĂ€sentieren. Vorhaben die nicht weiterkommen, werden eingestellt oder neu aufgesetzt. Dabei werden natĂŒrlich die handelnden aktiven Kollegen immer fĂŒr ihren Einsatz gelobt.Â
Kognitive Verzerrungen fĂŒr wirksame VerĂ€nderungen
TatsĂ€chlich gibt es auch eine Reihe von cognitive biases, die Du fĂŒr die erfolgreiche Gestaltung von VerĂ€nderungen nutzen kannst. Erst einmal beschreibt die kognitive Verzerrung des Appeal to Novelty, dass wir neuen Konzepten tendenziell eine Ăberlegenheit zuschreiben, einfach weil sie neu sind. Dabei sorgt der Contrast Effect fĂŒr eine bessere Wahrnehmung, wenn Du starke Kontraste herstellst. Die kognitive Verzerrung des Bizarreness Effect beschreibt die Tendenz, dass Du dich an unkonventionelle Dinge eher erinnerst als an gewöhnliche. Wenn es dann noch lustig und humvoroll wird, dann spielt Dir zusĂ€tzlich der Humor Effect in die Karten.
Mehr Mut, weniger Konvention und bitte mehr Lachen
FĂŒr die wirksame Gestaltung von VerĂ€nderungen kannst Du daraus ein paar einfache Regeln ableiten. ZunĂ€chst einmal brauchst Du wirklich etwas Neues. Ein wenig VUCA blabla reicht dabei nicht, sondern Du brauchst konkrete Trends und Neuerungen, auch um einen starken Kontrast zu dem was heute ist, herzustellen. Dabei reichen kleine SprĂŒnge möglicherweise nicht. Denn VerĂ€nderungen folgen ohnehin immer dem gleichen Muster, deshalb wĂŒrde ich immer lieber einmal eine groĂe VerĂ€nderung durchlaufen als viele kleine âVerĂ€nderĂŒngchenâ. Zudem darf und soll es bitte unkonventionell sein, schlieĂlich geht es ja gerade bei der EinfĂŒhrung neuer Arbeitsmethoden auch um einen grundlegenden Paradigmen- und Kulturwandel. Und wenn ihr wollt, dass es doch noch in die Hose geht, dann sorg dafĂŒr, dass die Leute auf keinen Fall SpaĂ haben und auch mal gelacht wird. Das ist in jedem Fall eine sehr wirksame kognitive Medizin.Â
Liste kognitiver Verzerrungen
Zum Abschluss noch eine Liste mit kognitiven Verzerrungen, die ich in diesem Artikel aufgegriffen habe, ergÀnzt um ein paar weitere cognitive biases.
IKEA Effekt | Du schreibst selbst erstellten Dingen ĂŒbermĂ€Ăig Wert zu. |
Sunk Cost Fallacy | Du investierst irrational viel Geld in Vorhaben, auf die bereits viel Budget allokiert wurde. |
Loss Aversion | Verluste sind doppelt so schmerzhaft wie die Freude ĂŒber ein Gewinn. |
Status Quo Verzerrung | ĂbermĂ€Ăige emotionale Bevorzugung des Status Quo als Resultat der Loss Aversion und des Besitztumseffekts. |
Besitztumseffekt | Du bewertest ein Gut als wertvoller, wenn Du es besitzt. |
Default-Effekt | Du bevorzugst den âDefaultâ also den Status Quo gegenĂŒber einer aktiv handelnden Strategie. |
Unterlassungseffekt | Du ĂŒberschĂ€tzt das Risiko der Handlung im Vergleich zum Risiko der Unterlassung. |
Curse of Knowledge | Du nimmst als âWissenderâ fĂ€lschlicherweise an, dass alle anderen dein Wissen teilen. |
Illusion of Transparency | Die fehlerhafte Annahme, dass dein Inneres sowie damit verbundene Haltung und Sichtweisen fĂŒr andere transparent wĂ€ren. |
Spotlight Effect | Der Irrglauben, dass Du eine gewichtige Rolle in den Gedanken anderer spielst. |
Truthahn-Illusion | Trends der Vergangenheit werden fĂ€lschlicherweise ohne eine WĂŒrdigung des gesamten Kontextes extrapoliert. |
