Lernende Organisation erfolgreich gestalten
Eine lernende Organisation bezeichnet eine anpassungsfähige, auf äußere und innere Reize reagierende Organisation. Also ein Unternehmen, das sprichwörtlich dazulernt, sich immer weiter verbessert und Dinge unterlässt, die der Organisation schaden. Das Besondere dabei ist, dass Lernprozesse in der lernenden Organisation autonom ablaufen. Damit sind lernende Organisationen eine Antwort auf VUCA-Zeiten und die digitale Transformation.
In diesem Artikel erkläre ich dir, was eine lernende Organisation auszeichnet und wie Du deine lernende Organisation zum Leben erweckst.
Was ist eine lernende Organisation?
Eine lernende Organisation hat die Fähigkeit, aus sich heraus zu lernen und immer wieder neu zu erfinden. Das heißt, einerseits Lernreize in Form von Erfahrungen und Feedbacks zu verarbeiten und andererseits auch den Wunsch nach Transformation und Selbstveränderung aktiv zu gestalten. Das Besondere dabei ist, dass Lernprozesse in der lernenden Organisation selbstorganisiert ablaufen. Das heißt, es braucht keine aufwändigen, von oben verordneten Change Programme. Vielmehr passieren Lernprozesse in der lernenden Organisation organisch. Handelnde Personen fördern und ermöglichen diese Lernprozesse durch gute Rahmenbedingungen. Durch falsche Maßnahmen können Lernprozesse aber auch gestört oder ganz verhindert werden.
Was lernen Organisationen genau?
Wenn Du “Lernen” als die grundsätzliche Fähigkeit definierst, neue Kompetenzen aufzubauen oder schädliche Verhaltensweisen einzustellen (der Griff auf die heiße Herdplatte), dann lernt eine Organisation auf vielen Ebenen:
- Neue Strategien
- Erwerb neuer fachlicher Fähigkeiten
- Aufbau neuer strategischer Kompetenzen
- Verbesserung von Prozessen, Abläufen, Management-Systemen und Kommunikation
- Abschaffung dysfunktionaler Systeme und permanenter Überlastung
- Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle
Das heißt, die lernende Organisation ist nicht auf das Erlernen von “hard skills” reduziert. Vielmehr geht es bei der lernenden Organisation vor allem darum, sich ganzheitlich auch im Bereich der unternehmerischen “soft skills” zu verbessern. Zudem betreffen Lernprozesse sowohl eine strategische als auch eine operative Ebene.
Die lernende Organisation nach Peter Senge
Das Konzept der lernenden Organisation wurde vor allem von Peter Senge geprägt und durch sein Buch “The Fifth Discipline: The Art and Practice of the Learning Organization” populär. Darin skizziert Peter Senge fünf Säulen einer lernenden Organisation:
- Personal Mastery - Das Bestreben jedes Einzelnen, sich persönlich immer weiterentwickeln und verbessern zu wollen.
- Shared Vision - Eine gemeinsame Vision zu teilen.
- Mental Models - Die Fähigkeit, mentale Modelle und ihre Auswirkungen zu verstehen.
- Team Learning - Die Fähigkeit in Gruppen gemeinsam aus Erfahrungen zu lernen und neue Strategien zu entwickeln.
- System Thinking - Die Fähigkeit, in ganzheitlichen Zusammenhängen zu denken.
Personal Mastery – individuelles Wachstum und lebenslanges Lernen
Personal Mastery ist der Wunsch jedes Einzelnen, sich persönlich und fachlich immer weiterentwickeln zu wollen. Ist diese wichtige persönliche Voraussetzung nicht geschaffen, dann fehlt der lernenden Organisation der Nährboden. Dabei hat Personal Mastery mehrere Facetten:
- Den Wunsch, sich immer weiter zu entwickeln.
- Disziplin und Ausdauer, Lernen ist keine “Einbahnstraße”.
- Fehlerkultur, Du lernst “von Fall zu Fall”.
- Offenheit und kritischer Dialog.
- Neugier und kreativer Umgang mit Problemen.
