System Thinking – Wie Du Probleme dauerhaft löst, statt nur Symptome zu bekämpfen
System Thinking (deutsch: systemisches Denken) ist eine Denk- und Betrachtungsweise für die Analyse komplexer Systeme. Dabei ist das Ziel von System Thinking, das Verhalten des Systems ganzheitlich zu erklären, um bei Bedarf Lösungen für eine Verbesserung ableiten zu können. Diese methodische Kompetenz ist unabdingbar für die erfolgreiche Entwicklung und Transformation von Organisationen. Und vielleicht die wichtigste Metakompetenz, um die Krisen der Neuzeit erfolgreich zu bewältigen.
Deswegen findest Du in diesem Artikel eine Einführung in systemisches Denken, eine Menge Beispiele sowie Grundlagen systemischen Denkens und Handelns. Und ein Plädoyer dafür, dass “System Thinking” analog zu Design Thinking am besten schon in der Grundschule gelehrt werden sollte.
Was ist System Thinking?
System Thinking ist eine Denk- und Betrachtungsweise, um das Verhalten und die Eigenschaften komplexer Systeme ganzheitlich zu erklären, um daraus wirksame Lösungsstrategien zu entwickeln. Oder um System Thinking frei nach Barry Richmond zu definieren: Mit System Thinking siehst Du den Wald und die Bäume. Mit jeweils einem Auge auf beidem. Dabei ist System Thinking die Suche nach den Eigenschaften eines Systems, die mit bloßem Auge und in den Einzelteilen nicht zu finden sind.
Woher kommt System Thinking?
Bereits Aristoteles hat sich mit seiner Aussage “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.” als Systemdenker geoutet. Im 20. Jahrhundert haben viele brillante Denker die Systemtheorie begründet. Der Begriff System Thinking wurde schließlich durch Barry Richmond (1987) geprägt und in den Folgejahren von verschiedenen Experten wie Peter Senge weiter mit Leben gefüllt. Im Deutschen hat sich dafür der Begriff des systemischen Denkens oder teilweise auch des systematischen Denkens etabliert.
Wenn Du dich für die unterschiedlichen Sichtweisen und Definitionen von Systemdenken interessierst, empfehle ich Dir den Artikel “A Definition of Systems Thinking: A Systems Approach”. In dieser Arbeit gehen die Autoren auf unterschiedliche Definitionen von System Thinking ein und bemühen sich um eine allgemeingültige Definition.
Peter Senge System Thinking
Peter Senge definiert System Thinking als die Fähigkeit, in Systemen zu denken und Ergebnisse des Systems erklären zu können. Er ist einer der führenden Wissenschaftler systemischen Denkens und organisatorischen Lernens. Bekannt wurde Peter Senge durch sein Buch “Die fünfte Disziplin”, in dem er sein Konzept einer lernenden Organisation beschreibt. System Thinking ist eben jene "fünfte Disziplin”, die Unternehmen brauchen, um sich zu einer lernenden Organisation zu entwickeln. Peter Senge lehrt an der “Sloan School of Management” des MIT System Thinking und das Verstehen von Wechselwirkungen in Organisationen stehen im Mittelpunkt seiner Arbeit.
11 Gesetze des System Thinking
Die 11 Gesetze des System Thinking von Peter Senge aus dem Buch “The fifth discipline” beschreiben sehr einprägsam, worum es beim systemischen Denken eigentlich geht.
- Today’s problems come from yesterday’s ‘solutions.’
- The harder you push, the harder the system pushes back.
- Behavior will grow worse before it grows better.
- The easy way out usually leads back in.
- The cure can be worse than the disease.
- Faster is slower.
- Cause and effect are not closely related in time and space.
- Small changes can produce big results…but the areas of highest leverage are often the least obvious.
- You can have your cake and eat it too — but not all at once.
- Dividing an elephant in half does not produce two small elephants.
- There is no blame.
Wann arbeitest Du mit System Thinking?
System Thinking ist eine Vorgehens- und Betrachtungsweise für die Erklärung und Analyse komplexer Systeme. Im Unterschied zu einfachen oder komplizierten Sachverhalten zeichnen sich komplexe Systeme durch mehrere Faktoren aus:
- Viele Variablen und Einflussgrößen.
