Die zehn Gebote für Agiles Management
Agiles Management ist ein flexibler, teamorientierter Ansatz, der schnelle Anpassungen und iterative Entwicklungsprozesse fördert. Damit ist agiles Management eine Grundvoraussetzung für die Agilität einer Organisation. Denn eine Organisation ist nur so agil wie ihre Führungsmannschaft.
In diesem Beitrag zeige ich dir, mit welchen Maßnahmen Du durch gezieltes Management zu einer hohen Agilität beiträgst.
Warum brauchst Du agiles Management?
Agiles Management ist kein Selbstzweck, sondern die unternehmerische Antwort auf steigende Komplexität und eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit. Diese Dynamik und Unsicherheit entsteht z.B. durch folgende Umstände:
- Neue und ständige wechselnde Anforderungen
- Digitalisierung, schnelle technologische Veränderungen
- Komplexe Aufgaben, bei denen weder das Problem noch die Lösung richtig “begriffen” sind
In einer solchen von Veränderungen und Unsicherheiten geprägten VUCA Welt brauchst Du ein neues Set von Werkzeugen. Wenn Du umgekehrt unter hoher Stabilität und Vorhersagbarkeit agierst, kannst Du traditionell managen. Sonst helfen dir die folgenden Maßnahmen, um agiles Management erfolgreich zu praktizieren und schneller als der Wettbewerb auf sich bietende Chance und neue Anforderungen zu reagieren.
10 Gebote für agiles Management
1. Neue Strukturen schaffen
Aus einer Systemsicht heraus sind neue Strukturen deiner Aufbau- und Ablauforganisation der wirksamste Hebel für agiles Management. Dabei organisiert Du dein Unternehmen in crossfunktionalen Netzwerken entlang deiner Wertströme statt in statischen Abteilungen. Dieses Denken kannst Du auf deinen Aufbau oder deine agile Projektorganisation anwenden. Wenn Du also in einer Position bist, Entscheidungen über den Aufbau einer Organisation zu treffen, dann sind neue Strukturen definitiv die wirksamste Maßnahme für agiles Management. In unserem Blog zu agiler Transformation habe ich dazu ein grobes Vorgehensmodell skizziert. Sofern Entscheidungen über Strukturen nicht in deinem Einflussbereich liegen oder zu aufwändig sind, haben wir noch viele weitere Maßnahmen für ein wirksames agiles Management.
2. Priorisieren, Priorisieren, Priorisieren
Die zweite Maßnahme für agiles Management ist eine gute und transparente Priorisierung deiner Aufgaben und Projekte. Dabei geht es nicht darum zu entscheiden, was alles noch gemacht wird. Sondern darum NEIN zu sagen und zu entscheiden was erst einmal NICHT gemacht wird. Eigentlich ganz einfach und doch so schwierig. Denn schließlich gehen (vorläufige) Absagen mit Enttäuschungen und möglicherweise Konflikten einher. Deswegen tun sich vielleicht auch Konsens getriebene Unternehmenskulturen so schwer mit echter Agilität. Jedoch ist eine hohe Fokussierung als Konsequenz guter Priorisierung aus mehreren Gründen vorteilhaft:
- Schutz vor Überlastung deiner Organisation
- Kosten durch “Task Switching” vermeiden
- Wartezeiten (für den Kunden) verringern
- Beweglichkeit erhöhen, schließlich binden “unfertige Arbeiten” Ressourcen und verhindern, dass Du neue (wichtigere) Arbeiten anfangen kannst
- Höhere Moral, denn fehlende Klarheit in Zielen und Erwartungen drückt die Mitarbeiterzufriedenheit
Bei den kulturellen und emotionalen Schwierigkeiten eines (vorläufigen) NEIN können dir agile Werkzeuge nicht helfen. Sonst findest Du in WIP Limits und der WSJF Methode gute Hilfestellungen, um Priorisierungen zu operationalisieren.
