Servant Leadership – Führung als Dienstleistung
Servant Leadership bedeutet, seine Führung kompromisslos an den Interessen der Geführten und den Zielen der Organisation auszurichten. Das heißt, der Servant Leader versteht Führung als eine Dienstleistung und ist damit ein moderner Gegenentwurf zum klassischen Verständnis eines “Vorgesetzten”.
In diesem Artikel erkläre ich dir, was Servant Leadership heißt und welche Bedeutung dieses Führungsmodell im Zuge der digitalen Transformation hat. Zudem schauen wir uns Servant Leadership an Beispielen eines agilen Coaches, einer Digital-Unit und einem etwas ungewöhnlichen Beispiel an.
Ursprung Servant Leadership
Friedrich der GroßeDer Herrscher ist der erste Diener des Staates.
Der Begriff Servant Leadership geht auf Robert Greenleaf zurück, der fast 40 Jahre “Director of Management Development” bei AT&T war. Bereits 1970 hat er in seinem Aufsatz “The Servant as Leader” sein Verständnis einer dienenden Führung formuliert. Damit bot Greenleaf einen Gegenentwurf zum heroischen Manager Verständnis des 20. Jahrhunderts, das maßgeblich durch den Taylorismus geprägt war. Bei seiner Formulierung des Servant Leaders hat sich Greenleaf nach eigenen Aussagen von Hermann Hesse’s Erzählung “Morgenlandfahrt” inspirieren lassen.
Servant Leadership im Kontext der digitalen Transformation
Mit der digitalen Transformation gewinnt Servant Leadership zunehmend an Bedeutung. Denn steigende Dynamik und Komplexität führen hierarchische strukturierte Organisationen und Führungsmodelle zunehmend an und über ihre Belastungsgrenzen. Dabei bieten agile Organisationsmodelle eine alternative Organisationsform und sollen Unternehmen helfen sich schneller anzupassen und zukunftsfähig aufzustellen. Und Servant Leadership beschreibt einen konkreten Ansatz, wie Führung in einem agilen Kontext mit Leben gefüllt werden kann.
Führen heißt dienen - Eigenschaften eines Servant Leaders
Greenleaf InstituteI serve because I am the leader. I am the leader because I serve.
In Führung zu gehen und gleichzeitig zu dienen, scheint vordergründig ein Widerspruch. Für den Servant Leader ist Führung jedoch nur die logische Folge des selbstlosen Dienens. Sozusagen die andere Seite der gleichen Medaille. Denn für den Servant Leader ist Führung kein Selbstzweck, sondern die freiwillige Entscheidung des Geführten. Das heißt, nur der Geführte kann die Rolle des Führenden mit Bedeutung versehen. Deswegen ist Servant Leadership auch ein Führungsmodell in agilen Strukturen, in denen Prinzipien wie Selbstverpflichtung und Freiwilligkeit unumstößlich sind.
Damit ist für den Servant Leader klar, dass Führen mit einer Haltung des Dienens beginnt. Und dem Vertrauen darauf, dass sich der Geführte der Führung freiwillig anschließt, anstatt sich institutionalisierter “Macht” zu beugen. Dabei kannst Du Servant Leadership sowohl auf die Interaktion zwischen Personen als auch ganze Teams übertragen.
Zuerst kommt Dienen ...
Der Servant Leader stellt sich kompromisslos in den Dienst der Organisation. Dabei sind der Sinn und die Ziele der Organisation die oberste Instanz für einen Servant Leader. In seinem Verständnis als Diener der Organisation, würdigt und unterstützt der Servant Leader die Interessen seiner Kollegen und Mitarbeiter, ohne dabei die Ziele der Organisation zu kompromittieren. Dabei vertraut der Servant Leader auf ein intaktes Wertesystem, damit sein Dienen auch wertschätzend auf Augenhöhe stattfindet.
Das setzt auf Seiten des Servant Leaders eine selbstlose Haltung, die Bereitschaft Verantwortung für andere zu übernehmen und echtes Interesse an seinem Gegenüber voraus. Denn nur, wenn Du dich als Servant Leader für andere, ihre Motivationen und Ziele interessierst, kannst Du sie unterstützen erfolgreich zu sein. Der Wunsch zu dienen, anderen dabei zu helfen, ihr volles Potenzial abzurufen und ihre Ziele zu erreichen, machen den Servant schließlich zum Leader.
Dann kommt Führen ...
Durch seine selbstlose Haltung wird der Servant also zur Führungspersönlichkeit. Denn wenn Du andere Personen bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützt, entsteht Vertrauen in deine Kompetenz und Absichten. Das wiederum führt dazu, dass andere sich dir gerne anschließen.
Durch die hohe Verbundenheit des Servant Leaders mit den Zielen und Interessen der Organisation, wird der Servant Leader außerdem zum Sinnstifter. In dieser Rolle bietet der Servant Leader Orientierung und Klarheit und stärkt die Sicherheit und Verbundenheit. Beides zentrale Grundbedürfnisse für das menschliche Miteinander. Durch sein selbstloses Dienen geht der Servant Leader zudem mit gutem Beispiel voran, ermutigt Kollegen, achtsam miteinander umzugehen und sich selbstlos in den Dienst der Organisation zu stellen.
