Wenn Corona etwas Gutes hatte, dann, dass digitales Arbeiten und das Home Office einen Aufschub bekommen haben. Jetzt sind wir die Seuche los und Unternehmen holen mit “Back to Office” Programmen Mitarbeiter:innen zurück ins Büro. Selbst digitale Vorreiter wie Zoom holen Mitarbeiter mit Druck und Zwang zurück ins Büro. Das ist gerade für einen Player paradox, der maßgeblich vom Remote Arbeiten profitiert.
Ist diese “Back to Office” Bewegung sinnvoll oder der Weg zurück ins letzte Jahrtausend? In diesem Artikel haben wir einige Argumente und Studienergebnisse zum Thema “Back to Office” zusammengestellt und zeigen dir, wie Du mit einer hybriden Arbeitskultur das Beste aus beiden Welten gewinnst.
Was bedeutet “Back to Office”?
“Back to office” umfasst Maßnahmen eines Unternehmens, um die Mitarbeitenden zu mehr Arbeit und Anwesenheit im Büro zu motivieren. Also raus aus dem Home Office, zurück auf die Fläche. Schließlich hat der Anteil von Home Office während Corona deutlich zugenommen und das Remote Arbeiten wurde zum “new normal”. Auch nach den Lockerungen haben noch 27 % aller Mitarbeiter aus dem Home Office gearbeitet. Nun suchen Unternehmen mit “Back to Office” Programmen nach Wegen, um ihre Mitarbeiter zur Arbeit im Büro zu animieren.
Verschiedene Arbeitsmodelle: Remote, Home Office und Hybrid
Bevor wir uns im Detail mit “Back to Office” auseinandersetzen, eine kurze Begriffsklärung:
- Remote Arbeiten - Remote arbeiten heißt 100% von unterwegs zu arbeiten, egal von wo. Hauptsache, es gibt Internet.
- Homeoffice - eine etwas abgeschwächte Form des Remote Arbeitens, Du arbeitest von Zuhause in den eigenen vier Wänden.
- Hybrid - Eine Mischung aus Homeoffice und Arbeiten im Büro, entweder auf freiwilligen oder fest definierten Regeln.
- Office First - Arbeiten im Büro hat Priorität, u.U. mit gelegentlichen Remote- und Homeoffice Optionen.
“Back to Office” - Gründe, Abgründe und sinnlose Strategien
Über die genauen Gründe, warum selbst namhafte digitale Vorzeigeunternehmen wie Zoom, SAP oder Tesla ihre Mitarbeiter:innen zurück ins Büro beordern, kannst Du nur spekulieren. Wenn ich positiv spekuliere, dann fallen mir mehrere gute Gründe für das gemeinsame Arbeiten im Büro und für eine Back to Office Bewegung ein.
- Kreativität - Co-kreatives Arbeiten und Workshops sind offline und im Büro deutlich effektiver als vor dem (heimischen) Rechner.
- Wissenstransfer - Alltägliche Begegnungen und Gespräche in der Kaffeeküche führen zu mehr zufälliger Vernetzung und besserem Informationsfluss.
- Soziale Verbundenheit - Mitarbeiter:innen fühlen sich näher und verbundener, wenn sie sich persönlich begegnen.
Die wahren “Back to Office” (Ab)Gründe
Ein Schelm ist, wer Böses denkt. Aber hinter den “Back to Office” Programmen könnten auch ganz andere Beweggründe stehen, die so niemand direkt ausspricht:
- “Faule Mitarbeiter” - Statt zu arbeiten, kümmern sich Mitarbeiter:innen im Home Office um Haushalt und Hobbies oder chillen auf der Couch. Das basiert überspitzt gesagt auf der Haltung, dass Mitarbeitende eigentlich faul und träge und deswegen überwacht und kontrolliert werden müssen. Also Theorie X.
- “Die teuren Büroflächen” - Unternehmen haben massiv in ihre Infrastruktur vor Ort investiert und sehen dieses Investments den Bach runter gehen. Und wenn die Flächen doch “eh da” sind, müssen wir sie doch auch nutzen.