3. Schnelle Entscheidungen herbeiführen
Schnelle Entscheidungen herbeizuführen, ist der dritte wesentliche Erfolgsfaktor für die Agilität eines Unternehmens. Deswegen bedeutet agiles Management auch einen Rahmen zu schaffen, in dem schnelle Entscheidungen möglich sind. Dazu stehen dir unterschiedliche Strategien zur Verfügung.
- Delegation von Aufgaben verbunden mit klaren Erwartungen und gleichzeitig hoher Autonomie. Formate wie ein Delegation Poker helfen dir auf diesem Weg.
- Rollen explizit beschreiben. Aus der Holokratie können wir lernen, wie wir agile Rollen statt statischer Stellenbeschreibungen nutzen. Jede Rolle hat einen klaren Zweck, definierte Domänen, über die der Rolleninhaber autonom herrscht und Verantwortlichkeiten bzw. Tätigkeiten, die der Rolleninhaber auszuführen hat.
- Ganz neue Rollen schaffen, wie z.B. einen Product Owner oder OKR Master.
- Entscheidungen in Gruppen und Meetings herbeiführen, dazu kannst Du z.B. auf das systemische Konsensieren oder eine Konsent Moderation setzen.
Dabei ist erwiesen, dass es Mitarbeitern nicht so sehr darum geht, WAS entschieden wird, sondern, WIE Entscheidungen getroffen werden. Dabei gilt es eine Kultur zu schaffen, in der getroffene Entscheidungen Bestand haben und nur in Frage gestellt werden, wenn es grundlegend neue Erkenntnisse und Informationen gibt. Dabei ist sicher eine der größten Herausforderungen, Entscheidungen auch unter Unsicherheit zu treffen und nicht dem Irrglauben zu unterliegen, durch noch mehr Recherche eine grundlegende Unsicherheit zu verringern.
4. Projekt-Budgets und Ressourcen flexibel allokieren
Gute Entscheidungen und klare Priorisierungen bleiben weitgehend wirkungslos, wenn es nicht gelingt, Budgets und schlaue Köpfe konsequent zu allokieren. So glauben laut einer Untersuchung nur 11% der befragten Manager, dass die wichtigsten strategischen Initiativen ausreichend Ressourcen haben. Wenn Du durch agiles Management also nicht die Voraussetzung schaffst, dass deinen Entscheidungen und Priorisierungen auch Budgets und Manpower folgen, wirst Du mit diesen Maßnahmen alleine ins Leere laufen. Das erfordert ein grundsätzliches Umdenken in der Budgetierung, der Allokation von Kapital und Köpfen. Dazu ein paar mögliche Maßnahmen und Ansätze:
- Weg von unflexiblen jährlichen hin zu unterjährigen Budgetierungen und einer laufenden Neubewertung deines Projektportfolios.
- Die Bereitschaft, laufende Vorhaben zu stoppen und frei gewordene Budgets auf aussichtsreichere Vorhaben zu allokieren.
- Mitarbeitern Zeit einräumen, sich über ihre feste Rolle hinaus auch mit einem festen Zeitbudget anderen Projekten und Aufgaben widmen zu können (kontextuelle Ambidextrie).
- Vorhaben streng priorisieren und das zur Verfügung stehende Budget auf wenige Vorhaben konsequent zu allokieren.
5. Konkrete Outcomes fordern
The best way to eat an elephant: One bite at a time.
Agiles Management heißt, dass Du trotz großer Pläne den konkreten ersten Schritt nicht vergisst. Am besten in Form angreifbarer und echter Outcomes, die bereits echten Wert für Kunden, Anwender und deine Organisation schaffen. Denn darum geht es schließlich im agilen Arbeiten, nämlich konkreten Mehrwert in kurzen Zeitintervallen zu schaffen. Zudem schaffen anfassbare Arbeitsergebnisse echte empirische Erkenntnisse und reduzieren Unsicherheit. Allerdings erfordert das die Fähigkeit, Anforderungen so zu formulieren, dass Du auch echte Chancen auf konkrete Ergebnisse in kurzen Zeitintervallen hast. Statt den Elefanten also am Whiteboard in seine Einzelteile zu zerlegen, suchst Du dir die Stelle, an der Du mal einen ersten Biss nehmen kannst. Und weil wir keine Elefanten essen, stellen wir uns das bildlich bitte als einen Apfel vor.