Personal Mastery verlangt auch Strategien, durch die es gelingt, persönliche Entwicklung und Lernen in einen ohnehin anspruchsvollen Alltag zu integrieren. Das ist vielleicht auch eine Frage des Willens und der Prioritäten. Dabei ist Personal Mastery ein andauernder Prozess, also eine Form des lebenslangen Lernens. Das heißt
im Umkehrschluss, dass eine lernende Organisation schon mit der Rekrutierung von lernwilligen und -freudigen Mitarbeitern beginnt.
Die zweite Säule einer lernenden Organisation ist eine gemeinsame, sinnstiftende Vision. Diese kollektive Ambition erzeugt eine kreative Spannung in der lernenden Organisation, also eine Lücke zwischen dem heutigen IST und dem gewünschten SOLL. Diese kreative Spannung fördert wiederum Mut, Kreativität und Experimentierfreude. Hier ein paar charakteristische Merkmale einer “Shared vision”:
- Eine Shared Vision erzeugt eine kreative Spannung.
- Mut, Kreativität und Experimentierfreude werden gefördert.
- Einzelne Personen sind Impulsgeber, nicht jeder muss Visionär sein.
- Eine Shared Vision wird im gemeinsamen Dialog entwickelt, der Impuls einzelner Personen weiterentwickelt und so zum kollektiven Eigentum.
Das Wichtigste der Shared Vision ist, dass damit greifbare, sinnstiftende sowie motivierende Ziel- und Zukunftsbilder entstehen. Mit dieser gemeinsamen Vision hat die lernende Organisation einen klaren Fixstern, um auch unter Stress und Belastungen nicht die Orientierung zu verlieren.
Mental Models – Goldene Käfige durchbrechen
Mentale Modelle sind persönliche, gedankliche Konstruktionen, wie die Welt im Allgemeinen und die Unternehmen im Speziellen zu sein haben. Diese mentalen Modelle entstehen durch Sozialisierung, Ausbildung und berufliche Erfahrungen. Einige typische mentale Modelle, die mir immer wieder in meiner Beratung begegnen:
- Der beste Weg, Arbeit zu organisieren, ist in funktionalen, spezialisierten Abteilungen. Dem stehen Ideen wie crossfunktionale Teams gegenüber.
- Führung ist eindimensional, d.h. es gibt immer nur eine Führungskraft. Dem stehen Konzepte wie die Helix oder auch Scrum gegenüber, in denen Führung mehrdimensional stattfindet. So führt in einem Scrum der Product Owner fachlich, der Scrum Master führt durch den agilen Prozess.
- Arbeitszeit ist ein wichtiger und universaler Leistungsindikator. Während das auf gewerbliche Tätigkeiten zutrifft, ist Arbeitszeit als mentales Modell und Leistungsindikator für kreative Arbeiten völlig unbrauchbar.
Mentale Modelle sind so tückisch, weil Du sie als “wahr” betrachtest, dich damit gedanklich auf ein bestehendes Spielfeld limitierst und deine eigenen goldenen Käfige baust. Deswegen ist die Fähigkeit, mentale Modelle als solche zu erkennen, sie aufzubrechen und sich eine bewusste Inkompetenz einzugestehen eine extrem wichtige Voraussetzung für das Lernen im Allgemeinen und das Entstehen einer lernenden Organisation im Speziellen. Erst wenn Du die Limitierung vorherrschender mentaler Modelle erkennst, ist der Weg für eine lernende Organisation geebnet. Das setzt bei handelnden Personen Offenheit, die Fähigkeit zur Reflektion und kritischen Dialog voraus, um die eigenen Limitationen und Blockaden zu erkennen und aufzulösen.
Team Learning – Lernen im Team
Das kollektive, gemeinsame Lernen ist eine weitere Säule der lernenden Organisation. Dabei geht es darum, Erfahrungen gemeinsam in Gruppen zu reflektieren, diese zu bewerten, sich Feedback zu geben und gemeinsam zu überlegen, wie sich die Gruppe weiter verbessern kann. In der agilen Methoden-Kiste findest Du dazu z.B. Formate wie eine agile Retrospektive, gemeinsame Reviews oder auch Daily Standups. All diese agilen Praktiken haben gemeinsam, dass sie das Lernen und die Synchronisation im Team fordern und fördern. Wenn das gelingt, dann ist das Ganze immer größer und leistungsfähiger als die Summe seiner Einzelteile. Das gemeinsame Lernen im Team setzt Respekt, Akzeptanz, Offenheit und vor allem die Fähigkeit zum kritischen Dialog voraus.