- wechselseitige Ursache-Wirkungs Zusammenhänge, mit sich stabilisierenden oder eskalierenden Feedbackschleifen.
- Verzögerungen, das heißt. Reaktionen treten erst mit einer zeitlichen Verzögerung auf.
- Nichtlinearitäten, das heißt nicht jeder Input führt zu einem Output in gleichem Umfang.
Systemisches Denken hilft bei der Modellierung und Analyse komplexer Systeme und ist vor allem unter folgenden Voraussetzungen sinnvoll:
- Probleme treten chronisch auf.
- Eine dauerhafte Lösung ist erfolgskritisch.
- Vorherige Lösungsversuche sind verpufft, haben die Situation verschlimmert oder neue Probleme verursacht.
Damit reichen die Einsatzgebiete von System Thinking von globalen Umweltproblemen, gesellschaftlichen Herausforderungen bis hin zu unternehmerischen Herausforderungen. Ich persönlich nutze System Thinking in meiner Beratung insbesondere in Strategieworkshops, beim Aufsetzen eines OKR Systems oder um die Zusammenarbeit zwischen agilen Teams zu verbessern.
Beispiel System Thinking: Der Verkauf von Shisha-Tabak
Ein schönes Beispiel für den Einsatz oder den fehlenden Einsatz systemischen Denkens ist das Verbot von Großverpackungen für Shisha-Tabak.
Ausgangslage: Die Bundesregierung hadert 2022 mit dem illegalen Weiterverkauf von Kleinmengen Shisha-Tabak in Shisha-Bars. Schließlich gehen so Steuergelder flöten.
Ursache / Maßnahmen: Großverpackungen sind schnell als Ursache und der schwarze Peter identifiziert. Deswegen spricht die Bundesregierung ein Verbot für den Verkauf von Großverpackungen aus. Erwartet werden eine Eindämmung des Schwarzmarktes und das Erzielen höherer Steuereinnahmen.
Ergebnis: Zwei Jahre (2024) später eine krasse Kehrtwende und Aufhebung des Verbotes, denn genau das Gegenteil war passiert.
- Sinkende Steuereinnahmen
- Mehr statt weniger Schwarzmarkt
Das System und seine handelnden Personen umgingen das Verbot vermutlich durch den illegalen Import von Großverpackungen. Ein gutes Beispiel für den (fehlenden) Einsatz systemischen Denkens und auch was passieren kann, wenn Du vorschnelle Lösungen implementierst: Lösungsversuche verpuffen, die Situation verschlimmert sich und es treten unter Umständen neue Probleme auf.
Was ist ein System? - Systeme im Verständnis des System Thinking
Viele Systeme tragen das “System” bereits im Namen, z.B. das Sonnensystem, Nahverkehrssystem, Heizungssystem, natürliches Ökosystem oder z.B. auch ein Wirtschaftssystem. Jedoch sind Systeme nicht immer direkt als solche zu erkennen und der Begriff “System” ist durchaus erklärungsbedürftig. Tatsächlich ist die Definition des relevanten Systems und seiner Grenzen bereits die erste wichtige Fähigkeit systemischen Denken und Handelns.
Definition System
Ein System (gr. sýstēma) ist ein aus mehreren Einzelteilen bestehendes Ganzes. Also besagter Wald (das Ganze), bestehend aus Einzelteilen (den Bäumen). Dabei kannst Du ein System durch folgende konstituierende Merkmale definieren
- Ergebnisse - Jedes System produziert erkennbare Eigenschaften und Ergebnisse (“emergent properties”). Dazu zählen der eigentliche Zweck des Systems genauso wie unvorhergesehene und ungewollte Ergebnisse.
- Elemente - Jedes System besteht aus einzelnen Elementen. Dabei ist jedes Element für die Funktionsweise und den Erfolg des Systems wichtig.
- Interaktionen - Die Elemente des Systems stehen in Beziehung und einer Verbindung (“Interconnections”) zueinander.
