Digitale Neuordnung Agilität Agilität im Unternehmen – Die hohe Kunst, mit Dynamik und Komplexität umzugehen

Agilität im Unternehmen – Die hohe Kunst, mit Dynamik und Komplexität umzugehen

31. März 2023

Agilität

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Agilität im Unternehmen – Die hohe Kunst, mit Dynamik und Komplexität umzugehen

31. März 2023

von

Andreas Diehl

Agilität ist eine Kompetenz von Teams und Organisationen, schneller als der Wettbewerb auf neue Anforderungen zu reagieren und sich bietende Chancen zu ergreifen. Damit ist Agilität im Unternehmen eine Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert. Erst recht für die erfolgreiche Gestaltung der digitalen Transformation.

In diesem Beitrag erfährst Du, was es bedeutet “agil” zu sein, wie Du Agilität erzielst und vor allem wie sie deiner Organisation hilft.

TLTR – Agilität in a nutshell

  • Agilität ist die Fähigkeit einer Organisation, schneller als der Wettbewerb auf neue Anforderungen zu reagieren und sich bietende Chancen zu ergreifen.
  • Agilität befähigt eine Organisation unter (hoher) Unsicherheit zu arbeiten.
  • Agilität ist ein Gegenentwurf zu funktionaler Organisation in “Abteilungen”. Stattdessen organisierst Du Arbeit dezentral in einem Netzwerk von crossfunktionalen Teams. 
  • Agilität setzt auf eine hohe und regelbasierte Kommunikation und Synchronisation, damit die gewährte Autonomie nicht im Chaos endet.
  • Agilität ist eine Schlüsselkompetenz für die erfolgreiche Gestaltung der digitalen Transformation und eine (die einzige) Antwort auf zunehmende Dynamik und Komplexität.

Agilität – Was bedeutet agil sein?

Agilis (lat.) = gewandt, wendig, flink

Ganz allgemein steht Agilität für eine hohe Beweglichkeit. Im engeren Sinn bedeutet Agilität für ein Unternehmen, sein Geschäftsmodell und seine Organisation in kurzer Zeit, schneller als der Wettbewerb auf neue Marktanforderungen und sich bietende Chancen auszurichten. Dazu zählen eine strategische aber auch strukturelle Beweglichkeit, um Köpfe und Ressourcen bestmöglich auf aktuelle Anforderungen und die besten Chancen auszurichten.

Die Hauptmerkmale agiler Arbeit

Agilität im Unternehmen ist durch drei wesentliche Merkmale gekennzeichnet. Erstens sind agile Organisationen beweglich, d.h. Du hast einen großen Bewegungsradius und kannst bei Bedarf auch eine 180 Grad Drehung vornehmen. Das betrifft operative und strategische Entscheidungen gleichermaßen. Zweitens kannst Du Kursänderungen schnell vornehmen, das heißt, eine Organisation verliert sich nicht in zähen und langen Abstimmungsrunden. Und drittens bedeutet Agilität eine dauerhaft hohe Synchronisation. Das heißt, die gesamte Organisation kennt Ziele, Strategien und versteht, diesen Kurs zu halten und mitzugestalten. Erst wenn diese drei Merkmale gemeinsam erreicht werden, hast Du eine hohe Agilität in deinem Unternehmen erreicht. Und daraus resultiert eine große unternehmerische Stärke.

Bierdeckelformel für Agilität in drei Bildern: Kolibri (Beweglichkeit), Geparden (Geschwindigkeit), Vogelschwarm in Formation (Synchronisation)
Meine Bierdeckelformel für Agilität – Quelle: Andreas Diehl

Nokia: Anpassungsfähig aber nicht agil

Agilität im Unternehmen wird oft nur auf Anpassungsfähigkeit reduziert. Aber schau dir dazu einfach die Geschichte von Nokia an. War Nokia anpassungsfähig? Ja, auch Nokia produziert heute Smartphones. Es hat “nur” einen beinahe Bankrott und ein paar Jahre gebraucht, bis der finnische Riese seinen Wettbewerber Apple und Smartphones wirklich ernst genommen hat. Das heißt, Nokia fehlte Geschwindigkeit und Synchronisation gepaart mit einer maßlosen Selbstüberschätzung. Das ist ein einfacher Gegenbeweis, warum es zu kurz gesprungen ist, Agilität nur auf Anpassungsfähigkeit zu reduzieren.