Systems Thinking – Denken in Systemen
Die fünfte und wichtigste Disziplin der lernenden Organisation ist die Fähigkeit, vernetzt in System und ganzheitlichen Zusammenhängen zu denken. Also das Unternehmen als System zu betrachten und Probleme ganzheitlich zu lösen, statt Symptome zu bekämpfen oder Probleme durch eine lokale Optimierung zu verschlimmbessern. Das Denken in Systemen ist in der unternehmerischen Realität aus mehreren Gründen herausfordernd:
- Stakeholder verfolgen aufgrund dysfunktionaler Anreizsysteme ihre eigenen Partikularinteressen.
- Es fehlt die Zeit, Probleme und Herausforderungen wirklich ganzheitlich zu durchdringen. Stattdessen muss immer alles schnell gehen.
- Diese Art des Denkens und Arbeitens ist anstrengend und ungewohnt.
Diese Fünfte ist auch die Königsdisziplin der lernenden Organisation. Eine Fähigkeit, die in der unternehmerischen Praxis nicht weit verbreitet ist, aber in Trainings und Workshops auch geübt werden kann.
Lernende Organisation nach Prof. Peter Kruse
Peter Kruse war ein deutscher Organisationspsychologe, der ebenfalls eine sehr anschauliche und kurzweilige Vorstellung einer lernenden Organisation hat. Nach Prof. Kruse basiert eine lernende Organisation auf drei Eckpfeilern:
- Vernetzung - Eine gute interne Synchronisation und aktiver Austausch. Das heißt im Umkehrschluss: Je mehr Unternehmen in Abteilungen denken und handeln, desto weniger lernen sie. Zumindest solange unter den entstehenden Silos die Vernetzung und der Wissensaustausch leidet.
- Erregung - Die zweite Säule der lernenden Organisation sind Reize, Stressoren, Informationen und Feedback, die auf deine lernende Organisation eintreffen und dich zum Nachdenken anregen. Damit sie zu einer tragenden Säule der lernenden Organisation werden, müssen Feedback und Reize aber auch angenommen werden. Wenn jede Form der Rückmeldung (ob aktiv oder passiv) an dir abprallt, dann lernst Du nichts.
- Bewertung - Der dritte Eckpfeiler der lernenden Organisation verlangt eine Beurteilung und Bedeutungsgebung der eingehenden Erreger. Was kannst Du ignorieren, das heißt, was ist nur “Noise”, um was genau musst Du dich kümmern und wie genau gehst Du damit um, was sind die Reaktionen, Antworten und Strategien?
Wenn wir also Systeme haben wollen, die intelligent sind, brauchen wir im Prinzip Vernetzung, Erregung und Bewertung.Prof. Peter Kruse
Entsprechend dieser Vorstellung einer lernenden Organisation brauchst Du also drei Arten von Rollen und Persönlichkeiten in deinem Unternehmen.
- Integratoren - Mitarbeiter, die vernetzen, Verbindungen aufbauen und Brücken schlagen, die andere einfach nicht sehen.
- Pioniere - Die Störenfriede und Kreativen, denen immer alles nicht gut genug ist, die ständig irgendwelche Ideen und Verbesserungsvorschläge haben.
- Strategen - Diejenigen, die aus den vielen Ideen, Reizen und Spannungsfeldern zwischen “run” und “change the business” Konzepte und tragfähige Strategien entwickeln.
Die lernende Organisation der dno
Als Berater und Unternehmer habe ich immer einen sehr ganzheitlichen Blick auf Organisationen. Und wenn der Kunde uns lässt, dann gestalten wir lernende Organisation durch die Entwicklung und Förderung der folgenden Bausteine und Kompetenzen:
- Strategie - Gute Ziele und Ambitionen, um in einer digitalen Welt erfolgreich zu bestehen.
- Digitale Prozesse, Systeme und Kompetenz - Für vernetzte Wertschöpfung, Transparenz und eine datenbasierte Führung.
- Agiles Management - Strategische Führung und agiles Management mit Methoden wie z.B. OKR.
- Agile Organisation - New Work, agile und duale Organisationsmodelle.