- “Arbeitszeit ist Leistungsindikator” - Arbeitszeit wird noch immer gerne als Indikator für Arbeitsleistung betrachtet.Und vor Ort kann die vertraglich vereinbarte Zeit und damit die Arbeitsleistung deutlich besser von Führungskräften kontrolliert werden.
“Back to office” Sackgassen
Die Strategien der Unternehmen, "Back to Office” umzusetzen, erinnern meistens nur an traditionelle "Zuckerrohr und Peitsche” Versuche.
- Mehr Gehalt und Beförderungen - Drei von vier deutschen CEOs (77 Prozent) können sich vorstellen, Mitarbeitende für Anwesenheit im Büro zu befördern oder mehr Gehalt zu bezahlen, international sind sogar 87 Prozent aller CEOs "so kreativ”. Siehe dazu auch eine Studie von KPMG.
- Wer nicht hören will …: Unternehmen wie SAP oder Tesla zwingen ihre Arbeitnehmer zurück auf die Fläche. Davor warnt jedoch eine Studie von Owl Labs. Mehr als zwei Tage verpflichtende Anwesenheit stoßen bei den meisten Befragten auf Abwehr. Die Mehrheit wünscht sich ein Recht auf Homeoffice.
Argumente für Remote Arbeit und gegen “Back to Office”
Betrachten wir das komplette Gegenteil von “Back to Office”, nämlich ein konsequentes Remote Arbeiten. Ich bin seit jeher ein starker Vertreter von digitalem Arbeiten, ehrlich gesagt kenne ich das seit meinem ersten Startup gar nicht anders und auch In der dno arbeiten wir 100% remote. Dabei gibt es für mich auch viele gute Argumente für ein digitales Arbeiten von zu Hause.
- Produktivität - Die An- und Abreise entfallen, Mitarbeiter können sich zuhause besser konzentrieren.
- Höhere Flexibilität, weniger Stress - Dass Mitarbeiter zuhause zwischendurch Erledigungen machen ist für mich kein Nachteil, sondern ein Vorteil. Denn das erhöht die Flexibilität und reduziert Stress, statt dass der gesamte Arbeitstag nur eine Abfolge von Ereignissen ist, die Du als Arbeitnehmer dann auch noch zu ungünstigen Zeiten unter einen Hut bringen musst.
- Rekrutierung von Talenten - Als Unternehmen / Unternehmer hast Du viel mehr Freiheitsgrade, bei der Suche nach Mitarbeitern und kannst z.B. auch auf internationale Talente zurückgreifen.
- Autonomie - Die Möglichkeit der freien Gestaltung fördert das Autonomieerleben der Mitarbeiter, was wiederum ein wichtiges neurologisches Grundbedürfnis und ein wichtiger Eckpfeiler intrinsischer Motivation ist.
- Ökologischer Fussabdruck - Der ist einfach geringer, wenn Mitarbeiter ihr Auto weniger bewegen.
Studienergebnisse Home Office und hybrides Arbeiten
Eine Reihe von Studien zeigen die positiven Aspekte des Home Office und einer hybriden Arbeitsgestaltung auf. Dabei ist das hybride oder flexible Arbeiten definiert als eine ausgewogene Verteilung von Remote Arbeiten aus dem Home Office und dem Arbeiten vor Ort.
- Hybrides Arbeiten ist in über 80% der Unternehmen in Deutschland Realität. Das ergab eine Untersuchung des Fraunhofer Institut. Die Studie zeigt außerdem, dass individuelle Absprachen und Regelungen einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für hybrides Arbeiten sind.
- Flexibles Arbeiten fördert die Produktivität, die Zufriedenheit und Bleibeabsicht von Mitarbeitenden. Das haben die Universität St. Gallen und die Barmer-Krankenkasse in einer Studie nachgewiesen.
- Die “freie Wahl” des Arbeitsplatzes ist ein entscheidendes Kriterium bei der Jobwahl, das hat das Fraunhofer Institut durch eine Befragung von 400 Unternehmen herausgefunden.
- Hybride und flexible Arbeitsmodelle sind umso erfolgreicher, je mehr Unternehmen auch neue Flächenkonzepte, kulturelle Aspekte und neue technologische Tools berücksichtigen. Siehe die Studienergebnisse von PWC Deutschland.