Auszug aus einem News-Artikel von 2007. Nokia-Reaktion auf Apples iPhone - "Wir haben ein Jahr Vorsprung". Apples iPhone könnte den Markt für Multimedia-Handys gewaltig durcheinanderwirbeln. Der finnische Handyhersteller Nokia fürchtet die neue Konkurrenz mit dem Apfellogo jedoch kaum, wie Firmensprecher Kari Tuuti im Interview mit SPIEGEL ONLINE sagte.
Nokias Reaktion auf die Veröffentlichung des iPhones in 2007 – Quelle: Spiegel Online

Weitere agile Mis(t)verständnisses

Darüber hinaus gibt es weitere zahlreiche Mis(t)verständnisse, was Agilität ist. Deswegen hier mein “Best Of” der Dinge, die sicher lohnens- und erstrebenswert sind, dafür aber garantiert nichts mit Agilität zu tun haben:

  • Homeoffice
  • Digitale Tools und Werkzeuge
  • Hippe Büros, offene Arbeitsbereiche, Kickertische
  • “Einfach mal machen” und keinen Plan haben
  • Unverbindlichkeit und kurzfristige Terminverschiebungen
  • Bunte Poster im Büro mit VUCA blabla

Agilität ist eine unternehmerische Kompetenz, die dein Unternehmen in die Lage versetzt, sich in dynamischen und komplexen Umfeldern zu bewegen. Und diese Kompetenz geht weit über die Veränderung von Umwelt- und Verhaltensänderungen hinaus.

Warum Agilität wichtig ist – Die Grenzen funktionaler Organisationen

Um zu verstehen, warum Agilität eine Schlüsselkompetenz für Unternehmen ist, solltest Du zuerst reflektieren, wie wir heute Arbeit und Unternehmen organisieren. Dabei ist eine funktionale Arbeitsteilung nicht nur das erstbeste, sondern gleichzeitig scheinbar auch das einzige Organisationsmodell, das uns in den Sinn kommt. Das heißt, wir zerlegen Arbeit entlang einer Wertschöpfungskette (Produktion, Marketing, Verkauf, HR, Finance usw.). Dann schreiben wir “Abteilung” drüber und ernennen “Abteilungsleiter”, damit diese Abteilung auch möglichst lange Bestand hat. Wie die Lemminge tapsen wir blindlings einer Idee hinterher, die mit Frederick Taylor seinen Anfang nahm und über hundert Jahre alt ist. Im Management fahren wir sozusagen noch Kutsche. Und das macht Unternehmen mehr Probleme als ihnen lieb ist.

Womit Taylor richtig lag 

Frederick Taylor erkannte, dass es doch deutlich effizienter und weniger fehleranfällig ist, wenn wir Arbeitsschritte fein säuberlich unterteilen. Das heißt, jeder im Wertschöpfungsprozess beteiligte Kollege führt einen Arbeitsschritt aus und übergibt dann an den nächsten. Zusätzlich etablierst Du einen Manager, der mit Stoppuhr daneben steht und schaut, dass alles wie am Schnürchen läuft und am Ende der Werkbank auch das gewünschte Arbeitsergebnis rauskommt. Diese Art der funktionalen Arbeitsteilung eignet sich hervorragend für algorithmische Arbeiten, also Tätigkeiten, bei denen Anforderungen abschließend definiert und Lösungswege bekannt sind. In einem Umfeld, das weitgehend stabil ist, kannst Du dich also mit einer “more from the same” Strategie wunderbar (global) ausbreiten. Dein Fokus sind eine hohe Verlässlichkeit, geringe Fehleranfälligkeit und die Fähigkeit große Mengen zu produzieren. Diese Bedingungen haben funktionale Organisationen hervorgebracht, die wie ein Uhrwerk funktionieren und gut darin sind, ein bekanntes Geschäftsmodell effizient zu exekutieren.