Damit ist ein System durch miteinander interagierende Elemente zur Erreichung seines Zwecks definiert. Nimmst Du eine dieser Säulen aus der Gleichung, hast Du kein System mehr. Den Unterschied zwischen einer losen Ansammlung von Elementen und einem System kannst Du an folgendem Beispiel nachvollziehen.
- Wenn sich eine Gruppe von Leuten zusammenfindet und ein wenig plaudert, dann ist das zwar eine Sammlung von Elementen, aber kein System. Denn es gibt keine zielgerichteten oder zweckdienlichen Interaktionen.
- Ein Team ist ebenfalls eine Gruppe von Leuten. Jedoch agiert ein Team nach einer Reihe von Regeln und bildet ein einheitliches Ganzes, um einen gemeinsamen Auftrag zu erfüllen. Ein Team erfüllt also die Definition eines Systems.
A system is an interconnected set of elements that is coherently organized in a way that achieves something.Donella H. Meadows
Beispiel Nahverkehr
Lass uns die Definition eines Systems noch am Beispiel des Nahverkehrssystems näher betrachten.
Zweck
Der eigentliche Sinn und Zweck des Nahverkehrs ist es, Menschen sicher und zuverlässig zu transportieren. Dabei können die Zufriedenheit der Fahrgäste, Anwohner und der Mitarbeiter weitere gewollte “emergent properties” des Systems sein.
Elemente
Das System Nahverkehr kannst Du nun in folgende Elemente und Bestandteile zerlegen:
- Züge, Busse
- Bus / Zugführer
- Infrastruktur wie Straßen / Gleise
- Fahrgäste
- Apps, Webseiten
- Haltestellen
- Leitstellen
- Verwaltung
- Betriebswerke
Interaktionen
Nur wenn die Elemente miteinander interagieren und in einer guten Verbindung stehen, funktioniert der Nahverkehr.
- Fahrgäste nutzen die App
- Fahrgäste fahren in Bahnen / Bussen
- Busse / Bahnen fahren und nutzen die Infrastruktur
- Fahrer führen die Fahrzeuge
- Die Leitstelle koordiniert Fahrzeuge
- Im Betriebswerk werden Wartungen und Reparaturen durchgeführt
- usw.
Ergebnisse
Der Zweck ist das eigentliche und ultimativ gewünschte Ergebnis des Systems. Nun kann das System aber auch eine Reihe von ungewollten Ergebnissen produzieren.
- Verspätungen
- Lärmbelästigung
- Ausfälle von Zügen / Bahnen
- Überfüllte Bahnen
- Unfälle
System Thinking gibt dir nun Instrumente diese unerwünschten “emergent Properties” zu analysieren und erklärbar zu machen und mehr für die Erreichung des eigentlichen Zwecks zu tun.
Mit System Thinking arbeiten - Systemisches Denken und Handeln für Einsteiger
Systemisches Denken bietet dir eine Reihe von Werkzeugen, um Systeme zu erklären und entsprechende Handlungsoptionen zu formulieren. In diesem Artikel beschränke ich mich auf die Grundlagen des Systems Thinking, mit denen Du bereits in jedem Workshop hervorragende Ergebnisse erzielen kannst.
- Systemgrenzen definieren
- Systeme skizzieren
- Bottlenecks identifizieren
- Strategien entwickeln
- Lösungen überprüfen und anpassen
In diesem weiterführenden Artikel findest Du weitere Techniken für systemisches Denken.
Systemgrenzen definieren
Die erste wichtige Kompetenz im System Thinking ist, Systeme als solche zu erkennen und zu benennen. Dabei ist das Folgende zu beachten:
- Die drei konstituierenden Merkmale eines Systems helfen dir, erste Pflöcke einzuschlagen und das Spielfeld deines Systems einzugrenzen.
- Systemgrenzen sind nicht eindeutig, fließend und können sich auch während einer Analyse und Diskussion verschieben.
- Systeme sind mitunter verschachtelt, das heißt ein System kann aus mehreren Subsystemen bestehen. So ist ein Team ein System, gleichzeitig jedoch ein Subsystem eines Unternehmens.
Am besten startest Du mit der für dich relevanten, zu untersuchenden Fragestellung und definierst darauf aufbauend das System. Das folgende Beispiel zeigt wie sich Untersuchungsgegenstand und die Grenzen des Systems wechselseitig beeinflussen.