Übung: Kuchen backen
Um agiles Management und das Denken in Outcomes zu üben, backt doch in einer Gruppen einfach einen Kuchen:
- Input: Welche Zutaten brauchst Du?
- Aktivitäten: Was machst Du konkret?
- Output: Was hältst Du als Arbeitsergebnis in den Händen?
- Outcome: Was löst der Output bei seinen Adressaten aus?
Die meisten Mitarbeiter sind bei der Formulierung von Arbeitspaketen wenig auf Outcomes, dafür sehr auf Aktivitäten fokussiert. Die sind jedoch nur ein Mittel zum Zweck, Mehrwert für Kunden, Anwender und deine Organisation zu erzielen. Wenn Du Outcomes verstanden hast, dann kannst Du daraus einfach auch den ersten konkreten Schritt bzw. den ersten “Bissen” ableiten.
6. Den Sinn suchen - Frag immer nach dem “Wofür”?
Agiles Management bedeutet, Handlungen und ganzen Unternehmen einen (höheren) Sinn zu geben. Deswegen ist das “Wofür” die Zauberfrage schlechthin im agilen Management. Simon Sinek hat dazu in einem Buch “Start with Why” mit seinem “Golden Circle” ein einfaches Vorgehensmodell skizziert, dessen Gedankengut Du auf Aufgaben, Projekte oder ein ganzes Unternehmen übertragen kannst:
- Why: Wofür ist das wichtig?
- How: Wie gehen wir vor?
- What: Was resultiert daraus?
Leider sind wir verzogen, sehr stark im “WAS” zu kommunizieren, aber sehr wenig auf der “Why” Ebene. Wenn dir die Beantwortung nach dem “Why” für deine gesamte Organisation gelingt, dann hast Du hoffentlich ihren Purpose offengelegt.
7. Kontinuierliches Lernen durch Retrospektiven fördern
Agile Organisationen setzen auf empirische Prozesskontrolle, also eine permanente Überprüfung und Anpassung ihres Vorgehens. Das heißt, dass sowohl die Arbeitsergebnisse als auch die Wege der Zusammenarbeit einer kontinuierlichen kritischen Prüfung unterzogen werden. Deswegen bedeutet agiles Management auch einen “Lernraum” zu schaffen, in dem diese kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit möglich wird. Das passende Format dazu ist eine agile Retrospektive, die Du sehr einfach nach dem folgenden Muster abhalten kannst:
- Keep: Was läuft schon richtig gut, was sollten wir beibehalten?
- Drop: Welche Hindernisse blockieren uns, was sollten wir sein lassen?
- Try: Was können wir ausprobieren, um unsere Zusammenarbeit weiter zu verbessern oder Hindernisse zu beseitigen?
Für ein nachhaltiges agiles Management ist es wichtig, dass du solche Retrospektiven regelmäßig mindestens einmal im Quartal abhältst. Dabei werden von den Teammitgliedern verbindliche Entscheidungen für künftige Verbesserungen getroffen. Im Idealfall und soweit im Rahmen des Möglichen werden die Entscheidungen von den Mitarbeitern selbst organisiert umgesetzt. In Ausnahmen und wenn die Umsetzung außerhalb des Einflussbereiches des Teams liegst, unterstützt Du als agile Führungskraft.
8. Agile Metriken: Hypothesen formulieren und auf leading indicators setzen
Agiles Management heißt unter Unsicherheit arbeiten. Dabei handelst Du wie ein guter Wissenschaftler. Du übersetzt Strategien und Beobachtungen in Hypothesen, formulierst Experimente und Erwartungshaltungen unter welchen Voraussetzungen Du deine Annahmen als wahr oder auch falsch betrachtest. Das heißt, sich und seine Annahmen “angreifbar” zu machen. Denn diese Einsichten und Erkenntnisse helfen dir dabei deine Strategien durch empirische Erkenntnisse zu festigen. Dabei setzt Du auf agile Metriken und sog. leading indicators.