Beispiele Servant Leadership
Der Servant Leadership Ansatz lässt sich am besten an konkreten Beispielen mit Leben füllen. Dabei skizziere ich die Rolle des Servant Leader am Beispiel einer Digital-Unit, eines agilen Coaches und schließlich anhand einer für einen Business-Blog eher ungewöhnlichen Rolle. Nämlich Elternsein als Servant Leadership.
Digital Unit als Servant Leader
Digital-Units befähigen deine Organisation durch die Bereitstellung neuer Kompetenzen die digitale Transformation erfolgreich zu gestalten. Dabei ist eine der größten Herausforderungen, dass sich digitales Fachwissen und heutige Stärken deines Unternehmens auf Augenhöhe begegnen und sich optimal vernetzen. Um das zu erreichen, brauchen CDO’s, verantwortliche Führungskräfte in der Digital-Unit und das Team als Ganzes das Selbstverständnis eines Servant Leaders. Denn meistens werden Digital-Units und ihre digitalen Führungskräfte eben nicht mit den klassischen und hierarchischen Insignien der Macht ausgestattet, der einen stringenten Durchgriff auf Geschäftsbereiche erlauben würde.
Wie eine Digital-Unit dient und führt
Die folgende Gegenüberstellung verdeutlicht, wie die Digital-Unit dient und gleichzeitig führt. Wenn Du mehr über den erfolgreichen Aufbau einer Digital-Unit erfahren möchtest, dann lade dir mein kostenfreies eBook herunter.
Dienen | Führen |
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Digitale Trends (Technologien, digitale Geschäftsmodelle) und deren Relevanz für die strategische Entwicklung des Unternehmens beurteilen | Entwicklung und Abstimmung einer Digitalstrategie |
Bereitstellung digitaler inhouse Kompetenzen und Capabilities (z.B. Entwicklung, UX/UI, Analytics) | Auswahl von digitalen Technologien und Entwicklungsumgebungen |
Konzeption, Entwicklung und Betrieb digitaler Services und Produkte, damit Fachbereiche ihre Ziele erreichen | Zentraler Aufbau digitaler inhouse Kompetenz |
Bereichsübergreifende Koordination digitaler Initiativen zur Vermeidung von Doppelarbeiten und technischen Schulden | Aufbau eines Netzwerks von digitalen Spezialisten (Freelancer, Agenturen, Lösungsanbieter) |
Qualitätssicherung digitaler und technischer Dienstleister, zur Gewährleistung der Investitionssicherheit und Reduktion der “Costs of Ownership” eines digitalen Services | Identifikation der digitalen Werttreiber als Basis für die Entwicklung von digitalen Business Cases und einer digitalen Erfolgsmessung |
Kommunikation der Digitalstrategie und der digitalen Roadmap an die gesamte Organisation | Vorgehensmodelle und Prozesse für die zeitgemäße Entwicklung digitaler Services und Produkte (Kundenzentrierung, agile Projektstrukturen, Analytics) |
Einholen von C-Level Commitment, einer angemessenen Budgetierung für die digitalen Aktivitäten und Verankerung der Digital- in der Unternehmensstrategie | Transparente und gemeinsame Priorisierung der Initiativen mit den Fachbereichen in Einklang mit der Unternehmens- und Digitalstrategie |
Zusammenfassend schuldet die Digital Unit den Erfolg der digitalen Entwicklung des Unternehmens. Das macht sie zum Diener der Organisation. Gleichzeitig führt die Digital-Unit mit digitaler Expertise, mit modernen Prozessen und Vorgehensmodellen. Kritisch wird das nur, wenn Fachbereiche fälschlicherweise glauben, Digitalisierung alleine zu können. Denn leider denken vielen Manager, ein guter Fotograf zu sein, nur weil sie ein Smartphone in der Tasche haben. Dieser Irrglaube ist einer der größten Herausforderungen der Digitalisierung. Denn die digitale Transformation gelingt nur mit einer zentralen und starken Digital-Unit, die sich mit einer selbstlosen Servant Leader Haltung in den Dienst der Organisation stellt.
Agile Coaches als Servant Leader
Das Führungsmodell des Servant Leadership lässt sich auch sehr gut an der Rolle eines agilen Coaches oder eines Scrum Masters verdeutlichen. Dabei ist der Wunsch zu dienen bereits ein wesentlicher Bestandteil der Rolle. Denn als agiler Coach möchtest Du alle Hindernisse aus dem Weg räumen, die dem Erfolg und der Wirksamkeit des Teams im Wege stehen. Bereits die geschichtliche Entwicklung der Scrum Methode verdeutlicht, was die Rolle des Coaches mit Führung zu tun hat. Schließlich ist die Rolle des Scrum Masters aus der Rolle des Entwicklungsleiters hervorgegangen, also einer klassischen Führungsrolle.
Wie Agile Coaches dienen und führen
In meinem Verständnis eines agilen Coaches gehe ich deutlich über die Rolle eines Scrum Masters hinaus. Dabei lasse ich mich von der Fragestellung leiten, wie ein agiler Coach mit einem Servant Leadership Verständnis die agile Transformation seiner Organisation unterstützt.