Was ist in diesem einfachen Beispiel das System und wo liegen seine Grenzen?
- Auto - Wenn dein Ziel ist, die Aerodynamik des Rennwagens zu verbessern, dann ist dein zu untersuchendes System das Auto.
- Auto + Fahrer - Wenn deine Fragestellung lautet, die schnellste Runde zu fahren, dann ist dein System durch Auto und Fahrer definiert.
- Auto + Fahrer + Crew + Wettbewerb - Wenn Du ein ganzes Rennen erfolgreich gestalten willst, dann schließt dein System die Crew, andere Rennfahrer, die Veranstalter, vielleicht sogar das Wetter und die Zuschauer ein.
Systeme skizzieren
Die zweite zentrale Fähigkeit ist es, Systeme zu skizzieren. Alles, was Du dafür brauchst, sind Post-its, Stifte und ein Whiteboard. Das klingt trivial, hat es aber in sich. Denn wie sagte Bertrand Russell einmal: “Everything is vague to a degree you do not realize till you have tried to make it precise.” Und die Dokumentation ist eben ein solcher Versuch, ein sonst abstraktes System zu präzisieren. Deswegen kann ein guter Start wie folgt aussehen:
- Starte mit der zu untersuchenden Fragestellung und der ungewollten Eigenschaft des Systems, also in unserem Beispiel die verspäteten Züge.
- Starte mit Fragen wie “Warum ist das so?" und verschriftliche deine Aussage in Form von Post-Its und Pfeilen. Dabei dokumentiert jeder Pfeil die Aussage “x führt zu y”.
- Nutze die 5-Why-Regel, um deine Analyse weiter zu vertiefen, Ursachen und Eigenschaften des Systems zu entdecken.
Dabei ist jede Aussage und jeder Pfeil am Ende nur eine Hypothese über die Funktionsweise deines Systems. Führe diese Diskussion bis Du glaubst, das System gut und prägnant skizziert zu haben. Dabei geht es nicht darum, das System “richtig” und “in allen Details zu erfassen”. Sondern prägnant genug, um eine gute Diskussion zu führen. “We model to have a conversation.” heißt es so schön im Guide des skalierten Scrum Frameworks LeSS. Das folgende Beispiel ist eine einfache Systemlandkarte ausgehend von dem ungewollten Ergebnis der verspäteten Züge.
Engpässe identifizieren
Im dritten Schritt des systemischen Denkens identifizierst Du die limitierenden Engpässe deines Systems (“Bottlenecks”). Schließlich ist im Sinne des System Thinking die Leistungsfähigkeit eines Systems durch den größten Engpass limitiert. Das heißt, eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. In dem einfachen Beispiel von oben ist der Personalmangel der zentrale limitierende Engpass.
Strategien entwickeln
Nachdem Du den größten limitierenden Engpass identifiziert hast, fängst Du an, Strategien zu entwickeln, um den Engpass aufzulösen. Denn die Auflösung des Engpasses hat unmittelbare Auswirkungen auf die bessere Leistungsfähigkeit des Systems. Dabei ist jede Maßnahme nur eine Hypothese darüber, wie Du den Engpass auflösen willst. In unserem einfachen Beispiel könnten folgende Maßnahmen relevant sein:
- Zeitarbeit - Eine kurzfristige Lösung ist, Leih- und Zeitarbeiter einzustellen oder andere Verkehrsbetriebe um Unterstützung zu bitten. Das hat jedoch u.U. Auswirkungen auf eine wichtige zu berücksichtige Randbedingung ("Constraint"), nämlich die Profitabilität der Verkehrsbetriebe.
- Programme zur Gesundheitsförderung - Eine mittelfristige Lösung ist, durch Maßnahmen die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern. Dies erfordert wiederum eine genauere systematische Analyse der Krankheitsgründe. Wenn Du einfach nur von einer Grippewelle geplagt bist, dann ist das etwas anderes, als wenn sich Arbeitnehmer langfristig wegen Überlastung krank melden. Zum Thema Gesundheitsmanagement siehe dazu auch den Gallup Engagement Index oder unseren Podcast zum AOK-Gesundheitsreport.