Gezeigt wird die Grafik „Taylorwanne“, die den Abfall und Anstieg von Komplexität und Dynamik in der geschichtlichen Entwicklung der Weltmärkte zeigt.
Die Taylorwanne verdeutlicht die Entwicklung von der lokalen Manufaktur bis ins digitale Zeitalter. Quelle: Werkstatt für kollegiale Führung

Die Farben rot und blau

In Darstellungen wie der Taylorwanne haben sich die Farben rot und blau etabliert. Dabei steht blau für eine Welt mit überwiegend kausalen Anteilen, also eindeutigen Ursache-Wirkungsbeziehungen oder eben algorithmische Arbeiten. Dagegen steht rot für Umfelder, die sich durch eine hohe Komplexität auszeichnen. Also Umwelten, die durch Wechselwirkungen gekennzeichnet sind, die ich eben nicht mehr abschließend beschreiben kann, in denen es um Wissensarbeit und heuristische Tätigkeiten geht. Diese Umfelder werden auch mit den Akronymen SSEE und VUKA beschrieben.

Gegenüberstellung SSEE und VUKA. SSEE steht für stabil, sicher, einfach, eindeutig. VUKA steht für volatil, unsicher, komplex, ambivalent.
Von SSEE zu VUKA ©Andreas Diehl

Willkommen im roten Bällebad

Mit dieser funktionalen Arbeitsteilung stolpern Unternehmen nun in die VUKA Welt. Das heißt, auf der einen Seite Organisationen, die unter stabilen Rahmenbedingungen (SSEE) groß und erfolgreich geworden sind. Auf der anderen Seite enge (globale) Märkte, die von rasanten technologischen Entwicklungen geprägt sind. Die daraus resultierenden Anforderungen bringen funktional hierarchische Organisationen zunehmend an ihre Grenzen.

  • Unternehmen sind mit völlig neuen Ökosystemen, Wettbewerbern und Märkten konfrontiert. Dabei sind Unternehmen zu langsam in ihren Abstimmungsprozessen und können mit den Entwicklungen nicht mithalten.
  • Aufgrund einer zunehmend vernetzten (digitalen) Wertschöpfung und neuen Kundenanforderungen steigt die interne Vernetzungsdichte. d.h. es sind mehr bereichsübergreifende Abstimmungen notwendig.
  • Unternehmen verschwenden Unsummen in Doppelarbeiten, mit Zielkonflikten und in elendigen Abstimmungsrunden. 
  • Kapital & schlaue Köpfe sind in “Abteilungen” gefangen und werden dort gehortet, statt sie produktiv und flexibel einzusetzen.
  • Anforderungen an die Performance eines Unternehmens steigen, gleichzeitig sind diese Anforderungen zunehmend gegensätzlicher. Kunden wollen hohe Qualität, gleichzeitig schnell und zu fairen Preisen. Unternehmen müssen effizient und verlässlich arbeiten, müssen aber gleichzeitig innovativ sein.
  • Neue Geschäftsmodelle entstehen, bestehende Geschäftsmodelle stoßen an ihre Profitabilitätsgrenzen. Vielfach müssen sich Unternehmen in voller Fahrt und aus dem laufenden Geschäft neu erfinden.
  • Neue (digitale) Kompetenzen müssen im Unternehmen verankert werden und mit dem bisherigen fachlichen Wissen vernetzt werden.

Mit diesen Entwicklungen können Unternehmen nur dann mithalten, wenn sie ihre Aufbau- und Ablaufstrukturen grundlegend überdenken. 

Agilität gelingt über Strukturen und Kulturen

Agile is the best kept management secret on the planet.

Steven Denning

Agilität im Unternehmen bedeutet im Kern, deine Aufbau- und Ablauforganisation neu auszurichten. Weg von einer funktionalen hierarchischen Aufbauorganisation, hin zu einer dezentralen Netzwerkorganisation. Dabei basiert eine agile Organisation im Kern auf folgenden Elementen:

  • End-to-end Organisation entlang Wertströmen, Produkten und Geschäftsmodellen.
  • Kleine autonome Einheiten, crossfunktionale Teams von max. 10 Personen, Bereiche bzw. “Teams of Teams”, wenn mehrere Teams gemeinsam an der Leistungserbringung arbeiten.
  • Disziplinierte Regelwerke und Kommunikationsprotokolle für transparente Synchronisation aller Beteiligten.
  • Differenziertes Führungsverständnis, d.h. es gibt nicht einfach nur eine “Führungskraft”, sondern Führung ist auf mehrere Führungslinien verteilt.