- Laut ADPRI Studie sind Mitarbeitende, die hauptsächlich von zu Hause aus arbeiten, im Schnitt engagierter als ihre Kollegen im Büro (20 % gegenüber 15,8 %). Außerdem gibt mehr als die Hälfte (55 %) der im Home Office arbeitenden an, dass sie sich entgegen den Erwartungen nicht isoliert, sondern als Teil eines Teams fühlen.
Die Mischung macht's - Hybrides Arbeiten und eine wirksame “Back to Office” Strategie
Es gibt viele nachvollziehbare gute Gründe für eine “Back to Office” Maßnahme und genauso viele gute Argumente für das Home Office. Erst recht, wenn dein “Back to Office” Programm mit Zwang und dickeren Karotten verbunden ist. Mit unserem Transformations- und New-Work-Experten Konrad Weber haben wir ein paar Empfehlungen für ein gelungenes “Back to Office” Programm zusammengestellt.
- Kein Zwang, keine “Sippenhaft” - Denn das führt maximal zum Verlust von Leistungsträgern und sinkender Motivation. Zudem brauchen ggf. Mitarbeiter mit weiter Anreise oder auch Kindern eine flexiblere Handhabung. Deswegen solltest Du auch eine zu restriktive, allgemeingültige Back to Office Regelung vermeiden.
- Gemeinsam Spielregeln formulieren - Formuliert in einem co-kreativen Dialog mit Geschäftsführung und Mitarbeitern gute Argumente und Spielregeln, wann das Arbeiten im Büro sinnvoll ist und wann der Mitarbeiter eine Wahl hat. So könnt ihr euch z.B. auf einen ausgewogenen Anteil zwischen dem Arbeiten im Home Office und “Back to Office” einigen.
- Führung über Ziele - Statt den Wert und Beitrag eines Einzelnen über Abwesenheit und Aktivitäten zu definieren, sollte Führung sich an Outcomes und Zielerreichung orientieren. Dabei helfen dir Rahmenwerke wie z.B. OKR. Im Buch “Why Work Sucks" skizzieren die Autoren zudem ihre Erfahrungen mit einem ROWE (Results Only Work Environment).
- Neue Formate für persönliche Begegnungen schaffen - Statt Zwang sollten Unternehmen neue Formate und Gelegenheiten für eine persönliche Zusammenkunft schaffen. Das können auch gemeinsame Freizeit-Aktivitäten sein oder natürlich auch gemeinsame Workshops, in denen Du z.B regelmäßig über offene Projekte und ihre Ziele sprichst. Agile Rahmenwerke haben an den Randpunkten ihrer Arbeitsintervalle immer sehr ausgedehnte Meetings, um sich gemeinsam zu synchronisieren. Aus der Gestaltung eines agilen Prozesses kannst Du viel für eine “Back to Office” Gestaltung mitnehmen.
- Kultur überdenken - Nimm den “Back to Office” Impuls als Anlass zu überdenken, wie Du eigentlich führen möchtest und was Führung für dich bedeutet. Einen besseren Anlass für ein New Leadership Seminar kann es kaum geben.
- Agile Methoden einführen - Agile Methoden und agile Praktiken helfen dir, mehr Transparenz zu schaffen und Zusammenarbeit mehr Struktur zu geben.
Fazit - Mehr Vertrauen, Transparenz und über Outcomes sprechen
Remote Arbeiten ist für mich ein notwendiger Eckpfeiler einer gesunden und selbstbestimmten Arbeitskultur. Die “Back to Office” Programme sind in meinen Augen Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit. Hilflosigkeit, weil sich Unternehmen mit ihrem Anreizsystem und funktionaler Arbeitsteilung den Blick für das “gemeinsame Ganze” verbaut haben. Statt also viel Energie und Kapital in “Back to Office” zu investieren, sollte die eigentliche Frage sein, was eigentlich wahr sein müsste, damit jeder arbeiten kann wo und wie er will. Dieses einfache Gedankenexperiment wird dich möglicherweise zu deinen Führungs- und Organisationsmodellen führen. Und wenn Du dort ansetzt, hast Du in meinen Augen einen deutlich wirksameren und nachhaltigen Hebel für eine gesunde Arbeitskultur. Zumindest solange diese von Vertrauen, Transparenz und Outcomes geprägt sind.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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