- Personalmarketing - Eine langfristige Lösung ist, die Attraktivität des Berufsbildes zu steigern.
Wie Du siehst, haben all diese Strategien eine unterschiedliche zeitliche Wirkung. Im System Thinking werden diese zeitlichen Verzögerungen “Delays” genannt. Sie sind für eine gute Systemanalyse von enormer Bedeutung, weil manche beobachtenden Wirkungen erst die Spätfolge von Ursachen sind, die sich im ersten nicht direkt erschließen.
Überprüfen und Anpassen
Da sich komplexe Systeme nicht deterministisch und vorhersagbar verhalten, musst Du im Sinne eines Agilisten des Verhalten des Systems ständig überprüfen und deine Maßnahmen entsprechend anpassen. Deswegen ist die “Überprüfung und Anpassung” der letzte wichtige Schritt des systemischen Denken und Handelns. Dazu etabliert Du am besten konkrete Feedbackschleifen, zum Beispiel indem Du Daten bzw. leading indicators überprüfst oder auch indem Du im Rahmen von strategischen Initiativen agile Vorgehensmodelle wie OKR einführst.
Mit System Thinking deine Organisations- und Unternehmensentwicklung erfolgreich gestalten
Systemisches Denken ist ein sehr hilfreiches Werkzeug für die Gestaltung von Organisationen und Unternehmen. Deswegen gehört Systemdenken auch in den Werkzeugkasten aller Menschen, die für die strategische und organisatorische Entwicklung von Unternehmen verantwortlich sind. Hier ein paar ausgewählte Beispiele, in denen System Thinking zu wertvollen Einsichten führen kann.
Kultur und Struktur
Kultur ist im Verständnis des Systems Thinking nichts weiter als die Summe aller Interaktionen und Verhaltensweisen im System. Deswegen kennst Du als Systemdenker nun die wichtigsten Einflussgrößen der Kultur:
- Der Zweck des Systems bzw. der Organisation. Der gewünschte Zweck einer Organisation definiert sich z.B. durch Visionen, dem Purpose, den Strategien und Zielen des Unternehmens
- Die Elemente des Systems, z.B. Teams, Bereiche, Management-Systeme, Prozesse, sicht- und unsichtbare Motivatoren bzw. Anreizsysteme.
Das heißt, wenn Du die Kultur (Interaktionen) verändern willst, kannst Du den Zweck und die Ziele sowie die Elemente des Systems nicht außen vor lassen, denn alle drei Bestandteile des Systems stehen in einer permanenten Wechselwirkung. Deswegen muss im Verständnis des Systems Thinking jede Kulturinitiative gnadenlos scheitern, wenn sie nicht auch das Ziel und die Elemente deines Unternehmens adressiert. In dieser Logik scheitern alle Versuche, die Kultur durch Workshops und Trainings zu manipulieren, das sind im besten Fall sogenannte “low leverage interventions”. Deine “high leverage interventions” findest du z.B. auf Ebene der Strategie, den Ambitionen und Zielen deiner Organisation, der Etablierung von transparenten Feedbackschleifen oder Veränderungen der Führungs- und Organisationsstruktur.
Attempting to change an organisation’s culture is a folly, it always fails. Peoples’ behaviour (the culture) is a product of the system; when you change the system peoples’ behaviour changes.John Seddon
System Thinking und Digitale Transformation
Bei der Einführung moderner IT- und Softwaresysteme kann System Thinking ebenfalls wertvolle Einsichten liefern. Zunächst einmal bringst Du mit neuen technischen Lösungen neue Elemente in dein System. Diese stehen mit anderen Elementen wie Prozessen und Mitarbeitern in direkter Wechselwirkung. Allerdings machen viele Unternehmen den teuren Fehler, ihre digitale Systemlandschaft an ihren vorherrschenden Prozessen auszurichten, auch bekannt als "Conway's Law”. Das Problem dabei: Deine Prozesse stammen höchstwahrscheinlich aus einer Zeit, in der Aktenordner und Faxe den Büroalltag dominierten. Das heißt, es wird mit neuen IT-Systemen zwar ein neues Element in das System eingeführt, jedoch erfolgt keine ganzheitliche Integration. Die Wechselwirkungen von IT-Systemen mit Prozessen und Organisation werden komplett ignoriert. Das Fatale dabei: diese teuren Fehler machen sich erst nach einer großen Verzögerung, einem “Delay” bemerkbar. Als guter Systemdenker solltest Du deswegen von Anfang an die Wechselwirkungen zwischen digitaler Infrastruktur, Prozessen und Organisation im Auge behalten.