Dabei definieren agile Methoden ein explizites Regelwerk für deine Zusammenarbeit. Gleichzeitig vertraust Du und arbeitest Du daran, dass durch neue Strukturen auch Interaktionen und eine Kultur entsteht, die eine permanente Weiterentwicklung fordert und fördert.

Gegenüberstellung der Hierarchien des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Hierarchie des 20. Jhd. ist funktional, zentral und hierarchisch. Die des 21. Jhd. ist cross-funktional, de-zentral und vernetzt.
Agilität: weg von funktionaler Hierarchie, hin zu dezentralen Netzwerken – Quelle: Andreas Diehl

Doing Agile – Agile Methoden

Agile Methoden sind konkrete Vorgehensmodelle um Agilität im Unternehmen zu operationalisieren. Dazu zählen zum Beispiel Frameworks wie Scrum, OKR, das Spotify Modell oder die Helix Organisation. In diesen Rahmenwerken werden typischerweise folgende strukturgebende Elemente für Teams oder ganze Organisationen definiert. 

  1. Strukturen und Rollen: Definition von Aufgaben und Verantwortungen, mit dem Ziel crossfunktionale Einheiten mit möglichst hoher Autonomie zu gründen, als Gegenentwurf zu funktionalen Abteilungen in einer klassischen Hierarchie.
  2. Praktiken, Aktivitäten: Regeln und Abläufe für die Gestaltung der Zusammenarbeit (bspw. ein “Standup-Meeting” oder Retrospektiven).
  3. Taxonomie und Artefakte: Werkzeuge und Begriffsgebungen, die die Zusammenarbeit erleichtern bzw. eine gemeinsame Sprache schaffen.

Diese methodischen Aspekte der Agilität sind sehr gut sicht- und greifbar. Allerdings auch nur die halbe Miete. Denn Agilität manifestiert Du auf Dauer nur, wenn gewisse Werte und Prinzipien gelebt werden. In diesem weiterführenden Artikel findest Du eine Übersicht der wichtigsten agilen Methoden.

Illustration der agilen Pyramide. Von unten nach oben: Werte, Prinzipien, Praktiken/Abläufe, Strukturen.
Agile Pyramide: Agilität als Ergebnis von Strukturen & Kulturen. © Andreas Diehl

Being Agile – Agiles Mindset

Über diese methodischen Aspekte hinaus führst Du Agilität über ein Set von unabdingbaren und gewünschten Verhaltensweisen zum Erfolg.

  1. Kundenzentrierung: Bei allem, was Du tust, hast Du den Kunden im Kopf.
  2. Iteratives Arbeiten, d.h. Du arbeitest in kurzen Intervallen und gehst sehr diszipliniert in eine permanente Überprüfung und Anpassung deiner Maßnahmen. 
  3. Konkrete Arbeitsergebnisse sind das wichtigste Fortschrittsmaß, nicht was Du gesagt oder gedacht hast.
  4. Autonomie, Selbstorganisation, d.h. Du gehst davon aus, dass Menschen und Mitarbeiter alt und kompetent genug sind, eigene gute Entscheidungen im Sinne der Organisation zu treffen.
  5. Ziele & Visionen: Damit die gewährte Autonomie nicht im Chaos endet, setzt Du auf starke inspirierende Leitbilder.
  6. Kontinuierliche Verbesserung: Jeder Einzelne, jedes Team, die gesamte Organisation ist motiviert durch den Wunsch, sich immer weiter zu verbessern (jap. “Kaizen”). Das erfordert vor allem eine ausgeprägte Fehlerkultur.
  7. Transparenz: Informationen werden geteilt und frei zur Verfügung gestellt.

Agile Prinzipien und Werte sind die kulturelle Basis, auf der Agilität überhaupt erst gedeihen kann. Allerdings wäre es ein Fehlschluss zu glauben, dass Du erst das Mindset ändern musst, um dann die Strukturen zu ändern. Denn im Verständnis des System Thinking sind agile Strukturen der wichtigste Hebel, um auch das gewünschte Mindset zu fördern. Auch wenn dieser Weg manchmal etwas mühsam ist.