Dienen | Führen |
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Das Team und den Product Owner darin befähigen und bestärken nach agilen Prinzipien und Werten zu arbeiten | Agile Werte und Prinzipie ; fordern und fördern |
Aufgaben übernehmen, die dem Team im Weg stehen (z.B. allg. Projektorganisation) | Gestaltung des Prozesses z.B. nach der Scrum Methode |
Dem Team alle Hindernisse aus dem Weg räumen, die deren Erfolg und Wirksamkeit im Wege stehen | Disziplin und Transparenz im Prozess einfordern |
Stakeholder “aufklären”, wie agile Teams arbeiten | Das Team zu regelmäßigen Reflektionsprozessen führen (Agile Retrospektive) |
Das Team vor ungewollter Einflussnahme beschützen | Die Gefährdung agiler Werte und Prinzipien bis in die höchste Eskalationsstufe schützen |
An einem einheitlichen Verständnis in der Organisation arbeiten was agiles Arbeiten bedeutet | |
C-Level Commitment für die agile Transformation einholen, inkl. einer Antwort auf die Frage “Was bedeutet Agilität für uns und wofür brauchen wir Agilität?” |
Eltern als Servant Leader
Elternsein ist vielleicht die anspruchsvollste Servant Leadership Aufgabe. Denn Kinder wollen wachsen und die Welt für sich erkunden. Gleichzeitig wollen wir unsere Kinder schützen und ihnen unsere Erfahrungen mit auf den Weg geben.
Helikopter Eltern, die ihren Kindern alles abnehmen oder jeden Wunsch erfüllen, dienen nur, ohne zu führen. Eltern, die ihre (begrenzte) Weltvorstellung zur Welt des Kindes machen (“das geht nicht”, “das macht man so”, “lass das lieber”), die Autonomie ihrer Kinder ungebührend verletzen oder Kinder nur irgendwie in ihren Alltag integrieren, führen nur, ohne zu dienen.
Wer Elternsein als Servant Leadership begreift, der dient indem er seine Kinder dabei unterstützt, ihre Potenziale zu entwickeln. Dabei führen Eltern über einen angemessen Rahmen aus Spielregeln und Werten, in dem Kinder sich entwickeln können.
Voraussetzungen für Servant Leadership schaffen
Servant Leadership ist eine persönliche Haltung, die eigentlich Normalfall und nicht die Ausnahme sein sollte. Denn streng genommen sind wir alle Servant Leader und sollten in unser Rolle als Mitarbeiter den Zielen der Organisation dienen, vom Vorstand bis zum Pförtner. Alle persönlichen Interessen müssen dem höheren Sinn der Organisation untergeordnet sein. Im Idealfall identifizierst Du dich mit den höheren Absichten der Organisation. Kollidiert das zu stark mit deinen persönlichen Interessen, ist es vielleicht Zeit für einen Systemwechsel. Love it, change it or leave it.
Oft stehen diesem frommen Wunsch Ego und Eitelkeiten entgegen. Oder die höheren Ziele der Organisation gingen in der Taylorwanne baden und Mitarbeiter verstehen gar nicht, wofür die Organisation eigentlich besteht und was ihre Ziele und Absichten sind. Dieses Vakuum gibt allen Egozentrikern Platz ihre eigene Agenda nach vorne zu treiben. Auf der Suche nach Identität entstehen Silos und Subkulturen, die eigentlich keiner haben will. Die Frage ist dann nur “wie haben wir es Ihnen beigebracht?”.
Unternehmen, die auf Servant Leadership setzen, brauchen starke Leitbilder, ein intaktes Wertesystem und inspirierende Ziele. Dann sind die Voraussetzungen geschaffen, dass Servant Leadership auch wirklich wachsen und gedeihen kann.
Fazit - Servant Leadership ist eine Wahl. Und zwar deine.
Servant Leadership ist ein Führungsmodell, das zwar schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat, aber im Zuge der digitalen Transformation aktueller ist denn je. Denn Organisationen, ihre Führungsverantwortlichen und Mitarbeiter brauchen ein neues Selbstverständnis, um in dynamischen und komplexen Umgebungen zurecht zu kommen. Dabei ist eine konsequente Auseinandersetzung mit dem Sinn, den Zielen und dem kulturellen Selbstverständnis einer Organisation eine wichtige Voraussetzung, damit Servant Leadership nachhaltig gedeihen kann.
Schließlich ist Servant Leadership mehr als ein statisches Führungsmodell. Vielmehr ist es eine Frage (d)einer Haltung, wie Du Kollegen und Mitarbeitern ab morgen gegenüber trittst. Damit stärkst Du tiefliegende menschliche Grundbedürfnisse wie Verbundenheit und Sicherheit. Denn verschiedene Studien haben bereits gezeigt, dass Servant Leadership die Zufriedenheit der Mitarbeiter fördert. Und ganz nebenbei baust Du Silodenken ab, überwindest Bereichsgrenzen und schaffst es vielleicht egoistische Interessen aus der Organisation zu verbannen.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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