Confirmation Bias | Du suchst nach Informationen, die bestÀtigen, was Du ohnehin schon glaubst. |
Rhyme-as-Reason Effect | Informationen sind glaubwĂŒrdiger wenn sie sich reimen. |
Overconfidence Effect | Systematische SelbstĂŒberschĂ€tzung der eigenen Kompetenz, gilt fĂŒr Organisationen und Individuen besonders im Zuge der Digitalisierung. |
Kontrollillusion | Du Irrglaube, dass Du VorgĂ€nge auĂerhalb deines Einflussbereiches beeinflussen oder gar vorhersagen kannst. |
Planning Fallacy | Die Tendenz den Aufwand von groĂen Aufgaben systematisch zu unterschĂ€tzen. |
Law of Triviality | Du verlierst dich bei groĂen Vorhaben schnell im Detail, statt das âbig pictureâ im Auge zu behalten. |
Information Bias | Du suchst weiter nach Informationen, auch wenn es die QualitÀt der zu treffenden Entscheidung nicht verbessert. |
Ambiguity Effect | Du bevorzugst sichere Prognosen denen mit unsicherem Ausgang. |
Survivorship Bias | Nachteilige Tendenz, unsere Strategien vor allem aus den erfolgreichen Versuchen abzuleiten, statt auch die gescheiterten Versuche und ihre Ursachen zu beleuchten. |
Halo-Effekt | Die Tendenz, von bekannten Eigenschaften einer Person auf unbekannte Eigenschaften zu schlieĂen. |
Contrast Effect | Intensivere Wahrnehmung einer Information im Kontrast zu einer andere ; Informationen verbessern die Wahrnehmung. |
RĂŒckschaufehler | ĂberschĂ€tzung der Vorhersehbarkeit eines Ereignisses nachdem es eingetreten ist. |
Wahrheitseffekt | Aussagen, die Du bereits gehört oder gelesen hast, sind glaubwĂŒrdiger als neue Informationen. |
Appeal to Novelty | Neue Konzepte sind ĂŒberlegen, einfach weil sie neu sind. |
Bizarreness Effect | Je unkonventioneller, desto besser die Erinnerung. |
Humor Effect | Je lustiger, desto besser die Erinnerung. |
Overchoice | Zu viele Auswahlmöglichkeiten ĂŒberfordern Dich. |
Decoy-Effect | Kannst Du Dich zwischen 2 Optionen nicht entscheiden, hilft Dir eine dritte unbedeutende Alternative (Köder), eine Entscheidung zwischen den beiden anderen Varianten zu treffen. |
Decision fatigue | Entscheidungen zu treffen, macht mĂŒde. |
Fazit â Mal beĂ€ngstigend, mal zum schmunzeln
Jeder von uns hat und âleidetâ unter kognitiven Verzerrungen. Sie sind so normal wie das Atmen. Und genau wie Du AtemĂŒbungen und -techniken nutzen kannst, um deine Achtsamkeit zu erhöhen, kannst Du dein Wissen um deine kognitiven Verzerrungen einsetzen, um ein wenig mehr Bewusstsein fĂŒr deine Denk- und Wahrnehmungsfehler zu entwickeln. Sei achtsam und geduldig mit Dir, schlieĂlich ist dein intuitives System 1 gleichzeitig dein stĂ€rkstes Werkzeug im Umgang mit KomplexitĂ€t.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
Vom Kenner zum Könner
Als GrĂŒnder der dno stehe ich dir fĂŒr dein Anliegen zur praktischen Anwendung gerne persönlich zur VerfĂŒgung.
1:1 Coaching
Ich nehmen mir Zeit deine Fragen zu beantworten. Schnell, einfach, unkompliziert auch ohne Beratungsmandat.
VortrÀge & Schulungen
Wir prÀsentieren und erklÀren das Thema live auf deinem Event in internen Mitarbeitern Lunch & Learns oder Schulungen.
Anfrage sendenBeratung & Workshops
Sofern Du weiterfĂŒhrende UnterstĂŒtzung benötigst, stell dir einen unverbindlichen Strategiecall ein, um dein Anliegen zu besprechen.
Anfrage senden