Wenn Agilität schließlich Früchte trägt 

Agilität im Unternehmen ist nicht nur eine Antwort auf steigende Komplexität und Dynamik. Sondern agil zu sein schafft echte Werte und Vorteile für deine Organisation:

  1. Innovation: Unternehmen, die sich konsequent agil organisieren ist per default innovativ(er). Einfach weil Du Menschen den Freiraum gibst, das zu tun, was sie im Sinne der Organisation für richtig halten. Gleichzeitig kannst Du das Spannungsverhältnis zwischen der Ausschöpfung des heutigen Geschäftsmodells (Exploit) und Innovation (Explore) deutlich besser managen (Ambidextrie).
  2. Flexible Ressourcenallokation: Heute sind Budgets und schlaue Köpfe in Abteilungen gefangen, in agilen Organisationen kannst Du beides deutlich einfacher neu allokieren.
  3. Engagement: Du bringst Mitarbeiter deutlich stärker in Verantwortung und stärkst damit ihr Engagement und Verbundenheit. 
  4. Time to Market: Du bist mit deinen Leistungen schneller am Markt, weil Du sehr nah mit dem Kunden in iterativen Schritten entwickelst. 
  5. Produktiver: Agil sein heißt weniger Koordination, weniger Kontrolle und damit auch weniger Overhead und administrativer Aufwand. 
  6. Höhere Qualität: Agilität heißt am Ende auch die Suppe auslöffeln, die man sich eingebrockt hat. Deswegen tendieren agile Organisationen zu einer höheren Qualität, weil Fehler und schlampige Arbeit nicht mehr delegiert werden.
Die Vorteile: 30 % mehr Mitarbeiterengagement, 35 % höhere Produktivität, 50 % schnellerer Time-to-Market, 50 % höhere Qualität
Agil sein zahlt sich aus. Quelle: SAFe

Agilität zum Leben erwecken – Deine ersten agilen Schritte

Um Agilität in deinem Unternehmen zu etablieren, kannst Du auf verschiedene Wege und Strategien setzen, die von der Größe, der Beschaffenheit deiner Organisation, aber sicher auch deinem Mut abhängen.

  1. Big Bang, d.h. Du stellst Strukturen und Laufwege einer Organisation zu einem Stichtag mit entsprechendem Onboarding um. Das kann je nach Größe und Beschaffenheit deiner Organisation ein wenig Vorarbeit brauchen, tendenziell ist diese eine Strategie auch eher für kleine Organisationen geeignet.
  2. Soft Launch: Du stellst einzelne Organisationseinheiten um, z.B. die IT, die Produktentwicklung, das Marketing etc. Dabei darfst Du besonders darauf achten, dass vor allem die Übergänge von den neuen agilen zu den alten traditionellen Organisationseinheiten durch starke Führung begleitet werden.
  3. Projektorganisation: Bei diesem Vorgehen etablierst Du Agilität zunächst nur auf einer Projektebene. Dabei identifizierst Du ganz sicher die ersten organisationalen aber auch kulturellen Hürden, um Agilität in deinem Unternehmen dauerhaft zum Leben zu erwecken. Unabdingbar dafür ist eine agile Projektorganisation.
  4. OKR (Objectives & Key Results): OKR sind ein leichtgewichtiges Rahmenwerk, um Agilität in deinen heutigen Strukturen einfach zum Leben zu erwecken. Wie auch bei der Etablierung von Agilität im Rahmen einer Projektorganisation sind OKR ein guter Spiegel, wie es um die agile Reife deiner Organisation bestellt ist.

Bevor Du loslegst

Für welche Strategie Du dich auch entscheidest, Agilität in deinem Unternehmen zum Leben zu erwecken, hier ein paar allgemeine Tipps für ein Vorgehen: 

  1. Erkläre, warum und wofür Agilität für deine Unternehmen wichtig ist, wo es aktuell “schmerzt” und was Du dir vom agilen Wandel erhoffst.
  2. Reflektiere eure aktuelle (Führungs-)Kultur und erlaube dir eine Einschätzung, wie sehr Mitarbeiter bereit sind, in die Selbstorganisation zu gehen.
  3. Etabliere ein Team, das die agile Transformation als Servant Leader anführt und die Heimat der agilen Coaches sein wird.
  4. Nimm dir Zeit, Teams zu befähigen, vor allem aber dauerhaft durch agile Coaches oder OKR Master begleiten zu lassen.

