Agile Frameworks – Rahmenwerke und Spielregeln für agile Organisationen
Agile Frameworks definieren Strukturen und Regelwerke für agile Zusammenarbeit in einer Organisation. Durch den Einsatz dieser agilen Vorgehensmodelle erzielen Unternehmen eine höhere Geschwindigkeit, mehr Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft.
In diesem Beitrag stelle ich dir die wesentlichen Merkmale und die wichtigsten agilen Frameworks vor. In weiterführenden Beiträgen kannst Du dich dann vertieft zu den jeweiligen Vorgehensmodellen einlesen.
Agile Frameworks Übersicht
Agile Frameworks definieren Spielregeln für die Zusammenarbeit nach agilen Prinzipien. Dazu setzen agile Frameworks auf mehrere Bausteine:
- Rollen & Strukturen: Agile Frameworks definieren einen organisatorischen Rahmen für den Aufbau von Teams und die Besetzung von Rollen innerhalb der Organisation.
- Meetings und Aktivitäten: Agile Frameworks definieren Routinen und Abläufe, wie Teams miteinander interagieren.
- Werkzeuge und Artefakte: Agile Frameworks definieren Werkzeuge, die Teams und einer Organisation helfen, ihre Arbeit zu organisieren und zu erledigen.
Dabei setzen agile Frameworks auf crossfunktionale Teams, die ständige Einbeziehung des Kunden, Selbstorganisation und die kontinuierliche Bereitstellung von fertigen Arbeitseinheiten.
Mehrwert agiler Frameworks
Mit agilen Frameworks skalierst Du agile Arbeitsweisen auf ausgewählte Unternehmensbereiche oder eine gesamte Organisation. Damit lösen agile Frameworks eine scheinbar paradoxe Aufgabe.
Wie kannst Du eine Organisation auf gemeinsame Ziele und Interessen ausrichten und gleichzeitig Selbstorganisation und die Autonomie einzelner Teams fördern?
Mit der Lösung dieser Aufgabe profitieren Organisationen durch den Einsatz agiler Frameworks auf mehrere Ebenen:
- Geschwindigkeit: Time to Market
- Anpassungsfähigkeit: bessere Reaktion auf Chancen und Risiken
- Kundennähe und damit verbundene Innovationskraft
- Mitarbeiterbindung durch höhere Autonomie und stärkere Verantwortung
- Recruiting: Vorteile im Kampf um moderne Wissensarbeiter
Agile Frameworks nur für Softwareunternehmen?
Klares Jein. Natürlich haben agile Frameworks ihren Ursprung in der IT und der Softwareentwicklung. Entsprechend passen einige der hier vorgestellten Modelle wie z.B. SAFe oder Scrum vor allem zu Digital- und IT-Organisationen. Jedoch sind agile Frameworks wie z.B. OKR oder das Spotify Modell universell einsetzbar. Generell würde ich sagen, dass der Einsatz agiler Frameworks alternativlos ist, wenn Du ein digitales Geschäftsmodell betreibst oder ein Großteil deiner Wertschöpfung auf Software oder IT basiert. Für alle anderen Geschäftsmodelle und Branchen sind agile Frameworks vor allem unter folgenden Voraussetzungen sinnvoll:
- Komplexität: Deine Organisation ist mit Aufgaben konfrontiert, die nicht abschließend beschrieben werden können, durch viele Variablen und Abhängigkeiten gekennzeichnet sind.
- Hohe Unsicherheit, d.h. Anforderungen an deine Organisation verändern sich laufend.
Wenn Du mit den typischen Parametern einer VUCA Umgebung konfrontiert bist, dann kommst Du um den Einsatz agiler Methoden kaum noch umher.
Einordnung und Abgrenzung agiler Frameworks
Die agile Werkzeug- und Methoden-Kiste ist voll mit Begrifflichkeiten. Auch wenn Übergänge fließend sind, ordnen sich agile Framework in eine Reihe von verschieden agilen Vorgehensmodellen ein:
- Agile Praktiken sind einfach anzuwendende Werkzeuge, sozusagen eine Zutat.