“Best practices” als Alarmsignal
Wenn Du System Thinking ernst nimmst, dann solltest Du “best practices” grundsätzlich sehr skeptisch betrachten. Es sei denn “System Thinking” wird als solche vorgeschlagen.:) Denn diese “best practices" sind fast immer der Versuch, eine Abkürzung zu nehmen, statt den manchmal unbequemen und langsamen Prozess systemischen Denkens zu gehen. Zudem bekämpfen sie fast immer nur Symptome statt die eigentlichen Ursachen.
I took a speed-reading course and read “War and Peace” in twenty minutes. It involves Russia.Woody Allen
System Thinking Training
Ich habe selbst lange nach geeigneten Kursen und System Thinking Trainings recherchiert. Leider ist das Angebot sehr spärlich. Ich vermute es liegt daran, dass systemisches Denken schwer in standardisierte Kursprogramme zu packen ist, denn am besten praktizierst Du System Thinking an eigenen Beispielen. Hier eine Liste von System Thinking Trainings, die ich gefunden habe:
- Systems Thinking - University College London (UCL) - Guter remote Tagesworkshop für schlappe 95 Pfund, den ich selbst besucht habe. Link
- Systems Thinking and Engineering Management - University College London (UCL) - 8 wöchiger Kurs, remote für 500 Pfund. Link
- Human-Centered Systems Thinking - In der Online Akademie der weltbekannten Design- und Innovationsagentur IDEO findest du einen remote System Thinking Kurs für 800 Dollar. Der Kurs findet in Kohorten statt, wird durch IDEO “Learning Assistants" aktiv begleitet und von Community Aktivitäten flankiert. Vor allem dann sehr empfehlenswert, wenn Du dich mit Organisationsentwicklung beschäftigst - Link
Kennst Du weitere Seminare und Events zum Thema System Thinking, die Du aus eigener Erfahrung empfehlen kannst? Dann hinterlasse gerne einen Kommentar.
Die besten System Thinking Zitate
Zum Abschluss noch die besten Zitate zum Thema System Thinking. Sie sind einprägsame Metaphern, worum es beim System Thinking geht. Und worum es beim System Thinking nicht geht.
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.Aristoteles
The significant problems we face cannot be solved at the same level of thinking we were at when we created them.Albert Einstein
The map is not the territory.Alfred Korzybski
Dividing an elephant in half does not produce two small elephants.Peter Senge
Today’s problems come from yesterday’s ‘solutions.’Peter Senge
When we optimize sub-components of the system we don’t optimize the overall system.Edwards Deming
System Thinking is a discipline for seeing the structures that underlie complex situations.Peter Senge
The performance of the whole is never the sum of the parts separately, but it’s the product of their interactions.Russell Ackoff
Fazit - Gute Transformation mit System Thinking
Systemisches Denken ist eine Metakompetenz, um die strategische und organisatorische Entwicklung in Unternehmen zu gestalten. Leider sind wir in einer von “Ab-teilungen” geprägten Arbeitswelt primär motiviert, lokal zu optimieren, statt Sachverhalte ganzheitlich zu betrachten. Dazu fehlt dann oft die Zeit oder auch die Geduld es auszuhalten, dass Lösungen nicht direkt offensichtlich sind. System Thinking ist ein Denkansatz und gleichzeitig ein Set von Werkzeugen, die dir helfen, bessere Entscheidungen für die Ausrichtung und die Transformation eines Unternehmens zu treffen. Alles, was es dafür braucht, sind Zeit, Dialogbereitschaft und einen guten Facilitator für deine System Thinking Session.
Viel Erfolg dabei,
Andreas Diehl
Vom Kenner zum Könner
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