Agilität – FAQ

Wo hat Agilität seinen Ursprung?

Seinen unmittelbaren Ursprung hat Agilität in der Softwareentwicklung. Dort bedeutet Agilität, eine Software unter Einbeziehung des Kunden in kleinen iterativen Schritten permanent weiterzuentwickeln. Erste methodische Ansätze dafür kommen mit Scrum und Extreme Programming aus den 1990er-Jahren, das agile Manifest (2001) bietet schließlich einen allgemeineren Überbau. Zweifelsohne ist Agilität jedoch auch stark durch die Lean Philosophie geprägt. Zudem findest Du erste Ansätze für agile Organisationen bereits in den 1970er-Jahren (Soziokratische Organisationen).

Erst Kultur dann Struktur?

Ich werde oft gefragt, ob ein Unternehmen nicht erst seine Kultur ändern müsse, bevor Agilität gelebt werden kann. Meine kurze Antwort darauf: Nein. Denn ich glaube, dass sich eine Kultur nie in bestehenden Strukturen ändern kann. Deswegen ist mein Rat immer erst die Strukturen zu ändern, damit eine neue Kultur entstehen kann. Diese kulturelle Entwicklung darf dann gut begleitet werden. Das ist der Punkt, an dem starke agile Coaches extrem wichtig sind. Zudem darfst Du in Kauf zu nehmen, dass Agilität nicht für jeden Mitarbeiter gemacht ist und manch einer vielleicht einen Arbeitsplatz vorzieht, an dem er gesagt bekommt, was zu tun ist.

Führt Agilität zu Chaos?

Nein. Agilität ist im Kern ein sehr diszipliniertes, regelbasiertes Organisationskonzept mit hoher Transparenz. In einer agilen Organisation merkst Du also schnell, wenn Bestrebungen in eine unerwünschte Richtung laufen. Die Gewährung von Autonomie endet nur dann im Chaos, wenn Du nicht gleichzeitig für eine hohe Synchronisation und damit einhergehendes Alignment sorgst.

Heißt Agilität führungslos arbeiten?

Auf keinen Fall. Jedoch wird Führung in einem agilen System anders bzw. neu definiert. Zum einen führst Du über zentrale Leitbilder (Purpose), Ambitionen, Ziele und eine klare Strategie. Darüber hinaus leitest Du Führung nicht aus einer formalen Hierarchie ab, sondern besetzt und definierst entsprechende gleichberechtigte Führungsrollen (z.B. Product Owner, Agile Coaches). Und drittens betrachtest Du Führung sehr differenziert. So hast Du z.B. eine inhaltliche Führung (WAS machen wir), eine prozessuale Führung (WIE arbeiten wir zusammen) bis hin zu einer Führungslinie, die sich um die zielgerichtete Kompetenzentwicklung kümmert. Das heißt, agile Führung ist nicht ganz so eindeutig wie in traditionellen Organisation, dafür deutlich wirksamer.

Ist Agilität nur was für IT und Software?

Nein. Auch wenn Agilität seinen Ursprung in der Softwareentwicklung hat, ist Agilität ein universales Organisationskonzept. Dabei ist jedoch entscheidend, dass Du dich mit grundlegenden Prinzipien agiler Arbeit vertraut machst, statt dich zu früh in einen möglicherweise zu engen methodischen Rahmen zu begeben. Am Ende darf ohnehin jedes Unternehmen seinen eigenen Weg zur agilen Organisation finden und gestalten. Für die Entwicklung von Agilität im Unternehmen gibt es keine Patentrezepte.

Schafft Agilität nicht mehr Overhead?