- Agile Methoden definieren konkrete Vorgehensmodelle meistens für einzelne Teams, das wäre analog ein Kochrezept oder ein Gericht.
- Agile Frameworks definieren den Aufbau und Ablauf einer gesamten Organisation, das ist sozusagen ein kompletter Ernährungsplan von A bis Z.
Wie gesagt sind die Übergänge fließend und nicht immer trennscharf.
Die acht wichtigsten agilen Frameworks
In diesem Beitrag gehe ich kurz auf die wichtigsten agilen Frameworks ein. Ich starte mit den technisch orientierten agilen Frameworks. Das heißt, diese Vorgehensmodelle sind für Digital-, IT- und Software-Organisationen relevant. Ergänzend zu diesen agilen Frameworks solltest Du dir unbedingt auch die Team Topologies anschauen.
Im Anschluss stelle ich zwei agile Frameworks vor, die Du auch flankierend zu deiner heutigen Organisation einsetzen kannst:
Und zum Abschluss noch drei agile Frameworks, die einen direkten Einfluss auf deine aktuellen Organisations- und Führungsstrukturen haben:
One Team Scrum
Das Scrum Framework ist sicherlich das bekannteste agile Framework. Im Kern basiert Scrum auf den folgenden wichtigen Konzepten:
- Rollen: Das Scrum-Team besteht aus einem Product Owner, einem Scrum Master und Entwicklern.
- Sprints: Teams arbeiten in kurzen Iterationsstufen von 1-4 Wochen an der Fertigstellung konkreter Arbeitsergebnisse.
- Events: Jeder Sprint startet mit einem Planning, endet mit einer Review und Retro. Daily Standups halten das Team täglich auf dem aktuellen Stand.
- Artefakte: Das Scrum Framework definiert eine Reihe von wichtigen Werkzeugen und Hilfsmitteln (Backlog, Definition of Done etc.), die Teams helfen Arbeit zu organisieren
Dabei ist die Scrum-Methode ein sogenanntes “One Team Scrum”, d.h. ein einzelnes Team arbeitet mit bis zu 10 Personen nach Scrum.
Skaliertes Scrum: LeSS, Nexus, Scrum@Scale
Über das einfache Scrum hinaus gibt es drei agile Frameworks, mit denen Du Scrum auf eine gesamte Organisation skalierst: LeSS, Nexus, Scrum@Scale. Diese skalierten Frameworks basieren im Kern auf Scrum und definieren ergänzende Regeln.
- Skalierte Events, d.h. jedes Scrum-Event findet auf einer Team- und einer übergeordneten Organisationsebene statt.
- Artefakte wie Backlogs und Definition of Done sind analog zum Scrum-Framework, gelten dann aber u.U. für die gesamte Organisation.
- Neue Rollen: Manche der skalierten Scrum Frameworks schaffen neue Rollen und Teams, die bei der Synchronisation der Teams unterstützen.
- Product Owner: Grundsätzlich haben skalierte Scrum-Versionen unterschiedliche Ideen, wie sie mit der Verantwortung des Product Owners umgehen.
In unserem Arbeitsblatt erfährst Du mehr über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der skalierten Scrum Frameworks.
SAFe - Scaled Agile Framework
Ein weiteres technisch orientiertes agiles Framework ist das Scaled Agile Framework (SAFe). Dazu setzt SAFe auf mehrere Kernprinzipien und ergänzt diese mit einer Reihe von Rollen, Aufgaben, Praktiken und Arbeitsabläufen.
Dabei geht SAFe deutlich weiter als andere agile Frameworks, betrachtet Agilität sehr ganzheitlich und hat als einziges agiles Framework auch Vorgehensmodelle für die strategische Planung und die Priorisierung von Initiativen (“Lean Portfolio Management”). Damit ist SAFe das einzige agile Framework, das konsequent auch das dritte Flight Level bedient. Wie Du jedoch bereits am Aufbau des agilen Rahmenwerks erkennen kannst, ist SAFe sehr umfangreich. Aufgrund der Komplexität und des Aufwands, der mit der Einführung verbunden ist, ist SAFe wirklich nur für große IT Organisationen und vor allem Beratungen interessant, die die Implementierung begleiten. In meinem Verständnis und im Vergleich zu anderen agilen Frameworks ist SAFe überreguliert und zu kompliziert.