🐎 Leading | 🐌 Lagging | |
---|---|---|
Bedeutung | führend | hinkend |
Beeinflussbarkeit | direkt | indirekt |
Messbarkeit | schnell, kurzfristig | langsam, zeitlicher Verzug |
Metapher im Auto | Frontscheibe | Rückspiegel |
Geeignet um … | gewünschte Entwicklung aktiv zu managen | zurückliegende Performance zu beurteilen |
9. Transparenz herstellen und Backlogs pflegen
Agiles Management bedeutet, eine hohe Transparenz über die Arbeiten herzustellen, die auf Umsetzung warten oder bewusst geparkt wurden. Das agile Mittel zum Zweck dafür sind Backlogs. Die dauerhafte Pflege des Backlogs und ein regelmäßiger Blick auf die aktuelle Priorisierung helfen dir eine hohe Transparenz herzustellen. Dazu folgende Tipps und Anregungen:
- Tool: Ein Excel Sheet oder ein einfaches Kanban Board reicht für den Anfang
- Taxonomie: Alle Aufgaben und Projekte haben einen eindeutigen Namen und eine einheitliche Beschreibung
- Nutzen: Der Nutzen bzw. der Outcome sind durch Kundenwert und Business Impact beschrieben,
- Arbeitsstand: In Umsetzung befindliche Arbeiten sind eindeutig gekennzeichnet, für alle im Backlog verbleibenden Arbeiten herrscht Konsens, dass diese aus guten Gründen noch nicht begonnen wurden
Mit der laufenden Pflege eines Backlogs stellst Du eine hohe Transparenz her und leistest übrigens wichtige Vorarbeiten für die Priorisierung deiner Vorhaben.
10. “Walk the talk” - Agile Werte leben
Schließlich heißt agiles Management, dass Du agile Werte als gutes Vorbild vorlebst. Dazu zählen insbesondere:
- Eine gute und konstruktive Fehlerkultur,
- Kommunikation und offener Dialog für eine hohe Synchronisation,
- Autonomie und Mitgestaltung als Basis intrinsischer Motivation,
- Selbstverpflichtung und die Übernahme von Verantwortung (für das eigene Handeln)
- Transparenz für das Erleben einer hohen Fairness.
Zusammenfassung: Traditionelles vs agiles Management
Um den Kontrast noch etwas zu schärfen, stelle ich ein paar Ausprägungen des klassischen bzw. traditionellen dem agilen Management gegenüber.
Traditionelles Management | Agiles Management | |
---|---|---|
Management Rhythmus | 6-12 Monate | 1-3 Monate |
Struktur | Funktionale Abteilungen | Cross-Funktionale Teams mit end-to-end Verantwortung |
Optimiert für | Effizienz, Stabilität | Innovation, Geschwindigkeit |
Geeignet für | Stabile und sichere Rahmenbedingungen, Wertschöpfungsschritte mit hoher Vorhersagbarkeit | Unsichere und dynamische Rahmenbedingungen, kundenzentriertes Arbeiten |
Kommunikation | Viel Top down, wenig bottom up, informell, viel 1:1 und unsichtbare Trampelpfade | Top down und bottom up, strukturierte und sehr regelmäßige Kommunikation, ein gut erkennbares zweites Flight Level. |
Entscheidungen obliegen ... | HIPPO (highest paid persons option), Steering Committees, der Abteilungs-, Bereichs- oder Unternehmens- leitung. | Delegation, hohe Entscheidungsautonomie, neue Rollen wie z.B. Product Owner |
Fazit - Agiles Management fängt bei dir an
Agiles Management ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass agile Arbeitsmethoden ihre Wirkung entfalten und Organisationen eine hohe Agilität entwickeln. Dabei gilt es vor allem anzuerkennen, dass eine Organisation immer nur so agil sein kann wie ihr Management. Das muss nicht zwingend heißen, neue (agile) Strukturen zu schaffen. Sondern agiles Management beginnt mit einer Reihe von Maßnahmen, die miteinander kombiniert bereits eine hohe Wirksamkeit haben. Und damit kannst Du morgen anfangen.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
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