- Ständige Innovation - Als systematische Kompetenz und als Antwort auf globale Vernetzung, steigenden Kosten- und Innovationsdruck.
Wenn Du das gerne besprechen möchtest, dann buche dir einfach einen unverbindlichen Strategiecall.
Wie Du deine lernende Organisation entwickelst
Wenn Du dich alleine auf den Weg machst, um deine lernende Organisation zu gestalten, dann hier hier noch ein paar Tipps und Überlegungen, wie Du diese Prozesse fordern und fördern kannst.
- Strategie und Ziele - Deine Strategie ist deine “Bewertung” vergangener und künftiger Entwicklungen. Mit deiner Strategie dokumentierst Du, was wichtig ist, worauf sich dein Unternehmen konzentriert, wo Du vielleicht auch bewusst mit bestehenden Glaubenssätzen und mentalen Modellen brichst. Schau dir dazu z.B. mal das “Playing to win” Framework oder auch die besten Strategie Bücher an.
- Neue Strukturen - Systemisches Denken, Vernetzung und Wissenstransfer sind fast immer durch bestehende Strukturen und Anreizsysteme blockiert. Wenn Du also eine lernende Organisation willst, dann solltest Du bestehende Strukturen und Systeme sehr kritisch prüfen. Die Einführung neuer Führungsmodelle und Strukturen ist ein wichtiger Beitrag für das Entstehen einer lernenden Organisation.
- Vernetzung fördern - Wenn Dir neue Strukturen “zu heiß” sind, dann kannst Du Vernetzung und gemeinsames Lernen z.B. über ein zweites Flight Level, gemeinsame Reviews und Retrospektiven etablieren. Also einfach regelmäßige offene Formate, um gemeinsam über Entwicklungen zu reflektieren. Dabei unterstützen dich Formate wie das OKR System, um transparente Ziele zu formulieren und permanente Feedback- und Lernprozesse zu etablieren.
- Mehr Workshops - Gut moderierte Workshops sind ein Ort des gemeinsamen Lernens. Dabei solltest Du dir vor allem Zeit nehmen, denn das Denken in Abhängigkeiten, Systemen und das Durchdringen komplexer Sachverhalte braucht Zeit.
- Crossfunktionale Teams - Mehr bereichs- und abteilungsübergreifende Teams z.B. im Rahmen einer Projektorganisation, im Rahmen einer dualen Organisation oder auch in der Arbeit mit OKR fördern Vernetzung und das gemeinsame Lernen.
- Recruiting - Leute im Recruiting bevorzugen, die nachweislich die Fähigkeit mitbringen sich immer wieder “neu zu erfinden” und sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen, statt nur auf monotone Lebensläufe zu setzen.
Agile vs Lernende Organisation
Als geneigter Anhänger agiler Rahmenwerke fragst Du dich vielleicht, was der Unterschied zwischen einer agilen und einer lernenden Organisation ist. Streng genommen keiner. Denn eine gut aufgesetzte agile Organisation ist immer auch eine lernende Organisation. Andersherum muss nicht jede lernende Organisation mit agilen Methoden arbeiten. Da jedoch agile Prinzipien vieles mitbringen, was eine lernende Organisation ausmacht, ist die Arbeit mit agilen Methoden ein guter Weg, um erste Schritte auf dem Weg zu einer lernenden Organisation zu gehen.
Fazit - Organisation können nicht lernen, Menschen schon
Eigentlich kann es gar keine lernende Organisation geben. Schließlich sind Organisationen nur eine künstliche Abstraktion. Menschen dagegen können lernen, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen schaffen, dass Lernprozesse stattfinden. Das heißt, die lernende Organisation ist eigentlich die Folge davon, dass Menschen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit Lernen unternehmensweit gedeiht. Dabei ist vielleicht eines der größten blockierenden mentalen Modelle der übertriebene Wunsch nach Optimierung und Effizienz. Schließlich ist Lernen alles andere als effizient. Lernen Menschen und Mitarbeiter nichts dazu, dann kann auch die Organisation nichts lernen und bleibt schlimmstenfalls brotdumm.
Viel Erfolg dabei.
Andreas Diehl
Vom Kenner zum Könner
Als Gründer der dno stehe ich dir für dein Anliegen zur praktischen Anwendung gerne persönlich zur Verfügung.
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