Helix - Der Matrix entkommen
Die Helix Organisation ist ein sehr leichtgewichtiges agiles Framework, dessen Namensgebung auf McKinsey zurückgeht. Die grundlegende Spielregel in der Helix: Es gibt zwei voneinander unabhängige Führungslinien.
- Die “Value Creation” Linie definiert inhaltliche Prioritäten, übernimmt die fachliche Führung und kümmert sich um die operative Umsetzung.
- Die “People” Linie ist für die personelle Führung und Weiterentwicklung zuständig.
Wenn Du dem Gedanken der Helix folgst, entstehen daraus viele tolle Möglichkeiten für die Entwicklungen deiner Organisation.
Objectives & Key Results (OKR)
Objectives & Key Results (OKR) ist ein agiles Rahmenwerk zur Arbeit mit Zielen und Umsetzung deiner Strategie. Im Wesentlichen basieren OKR auf drei Säulen:
- Syntax: OKR ist eine sprachliche Konvention, um über Ziele zu sprechen. Jeder OKR besteht aus einem qualitativen Ziel (Objective) und quantitativen Metriken (Key Results).
- Zielsystem: OKR ist ein Zielsystem, über das Du lang- und kurzfristige Ziele über die gesamte Organisation und eine Vielzahl von Teams synchronisiert.
- Agiler Prozess: Mit OKR arbeiten Teams in einem agilen Prozess in Iterationen von drei Monaten, um an der Erreichung selbst gesteckter Ziele bzw. OKR zu arbeiten.
Diese Arbeit in kurzen Iterationen und auch der leichtgewichtige Einstieg machen OKR zu einer der beliebtesten agilen Frameworks der letzten Jahre. Zum Einstieg in die Arbeit mit OKR empfehlen wir die Einführung in das OKR Modell oder unseren OKR Guide.
Duale Organisation - Hierarchie und agiles Netzwerk
Ähnlich wie OKR ist auch die duale Organisation ein agiles Framework, das Du auch einsetzen kannst, ohne direkt deine gesamte Organisation umzustrukturieren. Eine duale Organisation basiert auf zwei Säulen und voneinander unabhängigen Organisationseinheiten:
- Management Driven Hierarchy: Deine etablierte Aufbauorganisation, die das “Business as usual” steuert.
- Accelerator Network: Ein hierarchiefreies, dezentrales Netzwerk, in dem strategische Initiativen vorangetrieben werden, um Innovationen und die kontinuierliche Entwicklung der Organisation zu fördern.
Diese beiden Strukturen sind nicht etwa zwei separate Organisationseinheiten. Vielmehr sind Mitarbeiter Teil beider Welten. John Kotter definiert dazu zahlreiche Prinzipien und Spielregeln, um das agile Framework einer dualen Organisation zu etablieren. Dazu zählen etwa:
- Ein gemeinsamer “Purpose”, der dem Netzwerk eine gemeinsame Ausrichtung gibt,
- Freiwilligkeit, d.h. Mitarbeiter müssen “wollen” dürfen und arbeiten freiwillig im Netzwerk mit,
- Keine Hierarchie im Netzwerk, d.h. flache Strukturen und Autonomie der handelnden Teams und Personen,
- Zeit: Wenn Mitarbeiter mitwirken, dann dürfen sie ausreichend Zeit auf ihre Arbeit im Netzwerk allokieren.