Vordergründig kannst Du durchaus den Eindruck gewinnen, dass Agilität und damit verbundene Rahmenwerke sehr abstimmungs- und kommunikationsintensiv sind. Sind sie auch. Aber eben sehr regelbasiert, diszipliniert und immer mit einer klaren Timebox. Dem stehen die versteckten Kosten gegenüber, die deine Organisation heute schon durch unnötige Meetings, Doppelarbeiten und fehlende Synchronisation verursacht. Ganz zu schweigen von den überflüssigen Ausgaben für koordinierende Rollen, unnötige Hierarchieebenen und ein unproduktives Middle-Management. Auch wenn das nicht dein Ziel sein sollte, mit Agilität sparst Du am langen Ende auch noch.

Fazit – Agilität ist deine Zukunft

Agilität ist kein Selbstzweck, sondern deine unternehmerische Antwort auf neue Marktanforderungen, steigende Komplexität und Dynamik im 21. Jahrhundert. Dabei zeichnet sich Agilität durch eine hohe Beweglichkeit, Synchronisation und Geschwindigkeit aus. Das erreichen Unternehmen, in dem sie sich in Netzwerken organisieren, viel Entscheidungsautonomie in Teams delegieren, sich über eine sehr disziplinierte Kommunikation und regelbasierte Aktivitäten immer wieder auf einen einheitlichen Stand bringen. Wenn das gelingt, dann entfaltet Agilität nicht nur eine ungeheure Stärke und Kraft, sondern ist auch ein unnachahmlicher Wettbewerbsvorteil.

Viel Erfolg dabei.

Signatur des Blog Autors Andreas Diehl.

Zusätzliche Ressourcen

Buch

Unkompliziert!: Das Arbeitsbuch für komplexes Denken und Handeln in agilen Unternehmen

Ein schön illustriertes und anschauliches Buch zum Thema systemisches Denken und dem Umgang mit Komplexität.

Cover: Stefanie Borgert: Unkompliziert!: Das Arbeitsbuch für komplexes Denken und Handeln in agilen Unternehmen.

Lunch & Learn

7 ± 2 Faktoren, die deine Agilität bestimmen

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Über den Autor

Andreas Diehl

Mein Name ist Andreas Diehl. Ich blogge und berate zu digitaler Transformation und agiler Organisationsentwicklung. Futter für meine Beiträge sind 23 Jahre Digital Business und Erfahrungen aus über 12 Jahren Beratung.

3 Antworten

  1. Avatar von Andreas Diehl
    Andreas Diehl

    Hi Lena,

    der Artikel ist vom 13.06.2019.

    Viele Grüße,
    Andreas

  2. Avatar von Lena Hütter
    Lena Hütter

    Sehr geehrter Herr Diehl,

    ich finde Ihre Definition von Agilität sehr zutreffen. Wann haben Sie den Artikel veröffentlicht?

    Mit freundlichen Grüßen

    Lena Hütter

  3. Avatar von Gloor Eveline
    Gloor Eveline

    Guten Tag Herr Diehl

    Oh mein Gott, sie sprechen mir mit folgender Aussage aus dem Herzen:

    Die Verwechselung von Flexibilität und Agilität führt zu weiteren Miss(t)verständnissen. Deswegen hier meine “best of” der Dinge, die sicher lohnens- und erstrebenswert sind, dafür aber garantiert nichts mit Agilität zu tun haben:

    Homeoffice
    Digitale Tools und Werkzeuge
    Hippe Büros, offene Arbeitsbereiche, Kickertische
    “Einfach mal machen” und keinen Plan haben
    Unverbindlichkeit und kurzfristige Terminverschiebungen
    Viele bunte Poster an den Wänden mit möglichst viel Fremdwörtern und VUCA blabla

    Genau diese Aussagen meines ehemaligen Arbeitgebers war 1. die Motivation zum Titel meiner Diplomarbeit “Hybrides Projektmanagement” und 2. für meine Kündigung. 😉

    Ich erlebe es immer wieder, dass Flexibilität mit Agilität gleichgesetzt wird. Ich arbeitete mehrere Jahre in der Schweizer Bundesverwaltung und nun im Consulting, mit dem Ziel, die Unternehmen und Behörden darüber aufzuklären, was Agilität bedeutet und dass sie nicht nur von den Mitarbeitenden eingefordert werden kann, sondern ganz oben im Management anfangen muss.

    Der obige Abschnitt zitiere ich sehr gerne in meiner Arbeit!

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