“Management Driven Hierarchy” | “Accelerator Network" |
---|---|
Hierarchie | Netzwerk |
Stabilität, Effizienz | Veränderung, Innovation |
Management > Leadership | Leadership > Management |
Wenige Entscheidungsträger | Viele Entscheidungsträger |
“Müssen” | “Wollen und dürfen” |
Planung, Controlling und KPI | Outcomes und leading indicators |
Top down Projekte | Bottom Up Initiativen |
Klassisches Projektmanagement | Scrum, OKR, agiles Arbeiten |
Spotify Modell - Agile Framework aus Schweden
Das Spotify Modell ist nach dem schwedischen Musikdienst benannt und erfüllt eigentlich gar nicht die Voraussetzungen, als echtes agiles Framework bezeichnet zu werden. Selbst Spotify kennzeichnet es nur als eine temporäre Momentaufnahme, die mittlerweile auch mehr als 10 Jahre alt ist. Und trotzdem dient das Spotify Modell heute vielen als Inspiration für die Strukturierung ihrer Organisation. Die wesentlichen Eckpfeiler des Spotify Rahmenwerks:
- Squads: Hier wird die tägliche Arbeit in crossfunktionalen Teams mit 8-10 Personen erledigt.
- Tribes beheimaten mehrere Squads mit maximal 150 Personen.
- Chapter organisieren den fachlichen Austausch und die funktionale Führung über mehrere Squads.
- Communities sind freiwillig und fördern den Austausch der Mitarbeiter zu Themen ihrer Wahl.
Zusätzlich hat das Spotify Modell noch einige Praktiken für die Entwicklung von Software definiert.
Holokratie - Soziokratie in “kommerziell”
Die Holakratie ist sicherlich das kompletteste agile Framework. Denn während andere agile Frameworks fast immer nur in Teilbereichen eines Unternehmens Anwendung finden, ist die Holokratie ein voll umfängliches Betriebs- und Managementsystem für Unternehmen jeder Branche und Größe. Dabei sind dies die prägendsten Merkmale der Holokratie:
- Organisation in Rollen und Circles: Das Holacracy Modell organisiert ein Unternehmen in Rollen (Einzelpersonen) und Circles (Teams). Jeder Mitarbeiter kann mehrere Rollen haben, die Kreise bzw. Teams sind über doppelte Verbindungen verbunden.
- Meetings und Entscheidungsfindung: Die Holokratie setzt auf fest definierte Meeting-Rituale und eine integrative Entscheidungsfindung.
- Holacracy Verfassung: Die Holokratie setzt auf ein sehr umfangreiches und transparentes Regelwerk, das in der Holacracy Verfassung dokumentiert ist. Darin werden alle Prozesse und Verantwortlichkeiten definiert. Hier ruht sozusagen ähnlich einer demokratischen Verfassung die eigentliche “Macht”.
Die tragenden Konzepte der Holokratie sind eng miteinander verzahnt, deswegen gibt es eine Holokratie auch nur “ganz oder gar nicht”. D.h. auch wenn Du dich schrittweise in unterschiedlichen Unternehmensbereichen holokratisch organisierst, geht das immer nur “ganz oder gar nicht”.
Welches agile Framework ist das richtige für dich?
Welches agile Framework das richtige für deinen Anwendungsfall ist, hängt von einer Reihe von Fragen ab:
- Was sind dein Produkt und dein Geschäftsmodell?
- Wie ist deine heutige Organisation aufgebaut?
- Wo ist der Schmerz, bzw. welches Problem versuchst Du mit dem Einsatz des agilen Rahmenwerks zu lösen?
- Bist Du bereit zu einer kompletten Reorganisation?
Das sind typische Fragestellungen, die im Rahmen von Workshops oder einer Beratung beantwortet werden. Denn mit Beantwortung dieser Fragen kannst Du das passende agile Framework auswählen und seine Implementierung vorbereiten.
Fazit - Agile Frameworks sind keine Blaupausen
Agile Frameworks sind ein wertvoller Startpunkt, wenn Du deine Organisation agil organisieren möchtest. Allerdings erfordert das Aufsetzen agiler Frameworks immer auch ein wenig Denk- und Kreativarbeit. Schließlich definieren agile Frameworks ein Gerüst, das Du in deine unternehmerische Realität und Herausforderungen überführen darfst. Wenn es dir zu früh erscheint, schon über agile Frameworks zu sprechen, dann findest Du im Flight Level Modell einen prima Einstieg, um zu verstehen, wie Agilität im Unternehmen eigentlich gelingt. Wenn Du Hilfe bei der Auswahl agiler Fameworks benötigst, dann melde dich gerne.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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